Zur Festsetzung einer Verbandsstrafe in einer Milch-Genossenschaft
BGH 27.6.2017, II ZR 5/16Die Klägerin war Inhaberin eines landwirtschaftlichen Betriebs und Mitglied der beklagten Genossenschaft. In § 12 der Satzung der Beklagten sind die Pflichten der Mitglieder aufgeführt, wie etwa die Pflicht zur Ablieferung der in den landwirtschaftlichen Betrieben gewonnenen Milch nach Maßgabe der jeweils geltenden Milchlieferungsordnung sowie die Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass im Fall der rechtsgeschäftlichen Übertragung des landwirtschaftlichen Betriebs der Erwerber die Mitgliedschaft anstelle des vorherigen Mitglieds erwirbt bzw. in die bestehende Milchlieferungsverpflichtung eintritt (§ 12 h).
Für Verstöße gegen diese Verpflichtung ist die Verwirkung einer Verbandsstrafe nach § 12 k) i.H.v. bis zu 2,5 Cent je Kilogramm der satzungswidrig nicht gelieferten Milch bestimmt. Die vom Vorstand und vom Aufsichtsrat beschlossene Milchlieferungsordnung der Beklagten sieht zudem vor, dass zur Ermittlung der nicht gelieferten Milchmenge die Molkerei die im Durchschnitt der letzten 24 Monate bis zur Einstellung der Lieferung angelieferten Milchmengen zugrunde legen kann.
Die Klägerin übertrug im Juni 2013 im Wege vorweggenommener Erbfolge den Betrieb an ihre Tochter. Diese brachte den Betrieb in eine GbR ein und lieferte ab Oktober 2013 keine Milch mehr an die Beklagte, sondern an einen anderen Abnehmer. Die Beklagte erklärte deshalb gegenüber der Vergütung der Klägerin i.H.v. 1.115 € unter Hinweis auf § 12 h) und k) der Satzung die Aufrechnung mit einer Verbandsstrafe, die sie nach dem durchschnittlichen Wert der Lieferung der Klägerin der letzten 24 Monate mit 13.347 € festsetze. AG und LG erklärten die Aufrechnung für begründet und wiesen die Klage auf Zahlung der restlichen Vergütung für die Milchlieferungen ab. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin blieb erfolglos.
Gründe:
Die Vorinstanzen haben einen Anspruch der Klägerin wegen der durchgreifenden Aufrechnung der Beklagten mit ihrem Anspruch auf Zahlung einer Verbandsstrafe zutreffend verneint.
Soweit die Beklagte die Höhe der Verbandsstrafe hinsichtlich der Menge der satzungswidrig nicht gelieferten Milch nach dem Durchschnittswert der letzten 24 Monate bis zur Einstellung der Lieferung festgelegt hat, ist diese Regelung hinreichend satzungsrechtlich fundiert. Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine auf Satzung beruhende, an das korporationsrechtlich begründete Gefüge von Rechten und Pflichten zwischen der Genossenschaft und ihren Mitgliedern anknüpfende Verbandsstrafe entsprechend den Regeln einer Vereinsstrafe zu behandeln. Es handelt sich nicht um eine Vertragsstrafe, da sie anders als jene nicht auf Vertrag, sondern auf der Unterwerfung der Mitglieder unter die Satzung beruht. Die nähere Ausgestaltung der Verpflichtung der Mitglieder z.B. in Lieferungs- und Bezugsverordnungen kann auch - wie hier - durch die Satzung in die Zuständigkeit des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder der Gesellschafterversammlung gelegt werden.
Ausgehend von diesen Grundsätzen kann jedenfalls der hier fraglichen Bestimmung in der Milchlieferungsverordnung bezüglich der Bemessung der Verbandsstrafe eine hinreichende satzungsrechtliche Fundierung nicht abgesprochen werden. Die der Genossenschaft obliegende Ermittlung der Grundlagen für eine Verbandsstrafe, die in ihren Grundzügen und auch hinsichtlich der Höchstgrenze in der Satzung selbst geregelt ist, kann auf ein Regelwerk unterhalb der Satzung gestützt werden (hier Bestimmung in der Milchlieferordnung zur Schätzung der satzungswidrig nicht an die Genossenschaft abgelieferten Milch). Entscheidend für die Festsetzung der Verbandsstrafe sind das zum Zeitpunkt der Verletzung der Pflichten aus der Satzung anzuwendende Satzungsrecht und die entsprechenden Strafbestimmungen.
Die Vorinstanzen haben zudem mit Recht einen Verstoß gegen § 138 BGB verneint, da die entsprechenden Satzungsbestimmungen nicht sittenwidrig sind, weil sie nicht gegen die guten Sitten und nicht gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen. Die Klägerin hatte sich nämlich freiwillig als Mitglied der beklagten Genossenschaft angeschlossen. Damit hatte sie sich zugleich freiwillig der satzungsrechtlich begründeten Pflicht, die in ihrem landwirtschaftlichen Betrieb gewonnene Milch an die Genossenschaft abzuliefern, unterworfen, ebenso wie der in der Satzung enthaltenen Strafbestimmung. Sie hat damit zugleich für die Dauer ihrer Mitgliedschaft die Sicherheit eines festen Abnehmers ihrer Milch und die Gewähr einer marktgerechten Bezahlung der gelieferten Milchmenge gehabt.
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