Zur Aufrechung zwischen rückständigen Gehaltsansprüchen des Geschäftsführers und dem gegen ihn bestehenden Anspruch aus § 64 S. 1 GmbHG
BGH 19.11.2013, II ZR 18/12Der Kläger ist Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der C-GmbH (Schuldnerin), das auf den Antrag vom 1.11.2007 am 10.12.2007 eröffnet wurde. Er nimmt den Beklagten, der bis zum 30.10.2007 Geschäftsführer der Schuldnerin war, auf Erstattung von Zahlungen der Schuldnerin im Zeitraum vom 1. bis 16.10.2007 i.H.v. rd. 13.700 € mit der Begründung in Anspruch, die Schuldnerin sei zum 30.9.2007 zahlungsunfähig und überschuldet gewesen. Der Beklagte behauptet demgegenüber, die Schuldnerin sei nicht zahlungsunfähig gewesen und er habe zudem hinsichtlich der Zahlungen nicht schuldhaft gehandelt.
Das LG gab der Klage statt. In der Berufungsinstanz wendete sich der Beklagte zunächst mit der Begründung gegen die erstinstanzliche Entscheidung, dem Kläger stehe entgegen der Ansicht des LG kein Anspruch aus § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG a.F. zu. Im Laufe des Berufungsverfahrens rechnete er gegen die Klageforderung mit einem Teil seiner rückständigen Gehaltsforderungen (Januar bis März 2007 i.H.v. rd. 11.500 €, April 2007 i.H.v. rd. 2.200 €) auf, die durch Urteil des LG Berlin vom 5.5.2011 (5 O 190/10) rechtskräftig als Insolvenzforderung gegenüber dem Kläger in einer Gesamthöhe von rd. 30.700 € für die Zeit von Dezember 2006 bis Juli 2007 festgestellt wurden.
In der mündlichen Verhandlung vor dem KG nahm der Kläger die Klage in Höhe der Nebenforderung (vorgerichtliche Anwaltskosten) mit Zustimmung des Beklagten zurück. Der Beklagte erklärte, sich nur noch mit der erklärten Aufrechnung gegen die Klage verteidigen zu wollen. Das KG wies die Klage im Hinblick auf die erklärte Aufrechnung ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG mit der Maßgabe zurück, dass die Verurteilung zur Zahlung von 756 € nebst Zinsen wirkungslos ist.
Die Gründe:
Die vom Beklagten erklärte Aufrechnung ist schon gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO insolvenzrechtlich unwirksam.
Zwischen den (aus Januar bis April 2007) rückständigen Gehaltsansprüchen des Beklagten und dem Anspruch des Klägers aus § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG a.F. bestand vor Insolvenzeröffnung eine Aufrechnungslage. Zutreffend hat das KG vorliegend die für eine Aufrechnungslage notwendigen Tatbestendsmerkmale der Gegenseitigkeit, Gleichartigkeit, Durchsetzbarkeit der Aktivforderung (hier: der Gehaltsansprüche) und der Erfüllbarkeit der Passivforderung aus § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG a.F. als gegeben angesehen.
Das KG hat jedoch verkannt, dass die nach seinen Feststellungen vor Insolvenzeröffnung bestehende Aufrechnungslage (§ 387 BGB) zwischen den rückständigen Gehaltsforderungen des Beklagten und dem Anspruch der Schuldnerin aus § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG a.F. nicht nach § 94 InsO geschützt ist, weil zu Lasten des Beklagten das Aufrechnungsverbot aus § 96 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO eingreift. Nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist die Aufrechnung insolvenzrechtlich unwirksam, wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat.
Vorliegend hat der Beklagte die Aufrechnungslage durch die (verbotenen) Zahlungen in der Krise der Schuldnerin herbeigeführt. Unter einer Rechtshandlung i.S.d. §§ 129 ff. InsO ist jedes von einem Willen getragene Handeln zu verstehen, das eine rechtliche Wirkung auslöst und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann. Darauf, ob die rechtliche Wirkung auf dem Willen des Handelnden beruht oder - wie hier - kraft Gesetzes eintritt, kommt es nicht an.
Die (verbotenen) Zahlungen hatten eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger zur Folge, weil sie zu einem Anspruch der Schuldnerin gegen den Beklagten und damit zu der Möglichkeit der Aufrechnung führten, welche den Erstattungsanspruch aus § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG a.F. der Gesamtheit der Gläubiger entzog, während der Beklagte ohne die Aufrechnung nur eine Insolvenzforderung hätte geltend machen können. Die Herstellung der Aufrechnungslage durch den Beklagten führte zu einer inkongruenten Deckung (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Der Beklagte hatte gegen die Schuldnerin keinen Anspruch auf eine Begründung gegenseitiger Forderungen.
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