18.07.2013

Zur Anwendbarkeit des Übereinkommens über die handelsbezogenen Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS)

Das Übereinkommen über die handelsbezogenen Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) fällt in die ausschließliche Zuständigkeit der Union. Ein vor dem Inkrafttreten des Übereinkommens erteiltes Patent für das Verfahren der Herstellung eines pharmazeutischen Erzeugnisses umfasst nicht ab diesem Inkrafttreten die Erfindung des Erzeugnisses als solche.

EuGH 18.7.2013, C-414/11
Der Sachverhalt:
Daiichi Sankyo Co. Ltd erlangte 1986 in Griechenland ein nationales Patent für Levofloxacin-Hemihydrat, eine chemische Zusammensetzung, die als Wirkstoff in Antibiotikabehandlungen, insbes. in einem Originalarzneimittel mit der Bezeichnung "Tavanic" verwendet wurde. Sie gewährte der Sanofi-Aventis GmbH eine Lizenz für den Vertrieb dieses Erzeugnisses in Griechenland aufgrund einer 1999 von den zuständigen griechischen Behörden erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen. Mit der Anmeldung dieses Patents wurde der Schutz für das Erzeugnis (den Wirkstoff) und für dessen Herstellungsverfahren beantragt. Der Schutz durch dieses zum 20.6.2006 auslaufende Patent wurde durch ein ergänzendes Schutzzertifikat (ESZ) um fünf Jahre bis 2011 verlängert.

Der Firma DEMO AE wurden in Griechenland 2008 und 2009 Genehmigungen für das Inverkehrbringen des Generikums "Talerin" erteilt, das ebenfalls Levofloxacin-Hemihydrat als Wirkstoff hat. Daiichi Sankyo und Sanofi-Aventis erhoben daher in Griechenland Klage auf Einstellung des Vertriebs von Talerin oder anderen Arzneimitteln mit dem Wirkstoff Levofloxacin-Hemihydrat. Das griechische Gericht sieht sich mit der Frage konfrontiert, ob das ESZ, über das Daiichi Sankyo von 2006 bis 2011 verfügt habe, also in dem Zeitraum, in dem sich DEMO angeschickt habe, Arzneimittel in den Verkehr zu bringen, die das pharmazeutische Erzeugnis enthielten, die Erfindung dieses pharmazeutischen Erzeugnisses oder nur die Erfindung des Verfahrens zu seiner Herstellung geschützt habe.

Griechenland ratifizierte 1986 das Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente (EPÜ), doch erkannte es erst 1992, nachdem ein zuvor angebrachter Vorbehalt ausgelaufen war, die Patentierbarkeit pharmazeutischer Erzeugnisse an. In diesem Kontext möchte das nationale Gericht wissen, ob ein aufgrund einer Anmeldung der Erfindung sowohl des Verfahrens der Herstellung eines pharmazeutischen Erzeugnisses als auch dieses pharmazeutischen Erzeugnisses als solchen erlangtes Patent, das jedoch nur für das Herstellungsverfahren erteilt wurde, wegen des TRIPS-Übereinkommens ab dessen Inkrafttreten gleichwohl die Erfindung dieses pharmazeutischen Erzeugnisses umfasst. Ferner möchte es wissen, inwieweit das TRIPS-Übereinkommen, das von der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten aufgrund einer geteilten Zuständigkeit geschlossen wurde, noch der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten unterliegt.

Die Gründe:
1. Das TRIPS-Übereinkommen gehört zur gemeinsamen Handelspolitik und fällt in die ausschließliche Zuständigkeit der Union.

Die gemeinsame Handelspolitik - die zum auswärtigen Handeln der Union gehört und den Handelsverkehr mit Drittländern betrifft - umfasst seit dem Vertrag von Lissabon auch die Handelsaspekte des geistigen Eigentums. Ist mit einem Rechtsakt bezweckt, den Handelsverkehr zu fördern, zu erleichtern oder zu regeln, ist er Teil der gemeinsamen Handelspolitik. Die Bestimmungen des Übereinkommens weisen einen spezifischen Bezug zum internationalen Handelsverkehr auf. Das Übereinkommen selbst ist Teil der Liberalisierung des internationalen Handelsverkehrs und soll den Schutz des geistigen Eigentums weltweit verstärken und harmonisieren und Verzerrungen des internationalen Handels im Hoheitsgebiet der WTO-Mitglieder verringern.

2. Die WTO-Mitglieder sind durch das TRIPS-Übereinkommen zwar dazu verpflichtet, die Patentierbarkeit pharmazeutischer Erzeugnisse vorzusehen, doch nicht dazu, die nur für die Verfahren der Herstellung solcher Erzeugnisse erteilten Patente ab dem Inkrafttreten dieses Übereinkommens so aufzufassen, dass sie die Erfindungen dieser Erzeugnisse als solche schützen.

Bereits nach dem Wortlaut des TRIPS-Übereinkommens sind alle Erfindungen sowohl für Erzeugnisse als auch für Verfahren, die neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind, patentierbar, sofern sie nur auf einem Gebiet der Technik erfolgen. Die Pharmakologie gehört zu diesem Gebiet, und daher ist die Erfindung eines pharmazeutischen Erzeugnisses patentierbar. I.Ü. unterlag nach der Unionsverordnung der durch das ESZ gewährte Schutz den gleichen Grenzen wie der durch das Grundpatent gewährte.

Der nach dem EPÜ zulässige Vorbehalt, wonach von 1986 bis 1992 Arzneimittel in Griechenland nicht patentierbar waren, galt entsprechend für die nationalen Patente wie das von Daiichi Sankyo. Ebenso galt die Bestimmung, wonach der Vorbehalt während der gesamten Geltungsdauer der Patente wirksam bleibt6, entsprechend für die nationalen Patente. Infolgedessen erfassten das nationale Patent von Daiichi Sankyo und ihr ESZ nicht die Erfindung des pharmazeutischen Erzeugnisses, und zwar trotz der Patentierbarkeit pharmazeutischer Erzeugnisse in Griechenland ab 1992.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 95 vom 18.7.2013
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