02.09.2016

Zum Schutzbereich einer aus kyrillischen Schriftzeichen bestehenden Marke

Eine für Fleisch und Wurst eingetragene Marke, die aus mehreren, das russische Wort für "Schwiegermutter" wiedergebenden kyrillischen Schriftzeichen besteht, richtet sich sowohl an den Verkehrskreis sämtlicher Verbraucher von Fleisch- und Wurstwaren als auch an den davon zu unterscheidenden eigenständigen Verkehrskreis russischsprachiger Verbraucher. Für die Bejahung des markenrechtlichen Verletzungstatbestandes reicht es daher aus, wenn eine Verwechslungsgefahr bei einem dieser Verkehrskreise besteht.

OLG Frankfurt a.M. 14.7.2016, 6 U 143/15
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein europaweit tätiges Unternehmen, das u.a. Fleisch- und Wurstwaren vertreibt. Sie ist Inhaberin der u.a. für die Waren Fleisch und Wurst eingetragenen (Unions-) Bildmarke X. Dabei handelt es sich um ein kyrillisches Wort, das in der deutschen Übersetzung "Schwiegermutter" bedeutet. Die Beklagte betreibt unter dem Namen Y Geschäfte, in denen sie vor allem russisch sprechenden aber auch deutschen Kunden Lebensmittel anbietet. Darunter befand sich eine auf der Verpackungsrückseite mit der Bezeichnung "X" (übersetzt: "satte Schwiegermutter") versehene Dauerwurst.

Die Klägerin wirft der Beklagten eine Verletzung ihrer Markenrechte vor. Sie verlangte von der Beklagten, es bei Meidung gesetzlicher Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr wie bislang die Bezeichnung "X" zur Kennzeichnung von Fleisch- und Wurstwaren zu benutzen. Im Übrigen begehrte sie Auskunft über Umfang und Dauer der Verletzungshandlung, die Feststellung, dass die Beklagte ihr den durch die Markenverletzung entstandenen Schaden ersetzen muss sowie den Ersatz ihrer Abmahnkosten. Widerklagend beantragte die Beklagte, die Klagemarke gem. Art. 51 Abs. 1, 52 Abs. 1 lit a UMV für nichtig zu erklären.

Das LG entsprach dem Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzbegehren und wies i.Ü. die Klage sowie die Widerklage ab. Auf die Berufung der Beklagten änderte das OLG das Urteil ab und wies die Klage ab. Die Widerklage wurde von der Beklagten nicht weiterverfolgt.

Die Gründe:
Der Klägerin stehen aus Art. 9 Abs. 2 lit. b) UMV (vormals Art. 9 Abs. 1 lit. b GMV) als der einzigen hier in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage keine Unterlassungsansprüche wegen der Nutzung des Zeichens "... X" zu. Die Folgeansprüche auf Auskunft und Schadensersatz bestehen daher ebenfalls nicht.

Es kann offen bleiben, ob die Beklagte das vorgenannte Zeichen als Herkunftshinweis verwendet, weil jedenfalls zwischen den im Streit befangenen Zeichen keine Verwechslungsgefahr besteht. Vorliegend ist es notwendig, die Verkehrsauffassung sowohl der russisch sprechenden als auch der nicht russisch sprechenden Kundschaft zu untersuchen. Die Verkehrsauffassung bemisst sich grundsätzlich am Verständnis eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen. Die Annahme einer gespaltenen Verkehrsauffassung ist mit der Sichtweise eines Durchschnittsverbrauchers daher im Grundsatz nicht zu vereinbaren.

Eine andere Beurteilung ist aber gerechtfertigt, wenn die sich gegenüberstehenden Zeichen verschiedene Verkehrskreise ansprechen, die sich objektiv voneinander abgrenzen lassen. In einem solchen Fall reicht es für die Bejahung eines Verletzungstatbestands aus, wenn Verwechslungsgefahr bei einem der angesprochenen Verkehrskreise oder bei einem erheblichen Teil des Publikums besteht. So liegt der Fall hier, denn beide Parteien richten sich mit den von ihnen registrierten bzw. verwendeten Zeichen zwar vornehmlich aber nicht ausschließlich an Verbraucher, die der russischen Sprache mächtig sind und daneben auch an Kunden, die ein Interesse an osteuropäischen und russischen Produkten haben, die russische Sprache aber nicht verstehen.

Zu Recht hat das LG geprüft, ob nach dem Verständnis der nicht russisch sprech enden Kunden eine Verwechslungsgefahr vorliegt. Es hat auch zutreffend darauf abgestellt, dass die Zeichen X bzw. "X" für diesen Verkehrskreis weder eine klangliche noch eine begriffliche Ähnlichkeit besitzen, weil eine Person, die kein Russisch versteht, die Zeichen weder korrekt aussprechen noch ihnen einen Bedeutungsgehalt beimessen kann. Anders als das LG sieht der Senat daneben aber auch keine optische Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Zeichen.

Der Senat musste sich auch mit der Frage beschäftigen, ob für den russisch-sprachigen Verkehrskreis eine Verwechslungsgefahr gegeben ist. Auch dies lässt sich hier ausschließen. Es besteht zwar Warenidentität, weil das Warenverzeichnis der noch in der Benutzungsschonfrist befindlichen Klagemarke auch Fleisch- und Wurstwaren enthält. Die Kennzeichnungskraft der Klagemarke ist allerdings unterdurchschnittlich, weil der slawische Begriff X (phon. X = Schwiegermutter) im russischen Sprachgebrauch einen deutlich beschreibenden Anklang hat. Wegen der schriftbildlichen Ähnlichkeit kann auf die obigen zum deutschen Verkehrskreis getroffenen Feststellungen Bezug genommen werden. Entsprechendes gilt für die klangliche Ähnlichkeit.

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