10.09.2013

Zur Abgrenzung zwischen Verleitung zum Vertragsbruch und Ausnutzen fremden Vertragsbruchs

Wechselt ein Handelsvertreter ohne fristgemäße Kündigung von seinem alten zu einem neuen Geschäftsherrn und kommen der Handelsvertreter und der neue Geschäftsherr überein, dass der neue Geschäftsherr die sonst übliche Mitteilung der Neubeschäftigung an einen Branchenverband unterlässt, damit der alte Geschäftsherr von dem Wechsel zu seinem Mitbewerber zunächst keine Kenntnis erhält, liegt hierin kein Verleiten zum Vertragsbruch durch den neuen Geschäftsherrn. Vielmehr liegt lediglich ein wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstandendes Ausnutzen fremden Vertragsbruchs vor.

OLG Frankfurt a.M. 11.7.2013, 6 U 87/12
Der Sachverhalt:
Die Klägerin vermittelt Finanzdienstleistungen und ist dem Branchenverband B angeschlossen. Die Tätigkeit dieses Vereins, der von der gesamten Versicherungsbranche getragen wird, beruht auf einer Anordnung des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen aus dem Jahre 1994, nach der alle angeschlossenen Unternehmen vor Vertragsschluss mit einem Bewerber für den Außendienst eine Auskunft über den Bewerber einzuholen haben. In den Richtlinien von B heißt es:
"Die Unternehmen sind verpflichtet, vor Vertragsschluss mit einem Bewerber, auch Makler, für die haupt- und nebenberufliche Tätigkeit im Versicherungs- bzw. Bausparkassenaußendienst eine Auskunft bei B einzuholen.
Bei Beginn der Vertragsverhandlungen (spätestens aber vor endgültigem Abschluss des Dienst-/Agenturvertrages bzw. vor der Courtagezusage) muss bei B nachgefragt werden."

Der Beklagte zu 1) war für die Klägerin als Handelsvertreter tätig. Die Beklagte zu 2) ist eine Mitbewerberin der Klägerin, der Beklagte zu 3) ein Mitarbeiter der Beklagten zu 2). Es existiert ein schriftlicher Kooperationsvertrag zwischen der Beklagten zu 2) und dem Beklagten zu 1) vom 1.5.2011, der seitens des Beklagten zu 1) unterzeichnet ist. Danach soll der Beklagte zu 1) als selbständiger Versicherungsmakler für die Beklagte zu 2) tätig werden. In einer Anlage zum Bewerbungsformular wurden beigefügte Unterlagen in einer Auflistung angekreuzt. Die Auflistung enthält den Punkt "B - Erklärung Makler", der nicht angekreuzt wurde. Daneben findet sich der handschriftliche Vermerk: "warten bis A beendet".

Die Klägerin nimmt den Beklagten zu 1) auf Unterlassung von Konkurrenztätigkeit und die Beklagten zu 2) und 3) dahingehend in Anspruch, dass sie es unterlassen, Außendienstmitarbeiter der Klägerin für eine Tätigkeit bei der Beklagten zu 2) abzuwerben und zwar in der Form, dass diesen Außendienstmitarbeitern zugesichert bzw. in Aussicht gestellt wird, dass im Falle einer Tätigkeitsaufnahme für die Beklagte zu 2) während des noch bestehenden Vertragsverhältnisses zur Klägerin eine Mitteilung der Beklagten zu 2) an B nicht erfolgen wird.

Das LG verurteilte den Beklagten zu 1) zur Unterlassung und Auskunftserteilung und stellte seine Schadensersatzpflicht fest. Die gegen die Beklagten zu 2) und 3) gerichtete Klage wies es ab. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hatte vor dem OLG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Unterlassung der Abwerbung von Mitarbeitern in der im Antrag beschriebenen Art und Weise aus §§ 3, 4 Nr. 10, 8 Abs. 1 UWG zu. Das Abwerben fremder Mitarbeiter ist als Teil des freien Wettbewerbs grundsätzlich erlaubt. Es ist nur dann wettbewerbswidrig, wenn unlautere Begleitumstände hinzukommen.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist es unlauter, den Mitarbeiter eines Mitbewerbers zum Vertragsbruch zu verleiten, d.h. gezielt und bewusst auf dessen Vertragsbruch hinzuwirken. Ein aktives Hinwirken liegt nicht in der Zusage gegenüber dem Beklagten zu 1), den Wechsel beim B zunächst nicht anzuzeigen. Die genaueren Umstände der Zusage sind nicht dargetan. Insbes. gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Initiative für diese Zusage von der Beklagten zu 2) oder dem Beklagten zu 3) ausging.

Das bloße Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs, ohne den vertraglich Gebundenen zu dem Vertragsbruch zu verleiten, ist grundsätzlich nicht unlauter, wenn nicht besondere die Unlauterkeit begründende Umstände hinzutreten. Die bloße Kenntnis des Abwerbenden von dem Verstoß des Handelsvertreters gegen sein Wettbewerbsverbot reicht nicht aus. Der Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot entfaltet Wirkungen lediglich im Vertragsverhältnis zwischen dem Handelsvertreter und seinem Vertragspartner, nicht gegenüber dem Konkurrenten, für den der Handelsvertreter (vertragswidrig) tätig wird. Der Unternehmer ist ausreichend dadurch geschützt, dass er seinen vertragsbrüchigen Handelsvertreter auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch nehmen kann.

Die Schwelle zur unlauteren Behinderung ist erst überschritten, wenn das betreffende Verhalten bei objektiver Würdigung der Umstände in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist oder wenn die Behinderung derart ist, dass der beeinträchtigte Mitbewerber seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann. Diese Grundsätze gelten sowohl im Falle eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots, als auch für die Verletzung des Wettbewerbsverbots während eines bestehenden Vertrages.

Es besteht keine lauterkeitsrechtliche Verpflichtung, das Vertragsverhältnis gegenüber dem brancheninternen Verein B anzuzeigen. Die Meldeverpflichtung dient auch nicht dem Zweck, ein unlauteres Ausspannen von Mitarbeitern zu verhindern, sondern dazu, die Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit von Personen überprüfen zu können, die als Vermittler tätig werden wollen. Eine "Verabredung", die Meldung zu unterlassen, um die Entdeckung des Vertragsbruchs nicht offenkundig werden zu lassen, begründet ebenfalls keine Unlauterkeit. Dieses Verhalten geht nicht über eine gewisse Förderung des Beschäftigungswunsches des Vertragsbrüchigen hinaus, die nach der Rechtsprechung des BGH zulässig ist.

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