Zur Funktionsweise des Europäischen Netzes der Wettbewerbsbehörden
EuG 21.1.2015, T-355/13Die klagende easyJet Airline Co. Ltd ist eine Fluggesellschaft mit Sitz im Vereinigten Königreich, die innerhalb der EU eine umfangreiche Geschäftstätigkeit ausübt, wobei sie zum Abflug und zur Ankunft insbesondere den Flughafen Amsterdam-Schiphol (Niederlande) nutzt. Im Jahr 2008 erhob easyJet bei der niederländischen Wettbewerbsbehörde Beschwerden auf der Grundlage von Bestimmungen des nationalen Luftfahrtgesetzes und des Wettbewerbsgesetzes. Diese Beschwerden waren gegen die Luchthaven Schiphol NV als Betreiberin des Flughafens Amsterdam-Schiphol gerichtet und betrafen die Fluggastgebühren und die Sicherheitsgebühren.
Die niederländische Wettbewerbsbehörde wies in ihren Entscheidungen diese Beschwerden zurück, wobei sie sich auf das niederländische Luftfahrtgesetz stützte und ihre Politik der Setzung von Prioritäten anwandte, die es ihr erlaubt, den von ihr behandelten Fällen einen jeweils unterschiedlichen Prioritätsgrad zuzuweisen. Diese Entscheidungen erlangten nach nationalem Recht Bestandskraft. Daraufhin reichte easyJet bei der Kommission Beschwerde ein und machte geltend, die von Schiphol festgesetzten Gebühren seien diskriminierend und überschießend und stellten einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt dar. Die niederländische Wettbewerbsbehörde habe keine endgültige Entscheidung über die wettbewerbsrechtliche Begründetheit ihrer Beschwerde erlassen.
Die Kommission wies die Beschwerde insbesondere deswegen zurück, weil sie bereits von einer nationalen Wettbewerbsbehörde behandelt worden sei. Art. 13 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/20033 bestimmt nämlich, dass die Kommission eine Beschwerde wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens zurückweisen kann, wenn diese Beschwerde bereits von einer Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats behandelt worden ist. EasyJet erhob gegen die Zurückweisung seiner Beschwerde Klage.
Das EuG wies die Klage ab.
Die Gründe:
Die Kommission verfügt bei der Anwendung von Art. 13 der Verordnung Nr. 1/2003 über einen weiten Beurteilungsspielraum und folglich ist die gerichtliche Kontrolle in diesem Zusammenhang auf die Überprüfung gerichtet, ob die Entscheidung der Kommission nicht auf unzutreffenden Tatsachenfeststellungen beruht und ob die Kommission keinen Rechtsfehler, offensichtlichen Beurteilungsfehler oder Ermessensmissbrauch begangen hat, als sie davon ausgegangen ist, dass eine Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats eine Beschwerde bereits behandelt habe. Die Kontrolle von Entscheidungen der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten ist dagegen allein Sache der nationalen Gerichte, denen bei der Anwendung der Wettbewerbsvorschriften der Union eine wesentliche Aufgabe zukommt.
Die Kommission kann eine zuvor von einer Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats aus Prioritätsgründen zurückgewiesene Beschwerde zurückweisen. Dies kann aus einer Wortauslegung der betreffenden Bestimmung abgeleitet werden, die jegliche von einer anderen Wettbewerbsbehörde geprüfte Beschwerde erfasst, ganz gleich wie die Prüfung ausgegangen ist. Diese Auslegung steht auch im Einklang mit der allgemeinen Systematik der Verordnung Nr. 1/2003. Es kommt insoweit nicht auf den Ausgang der von der Wettbewerbsbehörde vorgenommenen Prüfung an, sondern darauf, dass die Beschwerde von dieser Behörde geprüft worden ist. Schließlich stimmt die vorgenommene Auslegung auch mit einem der Hauptziele der Verordnung Nr. 1/2003 überein, nämlich der Einführung eines wirksamen dezentralen Systems der Anwendung der Wettbewerbsregeln der EU.
Die Kommission kann die Zurückweisung einer Beschwerde darauf stützen, dass eine Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats diese Beschwerde zuvor infolge einer Prüfung zurückgewiesen hat, die sich auf Schlussfolgerungen gründet, zu denen sie im Rahmen einer hinsichtlich anderer Bestimmungen des nationalen Rechts durchgeführten Untersuchung gelangt ist. Voraussetzung ist lediglich, dass diese Prüfung hinsichtlich der Regeln des Wettbewerbsrechts der Union vorgenommen worden ist.
Vorliegend ist die Kommission zu Recht davon ausgegangen, dass die nationale Behörde die Beschwerde auf Grundlage der Wettbewerbsregeln der Union behandelt hat. Die nationale Behörde hat nämlich insbesondere angegeben, inwieweit die Schlussfolgerungen der hinsichtlich des niederländischen Luftfahrtrechts geführten Untersuchung für ihre auf das Wettbewerbsrecht gegründete Prüfung relevant waren: So hat sie die Ähnlichkeiten zwischen den beiden Regelungen beschrieben, die Gleichwertigkeit der betroffenen Dienstleistungen verglichen und den durch die Gebührenordnung des Flughafens Schiphol verursachten Wettbewerbsnachteil beurteilt. Daher hat die Kommission zu Recht angenommen, dass die nationale Behörde die Verhältnismäßigkeit zwischen den Gebühren und den Kosten geprüft, die Gebühren mit jenen anderer internationaler Flughäfen verglichen und die Gebühren in Anbetracht der Qualität der an easyJet erbrachten Dienstleistung beurteilt hatte.
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