15.08.2018

Zur Frage der Verwirkung des Widerrufsrechts bei nicht im Wege des Fernabsatzes geschlossenen Verbraucherdarlehensverträgen

Ist § 312d Abs. 3 Nr. 1 BGB in der bis zum 3.8.2009 geltenden Fassung (a.F.) schon nicht auf im Wege des Fernabsatzes geschlossene Verbraucherdarlehensverträge anwendbar, kann bei der Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls § 312d Abs. 3 Nr. 1 BGB a.F. erst recht kein Gesichtspunkt für oder gegen eine Verwirkung des Widerrufsrechts bei nicht im Wege des Fernabsatzes geschlossenen Verbraucherdarlehensverträgen entnommen werden.

BGH 3.7.2018, XI ZR 702/16
Der Sachverhalt:

Die Kläger nehmen die Beklagte auf Rückzahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung und auf Herausgabe mutmaßlich von der Beklagten auf Zins- und Tilgungsleistungen gezogener Nutzungen nach Widerruf ihrer auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen in Anspruch.

Die Parteien die Kläger zwecks Finanzierung einer Immobilie schlossen am 18.2.2008 einen Darlehensvertrag über 30.000 € zu einem bis zum 30.1.2018 festen Nominalzinssatz von 5,2 % p.a. Zur Sicherung der Beklagten diente eine Grundschuld. Bei Abschluss des Darlehensvertrags belehrte die Beklagte die Kläger über ihr Widerrufsrecht.

Die Kläger erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Im Zuge der Veräußerung der finanzierten Immobilie kündigten sie zum 1.9.2013 den Darlehensvertrag. Die Beklagte stellte den Klägern daraufhin eine Vorfälligkeitsentschädigung i.H.v. rd. 4.400 € in Rechnung. Die Kläger brachten die Forderungen der Beklagten einschließlich der Vorfälligkeitsentschädigung vollständig zum Ausgleich. Unter dem 8.5.2015 widerriefen sie ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Kläger hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:

Die Ausführungen des OLG, das zutreffend davon ausgegangen ist, die Beklagte habe die Kläger unrichtig über das ihnen zustehende Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB belehrt, weisen zur Verwirkung revisionsrechtlich erhebliche Rechtsfehler auf.

Da OLG hat u.a. rechtsfehlerhaft angenommen, nicht einschlägigen Regelungen des Fernabsatzrechts eine auch für die Verwirkung des Widerrufsrechts bei Verbraucherdarlehensverträgen maßgebliche "grundsätzliche Regelungsabsicht des Gesetzgebers" entnehmen zu können. Selbst wenn es sich bei dem Darlehensvertrag zwischen den Parteien um einen unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossenen Vertrag gehandelt hätte, wäre nach § 312d Abs. 5 S. 1 BGB in der bis zum 10.6.2010 geltenden Fassung (künftig: a.F.) das Widerrufsrecht nach § 312d Abs. 1 BGB a.F. ausgeschlossen gewesen und hätte allein das Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB bestanden. Entsprechend wäre das Widerrufsrecht nicht nach § 312d Abs. 3 Nr. 1 BGB a.F. unter den dort genannten Voraussetzungen erloschen. § 312d Abs. 3 Nr. 1 BGB a.F. konnte deshalb keine bei der Prüfung der Verwirkung maßgebliche Wertung entnommen werden.

§ 312d Abs. 3 Nr. 1 BGB a.F. ist auf im Wege des Fernabsatzes geschlossene Verbraucherdarlehensverträge nicht anwendbar. Angesichts des eindeutigen Regelungskonzepts fehlt es an einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes. Ist die Norm aber bereits auf solche im Wege des Fernabsatzes geschlossene Verbraucherdarlehensverträge nicht anwendbar, durfte das OLG bei der Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls erst recht nicht diesen Erlöschenstatbestand entsprechend heranziehen, obwohl der Gesetzgeber des hier intertemporal maßgeblichen Rechts schon bei der direkten Anwendung einzelner fernabsatzrechtlicher Vorschriften auf die Erstreckung dieses Erlöschenstatbestands auf Verbraucherdarlehensverträge verzichtet hatte. Für die Verwirkung des Widerrufsrechts bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen gelten vielmehr eigenständige Grundsätze.

So hat der Senat dahin erkannt, gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen wie hier könne das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprochen und er es in der Folgezeit versäumt habe, den Verbraucher nachzubelehren. Das gilt in besonderem Maße (aber nicht ausschließlich), wenn die Beendigung des Darlehensvertrags auf einen Wunsch des Verbrauchers zurückgeht bzw. wenn die Parteien den Darlehensvertrag einverständlich beendet haben. Dass wie in § 312d Abs. 3 Nr. 1 BGB a.F. vorgesehen der Vertrag von beiden Seiten auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers vollständig erfüllt worden sein muss, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausgeübt hat, ist dagegen nach der Rechtsprechung des Senats kein Maßstab für die Verwirkung des Widerrufs-rechts bei Verbraucherdarlehensverträgen.

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