Zur Begleichung der gegen einen zur Aufrechung berechtigten Dritten gerichteten Forderung des Anfechtungsgegners durch den Schuldner
BGH 18.4.2013, IX ZR 90/10Der Kläger ist Verwalter in dem auf eigenen Antrag vom 29.9.2005 im Dezember 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Kaufhaus F. R. GmbH & Co. KG (Schuldnerin). Die Schuldnerin überwies am 29.9.2005 aus einem Kontoguthaben 45.000 € an das Finanzamt O zur Tilgung von Steuerschulden der MR-GmbH, mit der sie gesellschaftsrechtlich verflochten war. Am selben Tag stellte die GmbH ihren Geschäftsbetrieb ein. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die GmbH zahlungsunfähig war.
Das Finanzamt erstattete ihr der GmbH im Oktober 2005 aus korrigierten Umsatzsteuervoranmeldungen rd. 1.500 €, im Februar 2006 aus Körperschaft- und Umsatzsteuererklärungen für das Jahr 2004 rd. 43.000 € und im August 2006 aus Körperschaft- und Umsatzsteuererklärungen für das Jahr 2005 rd. 21.000 €. Der Kläger nimmt das beklagte Land unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Schenkungsanfechtung auf Rückgewähr der Zahlung von 45.000 € nebst Zinsen in Anspruch.
Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr statt. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Die vorliegenden Steuererstattungen können für die Beurteilung des Streitfalles von Bedeutung sein. Die Insolvenzreife des Forderungsschuldners wird regelmäßig dazu führen, dass die Forderung des Zahlungsempfängers als wertlos und die Tilgung dieser Forderung durch einen Dritten deshalb als un-entgeltliche Leistung zu bewerten ist. Es können aber auch ausnahmsweise Umstände gegeben sein, die es rechtfertigen, die getilgte Forderung trotz Zahlungsunfähigkeit des Forderungsschuldners als werthaltig zu beurteilen. Solche Umstände können etwa vorliegen, wenn der Zahlungsempfänger die Möglichkeit hat, durch Pfändung auf einen werthaltigen Rückgriffsanspruch des Forderungsschuldners gegen den Insolvenzschuldner zuzugreifen. In entsprechender Weise kann die getilgte Forderung werthaltig sein, wenn sich der Zahlungsempfänger durch Aufrechnung gegen eine Forderung seines Schuldners Befriedigung verschaffen und auf diese Weise seine Forderung trotz Insolvenzreife seines Schuldners durchsetzen kann. So kann es sich im Streitfall verhalten.
Bei der Beurteilung der Werthaltigkeit der getilgten Forderung ist allerdings auf den Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs, also der angefochtenen Zahlung, abzustellen (§ 140 Abs. 1 InsO). Vorangegangene Leistungen des Zuwendungsempfängers bleiben deshalb ebenso außer Betracht wie etwa Vorteile, die erst in einem möglicherweise später eröffneten Insolvenzverfahren eintreten. Die den Wert der Forderung bestimmende Durchsetzbarkeit muss gleichwohl nicht bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Begleichung in jeder Hinsicht gegeben sein. Es kann vielmehr genügen, dass die gegebenen Umstände die künftige Möglichkeit einer Befriedigung durch Aufrechnung sicher erwarten lassen. Solche Umstände verleihen - anders als ungewisse Hoffnungen - der Forderung schon vorab einen entsprechenden Wert.
Im Streitfall ist bisher nicht festgestellt, aufgrund welcher Umstände die Körperschaft- und Umsatzsteuererklärungen der GmbH für die Jahre 2004 und 2005 im Jahr 2006 zu beträchtlichen Steuererstattungen geführt haben. Nahe liegt, dass betreffend die Körperschaftsteuer geringere Gewinne erzielt wurden als in den Vorauszahlungsbescheiden angenommen (§ 31 Abs. 1 S. 1 KStG, § 37 EStG) und betreffend die Umsatzsteuer geringere Umsätze oder höhere Vorsteuerabzüge anfielen als vorangemeldet (§ 18 UStG), und dass deshalb die Steuervorauszahlungen die festgesetzten Steuern überstiegen. In diesem Fall war das Entstehen der Aufrechnungslage im Kern schon angelegt, als die angefochtene Zahlung der Insolvenzschuldnerin erfolgte.
Auf die steuerrechtliche Entstehung (§ 38 AO) oder gar Festsetzung des Erstattungsanspruchs kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Ansprüche auf Erstattung von Steuervorauszahlungen entstehen allerdings bereits im Zeitpunkt der Entrichtung der Vorauszahlung unter der aufschiebenden Bedingung, dass am Ende des Besteuerungszeitraums die geschuldete Steuer geringer ist als die Vorauszahlung. Unter diesen Umständen wäre eine Aufrechnung selbst dann in Betracht gekommen, wenn über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden wäre, bevor die Erstattungsansprüche der GmbH erfüllbar waren.
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