Zur Bezeichnung einer Kapitalanlage als "bombensicher"
BGH v. 5.5.2022 - III ZR 327/20
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine ehemalige Musiklehrerin an einer Grund- und Hauptschule. Sie hatte im Juli 2015 mit der EN - einem Unternehmen, das eigenen Angaben zufolge hauptsächlich im Bereich der Vermietung von Datenspeichersystemen (Storage-Systemen) tätig war - den Kauf vier solcher Systeme zum Gesamtkaufpreis von 28.000 € vereinbart. In dem Vertrag war ein bedingter Rückkauf seitens der EN vereinbart. Im Oktober 2015 erwarb die Klägerin von der EN ein weiteres System für 8.000 €. Die Kaufpreissummen wurden bezahlt. Über das Vermögen der EN wurde ab Mai 2017 das Insolvenzverfahren eröffnet, wobei der Insolvenzverwalter den Verdacht äußerte, das Unternehmen habe ab 2012 ein Schneeballsystem betrieben.
Der Beklagte zu 1) ist Anlageberater. Zwischen ihm und der Klägerin kam es, noch bevor diese ihren ersten Kauf- und Überlassungsvertrag mit der EN abgeschlossen hatte, zu mindestens einem persönlichen Gespräch im Hinblick auf den Abschluss eines solchen Vertrages. Dabei wurde - weil es für den Beklagten zu 1) eigener Einschätzung zufolge fernlag - nicht über ein Insolvenzrisiko der EN gesprochen. Der Beklagte zu 1) hat eingeräumt, keine Verlustrisiken angesprochen zu haben.
Die Klägerin hat u.a. behauptet, der Beklagte zu 1) habe die Anlage als "bombensicher" beschrieben. Sie habe die Kauf- und Überlassungsverträge aufgrund der Zusicherung und der unterlassenen Risikohinweise des Beklagten zu 1) sowie aufgrund der Bestätigungen des vormals Beklagten zu 2), einem Wirtschaftsprüfer, gezeichnet. Der Beklagte zu 1) hat u.a. vorgebracht, die Klägerin habe sich über ihre Schwester und deren Ehemann bereits mit der Anlage befasst gehabt; die Risiken seien ihr bekannt gewesen.
Das LG hat der auf Zahlung von 25.184 € gerichteten Klage stattgegeben. Das OLG hat sie im Berufungsverfahren abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der BGH das Urteil des OLG aufgehoben, soweit zugunsten des Beklagten zu 1) erkannt worden war und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gründe:
Ungeachtet dessen, dass dem Senat aufgrund der tatsächlichen Feststellungen das Vorliegen eines Anlageberatungs- statt eines bloßen Auskunftsvertrages näherzuliegen scheint, machte die Revision zu Recht geltend, dass das Berufungsgericht in den Gründen seiner Entscheidung sich mit dem Vortrag der Klägerin, der Beklagte zu 1) habe behauptet, das Investment sei "bombensicher", nicht befasst und den diesbezüglich gestellten Beweisantrag, den Ehemann der Klägerin als Zeugen zu vernehmen, übergangen hatte. Damit hat es gegen § 286 Abs. 1 ZPO verstoßen.
In den Kauf- und Überlassungsverträgen aus Juli und Oktober 2015 über den bedingten Rückkauf des Storage-Systems durch die EN war - auch im Fall redlichen Verhaltens der Geschäftsführer der EN - keinesfalls mit Gewissheit davon auszugehen, dass die Klägerin nach Ablauf der Gebrauchsüberlassung von 36 Monaten ihr investiertes Geld in vollem Umfang zurückerhalten wird. Infolgedessen durfte eine solche Kapitalanlage nicht als "sicher" (vgl. Senat, Urteile v.19.10.2006 - III ZR 122/05 und v. 12.7.2007 - III ZR 83/06) und erst recht nicht als "bombensicher" bezeichnet werden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens der Klägerin und nach Beweisaufnahme zu einer anderen, ihr günstigeren Beurteilung der Sache gekommen wäre.
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Die Klägerin ist eine ehemalige Musiklehrerin an einer Grund- und Hauptschule. Sie hatte im Juli 2015 mit der EN - einem Unternehmen, das eigenen Angaben zufolge hauptsächlich im Bereich der Vermietung von Datenspeichersystemen (Storage-Systemen) tätig war - den Kauf vier solcher Systeme zum Gesamtkaufpreis von 28.000 € vereinbart. In dem Vertrag war ein bedingter Rückkauf seitens der EN vereinbart. Im Oktober 2015 erwarb die Klägerin von der EN ein weiteres System für 8.000 €. Die Kaufpreissummen wurden bezahlt. Über das Vermögen der EN wurde ab Mai 2017 das Insolvenzverfahren eröffnet, wobei der Insolvenzverwalter den Verdacht äußerte, das Unternehmen habe ab 2012 ein Schneeballsystem betrieben.
Der Beklagte zu 1) ist Anlageberater. Zwischen ihm und der Klägerin kam es, noch bevor diese ihren ersten Kauf- und Überlassungsvertrag mit der EN abgeschlossen hatte, zu mindestens einem persönlichen Gespräch im Hinblick auf den Abschluss eines solchen Vertrages. Dabei wurde - weil es für den Beklagten zu 1) eigener Einschätzung zufolge fernlag - nicht über ein Insolvenzrisiko der EN gesprochen. Der Beklagte zu 1) hat eingeräumt, keine Verlustrisiken angesprochen zu haben.
Die Klägerin hat u.a. behauptet, der Beklagte zu 1) habe die Anlage als "bombensicher" beschrieben. Sie habe die Kauf- und Überlassungsverträge aufgrund der Zusicherung und der unterlassenen Risikohinweise des Beklagten zu 1) sowie aufgrund der Bestätigungen des vormals Beklagten zu 2), einem Wirtschaftsprüfer, gezeichnet. Der Beklagte zu 1) hat u.a. vorgebracht, die Klägerin habe sich über ihre Schwester und deren Ehemann bereits mit der Anlage befasst gehabt; die Risiken seien ihr bekannt gewesen.
Das LG hat der auf Zahlung von 25.184 € gerichteten Klage stattgegeben. Das OLG hat sie im Berufungsverfahren abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der BGH das Urteil des OLG aufgehoben, soweit zugunsten des Beklagten zu 1) erkannt worden war und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gründe:
Ungeachtet dessen, dass dem Senat aufgrund der tatsächlichen Feststellungen das Vorliegen eines Anlageberatungs- statt eines bloßen Auskunftsvertrages näherzuliegen scheint, machte die Revision zu Recht geltend, dass das Berufungsgericht in den Gründen seiner Entscheidung sich mit dem Vortrag der Klägerin, der Beklagte zu 1) habe behauptet, das Investment sei "bombensicher", nicht befasst und den diesbezüglich gestellten Beweisantrag, den Ehemann der Klägerin als Zeugen zu vernehmen, übergangen hatte. Damit hat es gegen § 286 Abs. 1 ZPO verstoßen.
In den Kauf- und Überlassungsverträgen aus Juli und Oktober 2015 über den bedingten Rückkauf des Storage-Systems durch die EN war - auch im Fall redlichen Verhaltens der Geschäftsführer der EN - keinesfalls mit Gewissheit davon auszugehen, dass die Klägerin nach Ablauf der Gebrauchsüberlassung von 36 Monaten ihr investiertes Geld in vollem Umfang zurückerhalten wird. Infolgedessen durfte eine solche Kapitalanlage nicht als "sicher" (vgl. Senat, Urteile v.19.10.2006 - III ZR 122/05 und v. 12.7.2007 - III ZR 83/06) und erst recht nicht als "bombensicher" bezeichnet werden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens der Klägerin und nach Beweisaufnahme zu einer anderen, ihr günstigeren Beurteilung der Sache gekommen wäre.
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