18.07.2011

Zur Auslösung der Rückschlagsperre durch einen zunächst unzulässigen Eröffnungsantrag

Die Rückschlagsperre kann auch durch einen zunächst aus verfahrensrechtlichen Gründen unzulässigen Eröffnungsantrag ausgelöst werden. Dies gilt jedenfalls dann, sofern dieser Antrag zur Verfahrenseröffnung führt.

BGH 19.5.2011, IX ZB 284/09
Der Sachverhalt:
Mit Beschluss vom 19.5.2009 pfändete das AG auf Antrag des Gläubigers M die Ansprüche des G (fortan: Schuldner) aus einer Lebensversicherung bei der R-AG und überwies sie dem Gläubiger zur Einziehung. Der Beschluss wurde der Drittschuldnerin am 12.6.2009 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 9.7.2009, beim Insolvenzgericht eingegangen am 13.7.2009, beantragte der Schuldner die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen.

Er führte aus, das nach § 305 InsO vorgeschriebene außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren werde nunmehr durchgeführt, und bat darum, das Eröffnungsverfahren einstweilen auszusetzen. Hintergrund des Eröffnungsantrags sei, dass die Pfändung der Lebensversicherung der Rückschlagsperre des § 88 InsO unterfallen solle. Am 15.9.2009 wurde das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und Rechtsanwältin R zur Treuhänderin bestellt.

Auf deren Antrag hob der AG seinen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss "klarstellend" auf. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Gläubigers hatte vor dem LG ebenso wenig Erfolg, wie seine Rechtsbeschwerde vor dem BGH.

Die Gründe:
Die vom Gläubiger mit Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner am 12.6.2009 erlangte Sicherung wurde mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 15.9.2009 nach §§ 88, 312 Abs. 1 S. 3 InsO unwirksam.

Die in § 88 InsO normierte sog. Rückschlagsperre erfasst Sicherungen, die ein Insolvenzgläubiger im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Zwangsvollstreckung an dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen des Schuldners erlangt hat. Handelt es sich wie hier um ein Verbraucherinsolvenzverfahren, das auf einen Antrag des Schuldners eröffnet wird, beträgt die in § 88 InsO genannte Frist drei Monate (§ 312 Abs. 1 S. 3 InsO). In diese Frist fällt das am 12.6.2009 vom Gläubiger erlangte Pfandrecht, denn der Eröffnungsantrag des Schuldners ging am 13.7.2009 bei Gericht ein.

Der Umstand, dass der Schuldner den Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens gestellt hat, ohne zuvor das nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO vorgeschriebene außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren durchzuführen, ändert an dieser Beurteilung nichts. Für die Berechnung der in § 88 InsO genannten Frist und folglich auch für die nach § 312 Abs. 1 S. 3 InsO verlängerte Frist gilt § 139 InsO. Nach dessen Absatz 2 ist bei mehreren Eröffnungsanträgen der erste zulässige und begründete Eröffnungsantrag maßgeblich, auch wenn das Verfahren aufgrund eines späteren Antrags eröffnet worden ist. Die Zulässigkeit eines als Anknüpfungspunkt für die Rückschlagsperre in Betracht kommenden Eröffnungsantrags ist danach nur dann gesondert zu prüfen, wenn das Insolvenzverfahren aufgrund eines anderen Antrags eröffnet wird.

Soll die Rückschlagsperre hingegen an den Antrag geknüpft werden, welcher zur Eröffnung des Verfahrens geführt hat, erübrigt sich eine solche Prüfung, weil das Verfahren nur auf einen zulässigen Antrag eröffnet werden darf. Die Rückschlagsperre wird daher durch jeden Antrag ausgelöst, der letztlich zur Verfahrenseröffnung geführt hat, auch wenn er zunächst mangelhaft war, weil er den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprochen hat. Ob dies auch gilt, wenn der Eröffnungsgrund erst zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

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