16.02.2017

Zum Vergütungsanspruch des im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Emittenten bestellten gemeinsamen Vertreters von Anleihegläubigern

Der Anspruch eines im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Emittenten bestellten gemeinsamen Vertreters von Anleihegläubigern auf Vergütung ist keine Masseverbindlichkeit. Er zählt weder zu den Kosten des Insolvenzverfahrens nach § 54 InsO noch stellt er eine sonstige Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 InsO dar, die gem. § 53 InsO aus der Insolvenzmasse vorab zu berichtigen wäre.

BGH 12.1.2017, IX ZR 87/16
Der Sachverhalt:
Der Beklagte ist Verwalter in dem im April 2014 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der F-KGaA (Schuldnerin). Die Schuldnerin befasste sich mit der Entwicklung und dem Vertrieb von Finanzprodukten. Sie finanzierte sich u.a. durch die Ausgabe von Orderschuldverschreibungen, Genussscheinen und Genussrechten. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens berief das Insolvenzgericht wegen der 2.194 Genussschein- und Genussrechtsserien eine gleiche Anzahl von Gläubigerversammlungen nach § 19 Abs. 2 SchVG ein. In einer dieser Gläubigerversammlungen wurde der Kläger - ein Rechtsanwalt - zum gemeinsamen Vertreter der Gläubiger der Genussscheinserie und der Genussrechtsserie bestellt.

Er meldete Forderungen der von ihm vertretenen Gläubiger mit den Beträgen von 614.800 € (Genussscheinserie) und 350.000 € (Genussrechtsserie) zur Insolvenztabelle an. Weil ein gemeinsamer Vertreter von Orderschuldverschreibungsgläubigern der Feststellung der vom Kläger angemeldeten Forderungen im Rang des § 38 InsO widersprach, erhob der Kläger gegen ihn Klage auf Feststellung des Rangs des § 38 InsO und zahlte hierfür den angeforderten Gerichtskostenvorschuss i.H.v. rd. 3.800 € ein.

Seine Tätigkeit im Zuge der Forderungsanmeldung zur Insolvenztabelle rechnete der Kläger gegenüber dem beklagten Insolvenzverwalter mit rd. 2.200 € (Genussscheinserie) und rd. 1.600 € (Genussrechtsserie) ab. Die Beträge errechnen sich aus einer 0,5-fachen Gebühr gem. § 2 Abs. 2, § 13 RVG, Nr. 3320 VV-RVG zzgl. einer Auslagenpauschale i.H.v. 20 € nach Nr. 7002 VV-RVG und der anfallenden Umsatzsteuer.

Das LG wies die auf Erstattung der verauslagten Gerichtskosten und auf Bezahlung der Gebührenrechnungen im Gesamtbetrag von rd. 7.600 € gerichtete Klage ab. Die Sprungrevision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Gründe:
Das LG hat mit Recht angenommen, dass der von den Gläubigern im Insolvenzverfahren nach § 19 Abs. 2 SchVG gewählte gemeinsame Vertreter seinen Anspruch auf Erstattung der durch seine Bestellung entstandenen Kosten und Aufwendungen einschließlich seiner Vergütung in einem ordentlichen Zivilprozess geltend zu machen hat. Wie der Senat entschieden hat, gehören die Vergütung und die Auslagen des gemeinsamen Vertreters nicht zu den Kosten des Insolvenzverfahrens und können nicht vom Insolvenzgericht festgesetzt werden.

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch gegen den Insolvenzverwalter auf Erstattung seiner Vergütung und der von ihm verauslagten Gerichtskosten aus der Insolvenzmasse besteht jedoch nicht. Um die gemeinsame Willensbildung und -durchsetzung der oft zahlreichen und verstreuten Anleihegläubiger zu erleichtern, sieht die im August 2009 in Kraft getretene Neufassung des SchVG die Möglichkeit der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters aller Gläubiger vor (§ 7 SchVG). Die durch die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters entstehenden Kosten und Aufwendungen, einschließlich einer angemessenen Vergütung des gemeinsamen Vertreters, trägt gem. § 7 Abs. 6, § 8 Abs. 4 SchVG der Schuldner.

Weder das SchVG noch die InsO regeln, wie die Kosten und Aufwendungen eines erst im Insolvenzverfahren bestellten gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren geltend zu machen sind. Ein Anspruch gegen die Insolvenzmasse auf Zahlung, wie er vom Kläger geltend gemacht wird, setzt voraus, dass es sich bei der Kostentragungspflicht des Schuldners um eine Masseverbindlichkeit handelt. Hierzu werden unterschiedliche Meinungen vertreten. Ein Teil des Schrifttums spricht sich für eine Masseverbindlichkeit aus. Nach einer anderen in der Literatur vertretenen Auffassung ist der Anspruch gegen den Schuldner aus § 7 Abs. 6 SchVG keine Masseverbindlichkeit, sondern eine bloße Insolvenzforderung, die teilweise als nachrangig gem. § 39 Abs. 1 Nr. 2 InsO beurteilt wird.

Der Senat entscheidet die Streitfrage im Sinne der zuletzt genannten Auffassung. Der Anspruch eines von den Anleihegläubigern im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Emittenten nach § 19 Abs. 2 SchVG bestellten gemeinsamen Vertreters auf Vergütung für seine Tätigkeit zählt weder zu den Kosten des Insolvenzverfahrens nach § 54 InsO noch stellt er eine sonstige Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 InsO dar, die gem. § 53 InsO aus der Insolvenzmasse vorab zu berichtigen wäre. Auch eine Analogie zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 InsO kommt nicht in Betracht. Es fehlt jedenfalls an den weiteren Voraussetzungen einer Analogie.

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