13.09.2016

Zum urheberrechtlicher Internet-Auskunftsanspruch infolge des Einsatzes einer gefälschten Lizenzdatei

Im Rahmen des § 101 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UrhG muss die vom auskunftsverpflichteten Dritten erbrachte Dienstleistung in einem finalen Sinne gerade für die rechtsverletzenden Tätigkeiten genutzt werden, so wie das in Filesharingnetzwerken der Fall ist. Die Regelung des § 101 Abs. 2 UrhG betrifft einen Auskunftsanspruch gegen einen Dritten, der ausnahmsweise als Nichtverletzer Auskunftsschuldner ist, so dass sie als Ausnahmeregelung gegenüber der Regelung der Verletzerauskunft nach § 101 Abs. 1 UrhG eng auszulegen ist.

LG München I 19.8.2016, 21 O 14088/16
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin ist ein deutsches Tochterunternehmen einer britischen Softwareherstellerin, die eine CAD/CAM-Software entwickelt hat, mit der sich CNC-gesteuerte Bearbeitungsmaschinen wie Fräsen ansteuern lassen. Die Antragsgegnerin ist eine bei München ansässige Internetzugangsproviderin. Die Antragstellerin hatte den Erlass einer einstweiligen Anordnung und eines Beschlusses gem. § 101 Abs. 9 UrhG beantragt, mit der der Antragsgegnerin gestattet werden sollte, über Namen und Anschrift eines Nutzers Auskunft zu erteilen, der durch eine IP-Adresse samt Timestamp identifiziert wurde. Hilfsweise hatte sie beantragt, der Antragsgegnerin die Löschung der entsprechenden Daten bis zum Abschluss des Verfahrens zu untersagen.

Die Antragstellerin ging aufgrund der zurückgemeldeten Daten davon aus, dass der Nutzer eine von einer Hacker-Gruppe gefälschte Lizenzdatei aus dem Internet heruntergeladen und verwendet hatte, durch die eine Freischaltung und Lizenzerweiterung ermöglicht wurde. Sie war der Auffassung, eine Auskunftspflicht bestehe schon deshalb, weil zu vermuten sei, dass sich der Nutzer die Software selbst auch über den Internetanschluss, dem die IP-Adresse zugeordnet war, heruntergeladen habe. Zudem liege eine Urheberrechtsverletzung in einer unbefugten Bearbeitung der Software durch den Nutzer i.S.v. § 69c Nr. 2 2. Alt. UrhG vor.

Das LG wies den Antrag und den Hilfsantrag zurück.

Die Gründe:
Es bestand kein Drittauskunftsanspruch der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin aus § 101 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UrhG. Der Hilfsantrag war ebenfalls zurückzuweisen, weil eine isolierte Speicheranordnung für die Daten vor einer Herausgabe ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 101 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UrhG nicht in Betracht kommt.

Die von der Antragsgegnerin i.S.v. § 101 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UrhG erbrachte Dienstleistung, das Zurverfügungstellen eines Internetzugangs, war im vorliegenden Fall nicht für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzt worden, sondern lediglich von der Antragstellerin im Rahmen einer technischen Schutzmaßnahme nach §§ 95a ff. UrhG automatisiert zur Kontrolle und Datenübertragung zu einem Zeitpunkt eingesetzt, zu dem die rechtsverletzende Tätigkeit des Nutzers bereits beendet war. Die rechtsverletzende Tätigkeit wird vom Verletzer nicht durch eine Nutzung der Dienstleistung der Antragsgegnerin, also des Zugangs zum Internet, ausgeführt und ist bereits abgeschlossen, sobald es automatisiert durch die Software der Antragstellerin zu einem Verbindungsaufbau zu ihrem Server kommt, der im Rahmen ihres Rückmeldesystems eingesetzt wird. Im Rahmen des § 101 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UrhG muss die vom auskunftsverpflichteten Dritten erbrachte Dienstleistung in einem finalen Sinne gerade für die rechtsverletzenden Tätigkeiten genutzt werden, so wie das in Filesharingnetzwerken der Fall ist, wo die tatbestandsmäßige öffentliche Zugänglichmachung nach § 19a UrhG über das Medium Internet erfolgt, durch das die der Öffentlichkeit zugehörigen potentiellen Downloader des Werks erreicht werden sollen.

Die Regelung des § 101 Abs. 2 UrhG betrifft einen Auskunftsanspruch gegen einen Dritten, der ausnahmsweise als Nichtverletzer Auskunftsschuldner ist, so dass sie als Ausnahmeregelung gegenüber der Regelung der Verletzerauskunft nach § 101 Abs. 1 UrhG eng auszulegen ist. Sie geht auf Art. 8 der Durchsetzungsrichtlinie (RL 2004/48/EG vom 29.4.2004) zurück, der wiederum auf Art. 47 TRIPS beruht. Bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 101 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UrhG ist daher nach der im Wortlaut zum Ausdruck kommenden Intention des europäischen Gesetzgebers der Finalzusammenhang zu berücksichtigen, in dem die rechtsverletzenden Handlungen und die Dienstleistungen des Auskunftsverpflichteten stehen müssen.

Dass die im vorliegenden Fall nur im Rahmen einer nachgelagerten technischen Schutzmaßnahme nach § 95a ff. UrhG von der Antragstellerin implementierte Kontrollabfrage unter Verwendung des Internets als Datenübertragungsweg nicht ausreichen kann, um die Dienstleistung des Internetzugangsproviders als für die rechtsverletzende Tätigkeit genutzt anzusehen, ergab sich auch aus der Überlegung, dass es ansonsten allein der Rechteinhaber in der Hand hätte, unabhängig vom Verhalten des Verletzers ("Tätigkeiten") einen Drittauskunftsanspruch auszulösen, indem er eine nachgelagerte internetbasierte Kontrollabfrage in seine Software einbaut.

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Bayern.Recht
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