Zur Beurkundung der Hauptversammlung einer nichtbörsennotierten AG
BGH 19.5.2015, II ZR 176/14Die Hauptversammlung der beklagten nichtbörsennotierten AG hatte am 29.8.2008 einstimmig Beschlüsse über die Verwendung des Bilanzgewinns 2007 (TOP 3), über die Änderung der Satzung (TOP 4), über die Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr 2007 (TOP 5), über die Entlastung des Aufsichtsrats (TOP 6), über die Wahl des Abschlussprüfers (TOP 7) und über eine Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien (TOP 8) beschlossen. Bis zur Beschlussfassung zu TOP 4 war ein Notar anwesend, fertigte eine Niederschrift und unterzeichnete sie. Eine weitere Niederschrift über die gesamte Hauptversammlung wurde vom Aufsichtsratsvorsitzenden gefertigt und unterzeichnet. Der Beschluss zu TOP 4 mit den Satzungsänderungen wurde im Mai 2009 in das Handelsregister eingetragen. Die Klägerin, die Aktionärin der Beklagten ist, reichte daraufhin eine Nichtigkeitsklage ein.
Das LG stellte die Nichtigkeit der Beschlüsse fest. Mit ihrer Berufung rügte die Beklagte, das LG gehe unzutreffend von dem angeblichen Grundsatz der Unteilbarkeit der Protokollierung aus. Der Wortlaut des § 130 Abs. 1 AktG spreche eindeutig nur von einer Beurkundungspflicht eines jeden Beschlusses, nicht jedoch von der Beurkundungspflicht der Hauptversammlung insgesamt. Das OLG wies die Berufung als unbegründet zurück. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten vor dem BGH war überwiegend erfolgreich.
Die Gründe:
Die Beschlüsse zu den TOP 3, 5 bis 8 waren nicht nach § 241 Nr. 2 AktG nichtig.
Es ist streitig, ob bei nichtbörsennotierten Aktiengesellschaften nach § 130 Abs. 1 AktG dann, wenn in der Hauptversammlung ein Beschluss gefasst wird, der nach dem Gesetz eine qualifizierte Mehrheit voraussetzt, die gesamte Niederschrift von einem Notar beurkundet werden muss oder ob die Niederschrift in notariell beurkundete und in vom Aufsichtsratsvorsitzenden unterzeichnete - nicht diesen Mehrheitserfordernissen unterliegenden Abschnitte - teilbar ist. Die Auslegung des Gesetzes ergibt nach Ansicht des Senats, dass die Niederschrift i.S.d. der letztgenannten Ansicht teilbar ist. Für die Trennbarkeit spricht die Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Sie bezeugt den Willen des Gesetzgebers, das Erfordernis der notariellen Beurkundung bei der nichtbörsennotierten Gesellschaft auf einzelne Beschlüsse zu beschränken.
Der Zweck der notariellen Niederschrift, bei Beschlüssen mit qualifizierter Mehrheit für eine erhöhte Rechtssicherheit zu sorgen, sagt wenig darüber aus, ob eine einheitliche Beurkundung erforderlich ist oder nicht. Es gibt keinen Grund, auch die "einfachen" Beschlüsse von der erhöhten Rechtssicherheit der notariellen Niederschrift profitieren zu lassen, nur weil sie in der-selben Hauptversammlung gefasst werden. Die durch eine doppelte Protokollierung möglicherweise auftretenden Schwierigkeiten sind in der Regel überwindbar und können genauso bei der Beurkundung durch einen oder mehrere Notare auftreten.
Erfolg hatte die Revision ferner mit den Angriffen gegen die Feststellung der Nichtigkeit der Satzungsänderungen in TOP 4, soweit sie über die nicht angegriffene Feststellung der Nichtigkeit der Änderung des genehmigten Kapitals (§ 7 der Satzung) hinausging. Die Revision war insoweit zulässig. Die Nichtigkeit der Satzungsänderung zur Ermächtigung des Vor-stands zur Kapitalerhöhung in § 7 der Satzung, deren Feststellung die Revision nicht angegriffen hatte, führte nicht zur Nichtigkeit der weiteren Satzungsänderungen. Entgegen der Auffassung des OLG kommt es nämlich nicht entscheidend darauf an, ob in der Tagesordnung eine einheitliche Beschlussvorlage angekündigt und einheitlich abgestimmt wird. Denn nicht allein aus dem Umstand, dass mehrere Beschlussgegenstände in einem Beschluss gemeinsam zur Abstimmung gestellt werden, lässt sich schließen, dass im Fall der Nichtigkeit eines Gegenstandes auch der andere Gegenstand nach dem Willen der Aktionäre nichtig sein soll.
Maßgebliches Auslegungskriterium für die Ermittlung des mutmaßlichen Willens ist vielmehr, ob nach dem Beschlussinhalt ein innerer Zusammenhang zwischen den Beschlussgegenständen besteht oder hergestellt ist. In der Rechtsprechung ist deshalb etwa bei der Kapitalerhöhung der nichtige Bezugsrechtsausschluss nicht auf die Billigung des genehmigten Kapitals erstreckt worden oder im Schrifttum die Umstellung von Nennbetrags- auf Stückaktien nicht auf die Änderung des Unternehmensgegenstands. Danach waren die Satzungsänderungen, die hier nicht aus in ihrer Beschlussfassung selbst liegenden Gründen nichtig waren, von der Nichtigkeit der Satzungsänderung bezüglich der Ermächtigung des Vorstands zur Kapitalerhöhung nicht berührt. Die Änderung des Unternehmensgegenstands, die Umstellung von DM-Beträgen auf Euro-Beträge, die Änderung der Bestimmungen zur Vinkulierung und die Aufhebung der Vorschrift zu den Gründungskosten hatten mit der Ermächtigung zur Kapitalerhöhung nichts zu tun.
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