05.01.2015

Zur Auseinandersetzung eines Gerichts mit einer von seiner Auffassung abweichenden Entscheidung des Europäischen Patentamts

Ein Gericht kann dem Erfordernis, sich mit einer von seiner Auffassung abweichenden Entscheidung des Europäischen Patentamts oder eines Gerichts eines anderen Mitgliedstaates des Europäischen Patentübereinkommens auseinanderzusetzen, im Einzelfall auch dadurch genügen, dass es bei der Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die Erwägungen eingeht, auf denen die abweichende Beurteilung beruht.

BGH 2.12.2014, X ZB 1/13
Der Sachverhalt:
Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des deutschen Gebrauchsmusters 20 2007 012 877 (Streitgebrauchsmusters), das eine Einrichtung zur Sitzplatznummerierung der einzelnen Sitze von in Hallen, Sälen oder dergleichen aufgestellten Sitzreihen betrifft. Es wurde im Juli 2007 im Wege der Abzweigung aus einer europäischen Patentanmeldung angemeldet, auf die das europäische Patent 2 040 581 erteilt worden ist. Einen gegen seine Erteilung gerichteten Einspruch wies die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts bestandskräftig zurück.

Die aus dem Streitgebrauchsmuster in Anspruch genommene Antragstellerin machte im vorliegenden Löschungsverfahren u.a. geltend, der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters sei nicht schutzfähig. Die Antragsgegnerin verteidigte das Schutzrecht in der erteilten Fassung und hilfsweise in mehreren beschränkten Fassungen.

Das Patentamt löschte das Streitgebrauchsmuster. Das BPatG wies die dagegen gerichtete Beschwerde zurück. Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die deutschen Gerichte haben nach der Rechtsprechung des BGH Entscheidungen, die die Instanzen des Europäischen Patentamts oder Gerichte anderer Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens getroffen haben und die eine im Wesentlichen gleiche Fragestellung betreffen, zu beachten und sich ggf. mit den Gründen auseinanderzusetzen, die bei der vorangegangenen Entscheidung zu einem abweichenden Ergebnis geführt haben. Dies gilt gerade auch für die Frage, ob der Stand der Technik den Gegenstand eines Schutzrechts nahegelegt hat. Unterlässt ein Gericht die hiernach gebotene Auseinandersetzung mit der Entscheidung eines anderen Gerichts, kann darin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegen. Das ist jedoch vorliegend nicht der Fall.

Das BPatG hat die vorläufige Stellungnahme und die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs ersichtlich zur Kenntnis genommen und ausweislich der Beschlussgründe in einem dem Anspruch der Antragsgegnerin auf Wahrung ihres rechtlichen Gehörs genügenden Umfang gedanklich verarbeitet. Wie eingehend die schriftlichen Gründe das Ergebnis der gebotenen Auseinandersetzung mit einer anderen Entscheidung, welche die im Wesentlichen gleiche Fragestellung zum Gegenstand hat, widerspiegeln müssen, lässt sich nicht verallgemeinern, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Vorliegend hat die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts im Zusammenhang mit der Frage, ob der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters auf einem erfinderischen Schritt beruht, zwei technische Gesichtspunkte anders beurteilt als das BPatG. Da die Einspruchsabteilung ihre den ersten Aspekt betreffende Auffassung nicht weiter konkretisiert hat, konnte es das BPatG ohne Verstoß gegen die Pflicht zur Auseinandersetzung mit dieser abweichenden Beurteilung bei den im angefochtenen Beschluss niedergelegten Erwägungen bewenden lassen. Hinsichtlich des zweiten Gesichtspunktes hat sich das BPatG bei seiner Würdigung mit der abweichenden Sicht der Einspruchsabteilung befasst und seine Abweichung davon begründet.

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