17.10.2014

Zum Umfang der Verjährungshemmung bei fehlerhafter Anlageberatung

Im Schadensersatzprozess gegen eine Bank wegen fehlerhafter Anlageberatung erstreckt sich der Umfang der Verjährungshemmung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB auf alle Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen unabhängig davon, ob sie auch vorgetragen sind. Denn bei natürlicher Betrachtungsweise stellt sich eine Anlageberatung als einheitlicher Lebensvorgang dar, der nicht in einzelne Aufklärungs- und Beratungspflichten aufgespalten werden kann.

OLG Frankfurt a.M. 10.9.2014, 19 U 61/14
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte im Januar 2003 infolge einer Beratung durch die beklagte Bank in einen Film-Fonds investiert. Die Beklagte hatte allerdings nicht darauf hingewiesen, dass bereits zum Beratungszeitpunkt bei ihrer Produktionspartnerin der Vorwurf betrügerischer Überhöhung von Produktionskosten im Raum stand und in den USA eine Schadensersatzklage gegen sie in einer Größenordnung von 75 Mio. US-$ erhoben und zugelassen worden war.

Die Klägerin behauptete, die fehlerhafte Beratung sei kausal für ihre Anlageentscheidung gewesen. Denn sie hätte bei Wissen um die Dubiosität der Geschäftspartner der Beklagten nicht in den Fonds investiert. Die Beklagte vertrat die Auffassung, dass hinsichtlich des erst mit Schriftsatz vom 29.5.2013 vorgebrachten Beratungsfehlers die Verjährung nicht rechtzeitig gehemmt worden sei.

Das LG wies die Klage ab. Es war der Ansicht, etwaige Beratungsmängel betreffend die Seriosität und Liquidität der Produktionsfirma seien bereits verjährt. Eine wirksame Hemmung der Verjährung setze für jede einzelne Pflichtverletzung die Individualisierung des konkret geltend gemachten Aufklärungsmangels voraus. Ausgehend von einem Erwerb der Anlage im Januar 2003 sei die zehnjährige absolute Verjährung spätestens im Februar 2013 ungehemmt abgelaufen.

Auf die Berufung der Klägerin hob das OLG das Urteil auf und gab der Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht aus der Beteiligung statt. Allerdings wurde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zum BGH zugelassen.

Die Gründe:
Ein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1 BGB ist gegeben.

Die Beklagte hat im Zusammenhang mit der Produktionspartnerin die gebotene Aufklärung unterlassen, indem sie nicht darauf hingewiesen hatte, dass bereits zum Beratungszeitpunkt bei dieser der Vorwurf betrügerischer Überhöhung von Produktionskosten im Raum stand und in den USA eine Schadensersatzklage gegen sie in einer Größenordnung von 75 Mio. US-$ erhoben und zugelassen worden war. Die beratende Bank ist zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet. Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen dabei von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarktes, sowie die speziellen Risiken, die sich aus den Besonderheiten des Anlageobjekts ergeben.

In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Dass eine Schadensersatzklage über immerhin 75 Mio. US-$ im Erfolgsfall eine erhebliche Gefährdung für die Summe aller Mindestgarantien darstellen konnte, verstand sich von selbst. Im Übrigen war auch zu berücksichtigen, dass der erhobene Vorwurf, nämlich das betrügerische Aufblähen von Produktionskostenbudgets, den Kern der Tätigkeit der Produktionspartnerin bzw. genau den Aufgabenbereich betraf, mit dem sie als Produktionspartner auch im vorliegenden Fondskonzept betraut worden war. Dieser Umstand war aus Sicht des vernünftigen Anlegers geeignet, die Vertrauenswürdigkeit der Fondsverantwortlichen bzw. deren Zuverlässigkeit und Seriosität in Frage zu stellen.

Ein diesbezüglicher Hinweis war der Beklagten zum Beratungszeitpunkt auch möglich. Für die Frage der Aufklärungsbedürftigkeit kam es nicht entscheidend darauf an, ob zum Zeitpunkt der erwähnten Pressemitteilungen eine Verurteilung absehbar oder wahrscheinlich war. Allein der Umstand, dass die Klage auch aus damaliger Sicht im Erfolgsfall erhebliche Auswirkungen auf die Bonität eines der entscheidenden Produktionspartner, dessen Zahlungsfähigkeit und die Einhaltung der Einmalzahlung hätte haben können, reichte aus, um ein erhebliches Risiko für die Anleger und damit eine Aufklärungsbedürftigkeit hierüber zu bejahen.

Der hier angenommene Pflichtverstoß war entgegen der Auffassung des LG nicht wegen Ablaufs der absoluten kenntnisunabhängigen Verjährungsfrist gem. § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB verjährt. Im Schadensersatzprozess gegen eine Bank wegen fehlerhafter Anlageberatung erstreckt sich der Umfang der Verjährungshemmung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB auf alle Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen unabhängig davon, ob sie auch vorgetragen sind. Denn bei natürlicher Betrachtungsweise stellt sich eine Anlageberatung als einheitlicher Lebensvorgang dar, der nicht in einzelne Aufklärungs- und Beratungspflichten aufgespalten werden kann.

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