Zum Widerrufsvorbehalt durch die Bundesnetzagentur
BGH 3.3.2015, EnVR 44/13Die Betroffene betreibt ein Elektrizitätsversorgungsnetz. Die Bundesnetzagentur hatte im Oktober 2011 mit Beschluss die Eigenkapitalzinssätze für Neu- und Altanlagen für die Dauer der zweiten Periode der Anreizregulierung festgelegt. Unter Nr. 2 des Beschlusstenors hieß es, die Festlegung stehe unter dem Vorbehalt des Widerrufs.
Mit ihrer Beschwerde begehrte die Betroffene die Aufhebung des Widerrufsvorbehalts. Die Bundesnetzagentur trat der Beschwerde entgegen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht erklärte sie, mit dem Widerrufsvorbehalt solle ausschließlich deklaratorisch die ihr zustehende Abänderungskompetenz nach § 29 Abs. 2 EnWG bestätigt werden.
Das OLG wies die Beschwerde zurück. Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde der Betroffenen hob der BGH sowohl den Beschluss des OLG als auch den Beschluss der Bundesnetzagentur auf.
Gründe:
Das OLG hatte nicht hinreichend beachtet, dass dem Vorbehalt auch dann ein eigenständiger Regelungsgehalt zukommt, wenn die Bundesnetzagentur damit keine weitergehenden Rechte in Anspruch genommen hat, als dies in § 29 Abs. 2 EnWG vorgesehen ist.
Ein Widerrufsvorbehalt, der sich in der Bezugnahme auf eine unmittelbar im Gesetz vorgesehene Widerrufsmöglichkeit erschöpft, kann zwar im Einzelfall als bloßer Hinweis auf die bestehende Gesetzeslage anzusehen sein. Ein Hinweis dieses Inhalts ist weder ein Verwaltungsakt i.S.v. § 35 VwVfG noch eine mit der Beschwerde anfechtbare Entscheidung i.S.v. § 75 Abs. 1 EnWG. Der Widerrufsvorbehalt hat aber einen darüber hinausgehenden eigenständigen Regelungsgehalt, wenn er auf die verbindliche Feststellung gerichtet ist, dass die Ausgangsentscheidung in den Anwendungsbereich einer Vorschrift fällt, nach der der Widerruf einer Entscheidung kraft Gesetzes zulässig ist. Er ist allenfalls dann zulässig, wenn darin die Voraussetzungen, unter denen der Widerruf möglich bleiben soll, hinreichend konkret festgelegt werden.
Dem Umstand, dass sich die Bundesnetzagentur einen Widerruf ausdrücklich "vorbehalten" hatte, konnte entnommen werden, dass sie die Frage, ob eine spätere Änderung der Entscheidung überhaupt in Betracht kommt, jedenfalls für den Fall der Einführung eines gesetzlichen Risikozuschlags vorab verbindlich entscheiden und damit einen späteren Streit über die Anwendbarkeit von § 29 Abs. 2 EnWG ausschließen wollte. Eine Nebenbestimmung dieses Inhalts kann weder auf § 29 Abs. 1 oder 2 EnWG noch auf eine sonstige Ermächtigungsgrundlage gestützt werden. Sie ist vielmehr rechtswidrig, weil sie die Voraussetzungen, unter denen ein Widerruf der getroffenen Festlegung möglich sein soll, nicht hinreichend bestimmt festlegt.
Ein solcher Vorbehalt ist schon deshalb unzulässig, weil er einerseits darauf gerichtet ist, das Bestehen einer im Gesetz abstrakt vorgesehenen Widerrufsmöglichkeit verbindlich festzulegen, zugleich aber nicht erkennen lässt, wie weit diese Bindungswirkung reichen soll. Der von einer solchen Entscheidung Betroffene muss damit rechnen, dass er sich gegenüber einem später ausgesprochenen Widerruf nicht mehr mit inhaltlichen Einwendungen zur Wehr setzen kann, wenn er den Vorbehalt in Bestandskraft erwachsen lässt. Wenn er bereits den Vorbehalt anficht, kann er inhaltliche Einwendungen zur Anwendbarkeit und zur tatbestandlichen Reichweite von § 29 Abs. 2 EnWG allenfalls auf einer abstrakten Ebene geltend machen, weil der Vorbehalt gerade nicht erkennen lässt, für welche konkreten Fallgestaltungen ein Widerruf möglich sein soll. Damit würden die Rechtsschutzmöglichkeiten in nicht mehr zumutbarer Weise eingeschränkt.
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