Zur Auslegung eines Patentanspruchs (Anhängerkupplung II)
BGH v. 2.2.2021 - X ZR 170/18
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Klageerhebung eingetragene Inhaberin des im Januar 2005 mit Wirkung für Deutschland angemeldeten europäischen Patents 1 557 299, das eine Anhängekupplung betrifft. Das Klagepatent betrifft das technische Problem, eine Anhängekupplung zur Verfügung zu stellen, die in einfacher Weise bei unterschiedlichsten Raumverhältnissen einsetzbar ist und schlägt zur Lösung des Problems verschiedene Maßnahmen vor.
Die Beklagte vertreibt in Deutschland Anhängekupplungen mit einem Gelenk, das einen Verschwenkvorgang ermöglicht. Hierzu ist das am Fahrzeug befestigte Ende der Kupplung mit Nuten und Verzahnungen versehen, die in der nachfolgend wiedergegebenen Zeichnung schematisch dargestellt sind. Nach Auffassung der Klägerin machen diese Anhängekupplungen von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.
Das LG hat die Beklagte antragsgemäß zu Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung verurteilt und festgestellt, dass sie der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet ist. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der BGH das Urteil des OLG aufgehoben und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Gründe:
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts setzt eine dreiachsige Verschwenkbarkeit nicht voraus, dass das Gelenk drei Freiheitsgrade aufweist. Vielmehr genügt es, dass das Anhängeelement um drei Achsen verschwenkt werden kann.
Die Auslegung eines Patentanspruchs ist auch dann geboten, wenn dessen Wortlaut nach dem allgemeinen Sprachgebrauch oder Fachverständnis eindeutig zu sein scheint. Ziel der Auslegung ist nicht ein bloß philologisches Verständnis. Zu ermitteln ist vielmehr der technische Sinngehalt des Patentanspruchs. Bei der Auslegung eines Merkmals, das im Patent eigenständig definiert wird, ist nicht allein auf generelle Zielsetzungen in der Beschreibung abzustellen. Vielmehr sind auch die konkreten Funktionen zu berücksichtigen, die diesem Merkmal bei den Ausführungsbeispielen zukommen.
Im Streitfall würde ein Gelenk mit drei Freiheitsgraden eine noch weitergehende Flexibilität ermöglichen. Dem Umstand, dass die Beschreibung des Streitpatents auch ein Ausführungsbeispiel, bei dem dieses Optimum nicht erreicht wird, als erfindungsgemäß schildert, und dass der Patentanspruch ein darüber hinausgehendes Maß an Flexibilität nicht vorsieht, ist jedoch zu entnehmen, dass es ausreicht, wenn das Anhängeelement bezogen auf den Raum um drei Achsen verschwenkbar ist. Schließlich enthält der Begriff einer dreiachsigen Verschwenkbarkeit auch keine Vorgabe, das Gelenk mit oder ohne eine Bahnführung zu realisieren.
Entgegen der Auffassung der Berufungserwiderung ist auch für die Auslegung des Begriffs "Kugelgelenk" nicht der allgemeine technische Sprachgebrauch ausschlaggebend, wie er etwa in der VDI-Richtlinie 2156 zum Ausdruck kommt. Vielmehr ist auch insoweit die Funktion maßgeblich, die das Streitpatent dem so bezeichneten Gelenk beimisst. Vor diesem Hintergrund führt der Umstand, dass ein Gelenk mit einer allseits schwenkbar gelagerten Gelenkkugel als vorzugswürdig bezeichnet wird, nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
BGH-online
Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Klageerhebung eingetragene Inhaberin des im Januar 2005 mit Wirkung für Deutschland angemeldeten europäischen Patents 1 557 299, das eine Anhängekupplung betrifft. Das Klagepatent betrifft das technische Problem, eine Anhängekupplung zur Verfügung zu stellen, die in einfacher Weise bei unterschiedlichsten Raumverhältnissen einsetzbar ist und schlägt zur Lösung des Problems verschiedene Maßnahmen vor.
Die Beklagte vertreibt in Deutschland Anhängekupplungen mit einem Gelenk, das einen Verschwenkvorgang ermöglicht. Hierzu ist das am Fahrzeug befestigte Ende der Kupplung mit Nuten und Verzahnungen versehen, die in der nachfolgend wiedergegebenen Zeichnung schematisch dargestellt sind. Nach Auffassung der Klägerin machen diese Anhängekupplungen von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.
Das LG hat die Beklagte antragsgemäß zu Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung verurteilt und festgestellt, dass sie der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet ist. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der BGH das Urteil des OLG aufgehoben und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Gründe:
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts setzt eine dreiachsige Verschwenkbarkeit nicht voraus, dass das Gelenk drei Freiheitsgrade aufweist. Vielmehr genügt es, dass das Anhängeelement um drei Achsen verschwenkt werden kann.
Die Auslegung eines Patentanspruchs ist auch dann geboten, wenn dessen Wortlaut nach dem allgemeinen Sprachgebrauch oder Fachverständnis eindeutig zu sein scheint. Ziel der Auslegung ist nicht ein bloß philologisches Verständnis. Zu ermitteln ist vielmehr der technische Sinngehalt des Patentanspruchs. Bei der Auslegung eines Merkmals, das im Patent eigenständig definiert wird, ist nicht allein auf generelle Zielsetzungen in der Beschreibung abzustellen. Vielmehr sind auch die konkreten Funktionen zu berücksichtigen, die diesem Merkmal bei den Ausführungsbeispielen zukommen.
Im Streitfall würde ein Gelenk mit drei Freiheitsgraden eine noch weitergehende Flexibilität ermöglichen. Dem Umstand, dass die Beschreibung des Streitpatents auch ein Ausführungsbeispiel, bei dem dieses Optimum nicht erreicht wird, als erfindungsgemäß schildert, und dass der Patentanspruch ein darüber hinausgehendes Maß an Flexibilität nicht vorsieht, ist jedoch zu entnehmen, dass es ausreicht, wenn das Anhängeelement bezogen auf den Raum um drei Achsen verschwenkbar ist. Schließlich enthält der Begriff einer dreiachsigen Verschwenkbarkeit auch keine Vorgabe, das Gelenk mit oder ohne eine Bahnführung zu realisieren.
Entgegen der Auffassung der Berufungserwiderung ist auch für die Auslegung des Begriffs "Kugelgelenk" nicht der allgemeine technische Sprachgebrauch ausschlaggebend, wie er etwa in der VDI-Richtlinie 2156 zum Ausdruck kommt. Vielmehr ist auch insoweit die Funktion maßgeblich, die das Streitpatent dem so bezeichneten Gelenk beimisst. Vor diesem Hintergrund führt der Umstand, dass ein Gelenk mit einer allseits schwenkbar gelagerten Gelenkkugel als vorzugswürdig bezeichnet wird, nicht zu einer abweichenden Beurteilung.