Zur Frage der vorsätzlichen Benachteiligung bei einem Rechtsgeschäft unter Angehörigen
BGH 10.7.2014, IX ZR 50/12Der Kläger hatte ursprünglich im August 2001 gegen den Sohn (S.) der Beklagten ein Versäumnisurteil erwirkt, durch das der S. zur Zahlung von 28.250 DM verurteilt wurde. Im Einspruchsverfahren wurde das Versäumnisurteil nach Durchführung einer Beweisaufnahme mit Urteil vom 25.7.2003 wieder aufgehoben und die Klage abgewiesen. Im nachfolgenden Restitutionsverfahren erreichte der Kläger eine Aufhebung des klageabweisenden Urteils, weil es durch eine vom S. veranlasste Falschaussage erwirkt worden war.
Der S. wurde daraufhin am 12.6.2009 zur Zahlung von 15.711 € sowie 899 € zzgl. Zinsen und Kosten an den Kläger verurteilt. Die Vollstreckung in das Vermögen des S., der am 3.3.2010 die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte, verlief erfolglos. Die verfahrensgegenständliche Eigentumswohnung gehörte zunächst dem S. Am 27.3.2003 übertrug er das Wohnungseigentum jedoch auf die Beklagte, die ihrem Sohn ein lebenslanges, unentgeltliches Wohnrecht einräumte. Ferner war die Belastung der Immobilie an die vorherige Zustimmung des S. geknüpft.
Im März 2010 beantragte der Kläger die Duldung der Zwangsvollstreckung in das Wohnungseigentum der Beklagten. LG und OLG wiesen den Antrag zurück. Auf die Revision des Klägers hob der BGH die Vorentscheidungen auf und gab der Klage statt.
Gründe:
Die Voraussetzungen des allein in Betracht kommenden Anfechtungstatbestandes der vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung nach § 3 Abs. 1 AnfG, der eine Anfechtungsfrist von zehn Jahren vorsieht, waren erfüllt. Dem Kläger stand der geltend gemachte Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den streitgegenständlichen Grundbesitz nach § 11 Abs. 1 S. 1 AnfG zu.
Entgegen der Annahme der Vorinstanzen handelte der S. zum Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung mit dem erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. Nach § 3 Abs. 1 S. 1 AnfG ist eine vorsätzliche Benachteiligung erforderlich. Hierfür genügt ein bedingter Vorsatz des Schuldners. Dass der Schuldner mit dem Ziel gehandelt hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, ist nicht geboten. Vielmehr liegt ein Benachteiligungsvorsatz schon dann vor, wenn der Schuldner bei einem auf einen anderen Zweck gerichteten Handeln die Benachteiligung als mögliche Folge seines Handelns erkennt und billigend in Kauf nimmt.
Die Beweislast für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners liegt beim anfechtenden Gläubiger. Allerdings kann dieses subjektive Tatbestandsmerkmal - weil es sich um eine innere, dem Beweis nur schwer zugängliche Tatsache handelt - meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Gewichtiger Anhaltspunkt kann sein, dass der Schuldner sein letztes werthaltiges Grundstück auf einen Dritten überträgt. Dieses Beweisanzeichen wird durch ein Näheverhältnis zwischen dem Schuldner und dem Begünstigten noch verstärkt. Diesen Maßstäben wurde die Beurteilung der Vorinstanzen allerdings nicht gerecht.
Bei der gebotenen Betrachtung des gesamten rechtsgeschäftlichen Vorgangs, der sich aus dem schuldrechtlichen Verpflichtungs- und dinglichen Erfüllungsgeschäft zusammensetzte, ergab sich hier eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung zugunsten einer nahen Angehörigen des S. Denn die Aufgabe seines Eigentums an der Wohnung zugunsten seiner Mutter wurde nicht durch gleichwertige Gegenleistungen ausgeglichen, so dass die Zugriffsmöglichkeiten der Gläubiger durch die vereinbarte Vermögensverschiebung objektiv verschlechtert wurden. Dies ließ darauf schließen, dass der Schuldner diese Folge bei Abschluss des Vertrages erkannt und zumindest billigend in Kauf genommen hatte. Vertragsgestaltung zeigte, dass der S. seinen Grundbesitz nicht endgültig aufgeben wollte, sondern nur rechtlich den Vermögenswert verschieben wollte, ohne die Vorteile der weiteren Immobiliennutzung zu verlieren.
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