09.01.2017

Zum Umfang einer Schiedsgerichtsvereinbarung in Zusammenhang mit einem Vermehrungsvertrag für Saatgetreide

Haben die Parteien eines Vermehrungsvertrages für Saatgetreide vereinbart, dass Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag der Entscheidung durch ein Schiedsgericht unterworfen sein sollen, schließt diese Abrede Streitigkeiten über die Verwendung des vom Züchter gelieferten und zur Vermehrung bestimmten Saatguts für den Nachbau ein. Die Vermehrungslizenz berechtigt den Vermehrer nicht dazu, das erzeugte Erntegut einschließlich seiner Folgegenerationen zu vermehren.

BGH 25.10.2016, X ZR 27/15
Der Sachverhalt:
Die Klägerin wurde von den Züchtern der Getreidesorten Scarlett (Sommergerste) sowie Magnus und Terrier (beides Winterweizen) ermächtigt, deren Rechte und Ansprüche in Bezug auf Nachbau und Aufbereitung von Saatgut im eigenen Namen vor ordentlichen Gerichten und Schiedsgerichten geltend zu machen. Der Beklagte ist Landwirt und erzeugt aufgrund eines Vertrages über die Gewährung einer Produktionslizenz für Saatgetreide aus Februar 2002 (Vermehrungsvertrag) in einer seiner Betriebsstätten für die Züchter der genannten drei Sorten Saatgetreide. Der Vertrag sieht u.a. in Übereinstimmung mit einem ergänzend geschlossenen Schiedsvertrag vor, dass "Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit dem Vermehrungsvertrag" von einem bestimmten Schiedsgericht entschieden werden.

Der Beklagte betrieb auf der Grundlage des Vermehrungsvertrages die Vermehrung der Sorten Scarlett und Terrier im Wirtschaftsjahr 2004/2005 und diejenige der Sorte Magnus in den Wirtschaftsjahren 2005/2006 und 2006/2007. Die Klägerin forderte den Beklagten daraufhin zur Auskunft über einen Nachbau im Wirtschaftsjahr 2007/2008 auf. Nachdem dies erfolglos geblieben war, erhob sie vor dem LG Stufenklage und beantragte, den Beklagten zu verurteilen, ihr Auskunft darüber zu erteilen.

Der Beklagte rügte vor dem LG, dass die Angelegenheit Gegenstand der getroffenen Schiedsvereinbarung sei. Das LG wies die Klage daraufhin als unzulässig ab. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin blieb erfolglos, ebenso wie die Revision vor dem BGH.

Die Gründe:
Die Klägerin hat sich für ihre Ansprüche darauf gestützt, dass der Beklagte in vorangegangenen Wirtschaftsjahren Verbrauchssaatgut aus von den Züchtern oder deren Vertriebsorganisationen auf der Grundlage des Vermehrungsvertrages geliefertem technischen Saatguts erzeugt hatte. Der Sache nach machte sie damit geltend, dass der vermutete Nachbau des Beklagten auf ihm vor dem Hintergrund des Vermehrungsvertrages geliefertes technisches Saatgut zurückgehe. Auf der Grundlage dieses für die Beurteilung durch das Revisionsgericht maßgeblichen Vorbringens hatte das Berufungsgericht in dem Begehren der Klägerin zu Recht eine i.S.d. Schiedsvertrags in Zusammenhang mit dem Vermehrungsvertrag stehende und damit der Entscheidung durch das Schiedsgericht unterworfene Streitigkeit gesehen.

Im Hinblick darauf, dass der Entscheidung durch das Schiedsgericht nach den vertraglichen Regelungen nicht nur Streitigkeiten "aus dem Vermehrungsvertrag" unterworfen sind, sondern auch solche, die sich "im Zusammenhang mit diesem Vertrag" ergeben, ist der in diesem Kontext verwendete Begriff "Zusammenhang mit dem Vertrag" Ausdruck des Willens der Parteien, eine möglichst umfassende Zuständigkeit des Schiedsgerichts zu begründen. Seiner Entscheidung sollen auch solche Auseinandersetzungen unterworfen sein, die den eigentlichen Vertragsgegenstand, die Vermehrung von technischem Saatgut, nicht nur unmittelbar betreffen, sondern dazu nur in mittelbarer Beziehung stehen.

Der Streit um die Auskunftserteilung des Vermehrers über seinen mutmaßlichen Einsatz von in Erfüllung des Vertrages erzeugtem Saatgut zu Nachbauzwecken weist einen diesem Sinne hinreichenden Bezug zum Vermehrungsvertrag auf. Denn der Nachbau steht in engem sachlichem Zusammenhang zu den im Vermehrungsvertrag getroffenen Regelungen über Inhalt und Reichweite der Vermehrungslizenz. Diese berechtigt den Vermehrer lediglich dazu, aus dem ihm für eine Erzeugungsperiode überlassenen technischen Saatgut Verbrauchssaatgut zu gewinnen.

Vorbehaltlich einer erteilten Erlaubnis ist der Vermehrer nicht berechtigt, das erzeugte Erntegut einschließlich seiner Folgegenerationen zu vermehren. Bei an den §§ 133 und 157 BGB orientierter Auslegung wird damit entgegen dem Verständnis der Klägerin nicht nur der Umfang der Vermehrungslizenz bestimmt, sondern dem Vermehrer gleichsam spiegelbildlich verwehrt, mit dem aus technischem Saatgut erzeugten Saatgut ohne die erwähnte Erlaubnis anders zu verfahren, als es den sonstigen vertraglichen Regelungen entspricht, denen zufolge das erzeugte Saatgut in erster Linie an die Vertriebsorganisation abzuliefern ist.

Linkhinweise:

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