10.11.2014

Zum vertraglichen Tätigkeitsverbot eines Consultants i.S.v. § 92a Abs. 1 S. 1 Alt. 1 HGB

Der in einem Handelsvertretervertrag enthaltenen Bestimmung "Der Consultant darf während der Vertragszeit nur hauptberuflich für M. tätig sein und die M.-Dienstleistungen und die von M. freigegebenen Finanzprodukte vermitteln" ist ein vertragliches Tätigkeitsverbot i.S.v. § 92a Abs. 1 S. 1 Alt. 1 HGB zu entnehmen. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtung ist ein solcher Handelsvertreter einem Angestellten ähnlich angenähert wie ein Handelsvertreter, dem vertraglich vollständig untersagt ist, für weitere Unternehmer tätig zu werden.

BGH 16.10.2014, VII ZB 16/14
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten im Rahmen eines Provisionsrückzahlungsprozesses vorab über den richtigen Rechtsweg. Im Juni 2009 schlossen die Parteien einen M. Consultant Vertrag. Der Beklagte hatte als Consultant die Aufgabe, die Kunden der Klägerin über die Vermittlung von Dienstleistungen und Finanz- und Vorsorgeprodukten zu beraten. Er war der Geschäftsstelle Z. II zugeordnet.
§ 2 Nr. 1 des Vertrags lautet wie folgt:
"§ 2 Verpflichtungen des Consultants
1. Der Consultant darf während der Vertragszeit nur hauptberuflich für M. tätig sein und die M.-Dienstleistungen und die von M. freigegebenen Finanzprodukte vermitteln. Die Dienstleistungen und Finanzprodukte sind in der Provisionsordnung aufgeführt. Eine Beteiligung gleichgültig welcher Art - an Konkurrenzunternehmen ist ihm untersagt. Ausgenommen hiervon ist die Beteiligung durch den Erwerb börsengängiger Wertpapiere."

Im Januar 2012 kündigte der Beklagte den Consultant-Vertrag zum 1.4.2012. Die Klägerin bestätigte die Kündigung mit Wirkung zum 9.4.2012. Mit ihrer bei dem LG erhobenen Klage begehrt die Klägerin von dem Beklagten die Rückzahlung von Provisionsvorschüssen i.H.v. rd. 16.500 € nebst Zinsen und Kosten. Der Beklagte rügte in der ersten Instanz die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs und machte geltend, im Streitfall sei gem. § 5 Abs. 3 ArbGG die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben.

Das LG trat in ein Vorabverfahren nach § 17a GVG ein und erklärte durch Beschluss den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen diesen Beschluss blieb vor dem OLG ohne Erfolg. Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten hob der BGH den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG nicht verneint werden.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG sind die Arbeitsgerichte ausschließlich zuständig für näher bezeichnete bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Handelsvertreter i.S.d. § 84 Abs. 1 HGB gelten nach § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG nur dann als Arbeitnehmer i.S.d. ArbGG, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92a HGB die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmers festgesetzt werden kann, und wenn sie während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses, bei kürzerer Vertragsdauer während dieser, im Durchschnitt mtl. nicht mehr als 1.000 € auf Grund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provision und Ersatz für im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandene Aufwendungen bezogen haben.

Zu diesem Personenkreis gehören Handelsvertreter, die vertraglich nicht für weitere Unternehmer tätig werden dürfen, und Handelsvertreter, denen dies nach Art und Umfang der verlangten Tätigkeit nicht möglich ist. Als Einfirmenvertreter kraft Vertrags ist ein Handelsvertreter insbes. dann einzustufen, wenn ihm vertraglich untersagt ist, für weitere Unternehmer tätig zu werden. Die Beschränkung des besonderen sozialen Schutzes auf den Einfirmenvertreter kraft Vertrags oder Weisung findet darin ihre Rechtfertigung, dass dieser Vertreter in seiner Stellung am stärksten einem Angestellten angenähert ist. Der Einfirmenvertreter ist an einen bestimmten Unternehmer gebunden, für den er seine Arbeitskraft und -zeit einsetzen muss und von dem er dadurch völlig abhängig ist. Hingegen kann einem Handelsvertreter, der für mehrere Unternehmer tätig werden und die sich daraus ergebenden Chancen ausnutzen kann, kein Mindestschutz zugebilligt werden.

Wird einem Handelsvertreter auferlegt, hauptberuflich für den Unternehmer tätig zu werden, mit dem er den Handelsvertretervertrag geschlossen hat, so ist er nach Sinn und Zweck des § 92a Abs. 1 S. 1 HGB als Einfirmenvertreter kraft Vertrags einzustufen. Ein solcher Handelsvertreter ist zwar nicht völlig von diesem Unternehmer abhängig, weil ihm eine nebenberufliche Tätigkeit gestattet ist. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtung ist ein solcher Handelsvertreter jedoch einem Angestellten ähnlich angenähert wie ein Handelsvertreter, dem vertraglich vollständig untersagt ist, für weitere Unternehmer tätig zu werden. Denn er ist verpflichtet, hauptberuflich für den Unternehmer tätig zu werden, mit dem er den Handelsvertretervertrag geschlossen hat. Er kann die sich aus einer etwaigen nebenberuflichen Tätigkeit ergebenden Chancen nicht in gleicher Weise nutzen wie ein nicht in den Anwendungsbereich des § 92a Abs. 1 S. 1 HGB fallender Mehrfirmenvertreter.

Nach alledem ergibt sich aus § 2 Nr. 1 S. 1 des Consultant-Vertrags ein vertragliches Verbot der Tätigkeit für weitere Unternehmer i.S.d. § 92a Abs. 1 S. 1 Alt. 1 HGB. § 2 Nr. 1 S. 1 des Consultant-Vertrags enthält, sieht man von dem in Parenthese gesetzten Zusatz "hauptberuflich" ab, ein generelles Verbot, für weitere Unternehmer tätig zu werden. Der in Parenthese gesetzte Zusatz hat zwar ersichtlich den Zweck, dieses generelle Verbot in dem Sinne einzuschränken, dass eine nebenberufliche Tätigkeit für andere Unternehmer - außerhalb des Konkurrenzbereichs - gestattet wird. Aufgrund dieses Zusatzes war der Beklagte jedoch ähnlich wie ein hauptberuflich Angestellter - verpflichtet, hauptberuflich für die Klägerin tätig zu werden.

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