21.02.2014

Zum Vorläufigen Rechtsschutz für Aktionäre (Hess AG)

Nach § 917 Abs. 1 ZPO findet der dingliche Arrest statt, wenn ohne seine Verhängung die Gefahr besteht, dass die Vollstreckung eines Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Eine Straftat oder unerlaubte Handlung des Schuldners allein genügt nicht (hier: Sicherung des Schadensersatzanspruchs einer klagenden Aktionärin der Hess AG gegen die früheren Vorstandsmitglieder).

OLG Karlsruhe 19.2.2014, 13 U 108/13
Sachverhalt:
Die Arrestklägerin hatte in drei Tranchen Aktien der Hess AG erworben. So erstand sie im November 2011 eine Tranche für ca. 12,5 Mio. €, im Februar 2012 eine Tranche von ca. 1,5 Mio. € und im Oktober und November 2011 eine Tranche von ca. 3,5 Mio. €, insgesamt also etwa 17,6 Mio. €. Später warf sie den Arrestbeklagten, Vorstand und Finanzvorstand der Hess AG, vor, sie durch vorsätzliche Täuschung zu dem Erwerb der Aktien veranlasst zu haben. Dies sollte insbesondere durch Bilanzmanipulationen auf der Grundlage von Scheingeschäften, die einen höheren Umsatz und Jahresüberschuss vorgetäuscht hatten, geschehen sein.

Das LG hatte ursprünglich einen Arrestbefehl erlassen, diesen aber auf den Widerspruch der Beklagten wieder aufgehoben. Auf die Berufung der Arrestklägerin, die sich nur noch gegen die beiden Vorstände richtete, gab das OLG der Klage teilweise statt. Die Entscheidung ist unanfechtbar.

Gründe:
Die Klägerin hat einen Betrug durch die Beklagten zu ihrem Nachteil glaubhaft gemacht. Die Betrugshandlung lag in der Manipulation des Jahresabschlusses der Hess AG zum 31.12.2011. Diese war auch kausal für die Kaufentscheidungen der zweiten und dritten Tranche. Infolgedessen konnte der Klägerin ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB zugesprochen werden.

Die Beklagten hatten als Vorstände der Hess AG zur Erhöhung der Umsatzerlöse und des Jahresergebnisses 2011 Entwicklungsleistungen zum Schein mittels entsprechender Scheinrechnungen an beherrschte und wirtschaftlich abhängige Unternehmen verkauft. Hierdurch wurden die Umsätze der Hess AG um rund 4,7 Mio. € erhöht. Dies verursachte bei der Klägerin einen entsprechenden Irrtum über die Umsatzzahlen. Ihr Vermögensschaden lag darin, dass sie einen zu hohen Preis für die Beteiligung an der Hess AG zahlte.

Der unrichtige Jahresabschluss wurde u.a. im Prospekt der Hess AG zum Börsengang veröffentlicht, der auch ein maßgebliches Entscheidungskriterium für die Aktienkäufe war. Vor der Kaufentscheidung für die dritte Tranche waren der Klägerin die Umsätze für Oktober und November 2011 sowie die Prognose für die Folgemonate übersandt worden. Hätte die Klägerin gewusst, dass die Umsatzzahlen Ende 2011 sowie die Prognosen auf Bilanzmanipulationen der Beklagten falsch waren, hätte sie die Aktien im Februar 2012 nicht erworben.

Allerdings waren Bilanzmanipulationen nicht kausal für den Erwerb der ersten Tranche der Aktien Anfang November 2011. Schließlich hatte diese Kaufentscheidung zeitlich vor den ersten Bilanzmanipulationen der Beklagten gelegen. Der Klägerin konnte nicht glaubhaft machen, dass ihr insoweit ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten zustehe. Die ersten Scheinrechnungen hatten die Beklagten nämlich erst Ende November 2011 erstellt.

Letztlich war auch das Vorliegen eines Arrestgrundes glaubhaft dargestellt. Nach § 917 Abs. 1 ZPO findet der dingliche Arrest statt, wenn ohne seine Verhängung die Gefahr besteht, dass die Vollstreckung eines Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Eine Straftat oder unerlaubte Handlung des Schuldners allein genügt nicht. Entscheidend ist vielmehr, ob nach den Umständen des Einzelfalls das Verhalten des Schuldners die ernsthafte Befürchtung einer Wiederholung vertragswidriger und betrügerischer Maßnahmen rechtfertigt. Somit konnten hier bereits die glaubhaft gemachten Manipulationen zum Nachteil der Klägerin einen Arrestgrund rechtfertigen. Hinzu kamen noch weitere Indizien und Handlungen, die einen Arrestgrund rechtfertigten. So etwa Belastungen von Grundvermögen, Übertragungen von Gesellschaftsanteilen an Dritte und die Säuberung eines dienstlichen Laptops.

Karlsruhe PM v. 20.2.2014
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