Zur Anwendung der Vorschriften des Regelinsolvenzverfahrens bei wirtschaftlich selbständiger Nebentätigkeit des Schuldners
BGH 24.3.2011, IX ZB 80/11Die bei einer Vermögensverwaltungsgesellschaft mit einem mtl. Bruttoeinkommen von 1.360 € vollzeitbeschäftigte Schuldnerin beantragte zunächst das Verbraucherinsolvenzverfahren nebst Restschuldbefreiung. Im Januar 2008 meldete sie ein Gewerbe für Schreibarbeiten an, mit dem sie 2009 einen Umsatz von 840 € erzielte. Im März 2008 nahm ihr Verfahrensbevollmächtigter den Insolvenzantrag mit der Begründung zurück, dass es nicht gelungen sei, den ursprünglich vom hiesigen Versagungsantragsteller (fortan: auch Gläubiger) in Aussicht gestellten Verzicht auf die Qualifikation seiner Forderung als unerlaubte Handlung umzusetzen.
Aufgrund eines im November 2009 gestellten Insolvenzantrags mit Antrag auf Restschuldbefreiung, mit dem sie zugleich einen Insolvenzplan vorlegte, eröffnete das Insolvenzgericht im Februar 2010 das Regelinsolvenzverfahren. Der Plan sieht vor, dass die Schuldnerin gegen Zahlung eines Betrages von 20.000 € von dritter Seite, der nach Abzug der Kosten des Verfahrens an die Gläubiger verteilt werden soll, die Restschuldbefreiung erlangt. Im Abstimmungstermin im November 2010 nahm die Mehrheit der Gläubiger gegen den Widerstand des Versagungsantragstellers den Plan an.
Das AG versagte auf Antrag des Gläubigers die Bestätigung des Insolvenzplans. Das LG erteilte die Planbestätigung, weil der Gläubiger eine wirtschaftliche Schlechterstellung durch den Plan nicht glaubhaft gemacht habe. Mit seiner Rechtsbeschwerde, für deren Durchführung er Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt, möchte der Gläubiger die Aufhebung der Entscheidung des LG und Versagung der Planbestätigung erreichen. Der BGH lehnte den Antrag auf Gewährung von PKH ab.
Die Gründe:
Die Rechtsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 4 InsO, § 114 ZPO).
Dem Beschwerdeführer ist zuzugeben, dass vorliegend erhebliche Bedenken gegen die Eröffnung eines Regelinsolvenzverfahrens bestehen. Zwar entspricht es nahezu einhellig vertretener Auffassung, dass ein Schuldner auch dann unter die Vorschriften des Regelinsolvenzverfahrens fällt, wenn er neben einer abhängigen Beschäftigung einer selbständigen Nebentätigkeit nachgeht. Einschränkend ist aber nach zutreffender Auffassung eine wirtschaftlich selbständige Tätigkeit, welche die Anwendung des Regelinsolvenzverfahrens rechtfertigt, erst dann gegeben, wenn die Nebentätigkeit einen nennenswerten Umfang erreicht und sich organisatorisch verfestigt hat.
Erreichen die Einkünfte aus der Tätigkeit nicht einmal die Bagatellgrenze des § 3 Nr. 26 EStG (derzeit 2.100 €), spricht vieles für das Fehlen einer verfestigten organisatorischen Einheit. Die Schuldnerin hat 2009 mit ihrer selbständigen Tätigkeit nur einen Umsatz von 840 € erzielt. Die Schwelle zur Erheblichkeit der Tätigkeit war folglich bei weitem nicht überschritten. Der damit möglicherweise vorliegende Verstoß gegen die Zuordnung der Schuldnerin zum Regelinsolvenzverfahren kann aber nicht zur Versagung der Planbestätigung führen.
Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass die Rechtskraft des Beschlusses über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens für sämtliche Beteiligten bindende Wirkung hat und auch dann hinzunehmen ist, wenn er verfahrensfehlerhaft ergangen ist, sofern nicht ausnahmsweise ein Mangel vorliegt, der zur Nichtigkeit des Eröffnungsbeschlusses führt. Hier ist ein Mangel, der zur Nichtigkeit des Eröffnungsbeschlusses führen könnte, nicht ersichtlich. Die Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens ist ungeachtet der Bedenken am Vorliegen einer wirtschaftlich selbständigen Tätigkeit der Schuldnerin wirksam. Damit konnte diese einen Insolvenzplan vorlegen, für den die §§ 217 ff InsO gelten.
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