Zur Aufteilung einer unionsrechtlichen Kartellgeldbuße unter Gesamtschuldnern
BGH 18.11.2014, KZR 15/12Die Klägerin war alleinige Gesellschafterin der Beklagten zu 2), die im August 2004 sämtliche Anteile an der Beklagten zu 1) erwarb. Zu diesem Zeitpunkt nahmen Beschäftigte der Beklagten zu 1) bereits seit einigen Monaten an Kartellabsprachen zum Vertrieb von Calciumcarbid teil, die sie ab Juli 2005 auf den Vertrieb von Magnesiumgranulat ausweiteten. Ab November 2006 veräußerte die Klägerin ihre Anteile an der Beklagten zu 2), bis sie zum 22.7.2007 vollständig ausschied.
Mit Entscheidung vom 22.7.2009 verhängte die EU-Kommission gegen die Klägerin und die Beklagten als Gesamtschuldner eine Geldbuße i.H.v. 13,3 Mio. € wegen Zuwiderhandlung gegen das europäische Kartellrecht im Zeitraum vom 22.4.2004 (Beklagte zu 1) bzw. 30.8.2004 (Beklagte zu 2) und Klägerin) bis zum 16.1.2007. Die Klägerin und die Beklagten fochten die Verhängung der Geldbuße vor dem EuG an, welches - erst nach der Entscheidung des OLG - mit Urteilen vom 23.1.2014 (T-395/09 und T-384/09) die Geldbuße der Klägerin auf 12,3 Mio. € reduziert und die Nichtigkeitsklagen der Parteien i.Ü. abgewiesen hat. Nur die Beklagten legten dagegen Rechtsmittel zum EuGH (C-154/14 P) ein.
Die Klägerin zahlte auf die Geldbuße und angefallene Zinsen etwa 6,8 Mio. €. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt sie von den Beklagten als Gesamtschuldnern die Erstattung dieses Betrags. Sie ist der Ansicht, dass die Geldbußen im Innenverhältnis von den Beklagten zu tragen seien, da sie, die Klägerin, sich nicht selbst an dem Kartell beteiligt habe.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Das OLG ging davon aus, die Klägerin habe als Obergesellschaft die Geldbuße im Innenverhältnis allein zu tragen, weil ihr mögliche wirtschaftliche Erfolge aus dem kartellrechtswidrigen Verhalten - durch Gewinnausschüttungen oder Wertsteigerung der von ihr gehaltenen Geschäftsanteile - zugeflossen seien. Ob das Kartell tatsächlich eine Rendite bewirkt habe, sei unerheblich. Auf Verursachungs- oder Verschuldensbeiträge komme es nicht an. Schadensersatzansprüche der Klägerin bestünden nicht.
Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Im Anschluss an die während des Revisionsverfahrens ergangene Rechtsprechung des EuGH obliegt die Entscheidung über den Ausgleich im Innenverhältnis grundsätzlich den nationalen Gerichten nach Maßgabe des einzelstaatlichen Rechts. Im vorliegenden Fall führt dies zur Anwendbarkeit des deutschen Rechts und damit des § 426 BGB.
Auf dieser Grundlage sind die vom OLG angestellte Erwägung, die Klägerin müsse die Geldbuße als Obergesellschaft und wirtschaftliche Nutznießerin alleine tragen, als nicht tragfähig einzustufen. Entsprechend der Grundregel des § 426 BGB sind vielmehr alle für die Beurteilung des Falles maßgeblichen Umstände zu berücksichtigen. Ausgleichsansprüche einer Obergesellschaft gegen abhängige Gesellschaften können zwar im Einzelfall ausgeschlossen sein, wenn ein Gewinnabführungsvertrag besteht. Das Bestehen einer solchen Vereinbarung hat das OLG vorliegend jedoch nicht festgestellt.
Nach der Zurückverweisung wird das OLG nun die für den Streitfall relevanten Umstände festzustellen haben. Dazu gehören insbesondere die den Beteiligten anzulastenden Verursachungs- und Verschuldensbeiträge sowie die ihnen aufgrund des Kartellverstoßes zugeflossenen Mehrerlöse oder sonstigen Vorteile.
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