15.07.2013

Zur gebührenrechtlichen Behandlung mehrerer Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen bei einer Verbindung der Prozesse nach § 246 Abs. 3 S. 6 AktG

Mehrere Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen sind vor einer Verbindung der Prozesse nach § 246 Abs. 3 S. 6 AktG gebührenrechtlich selbstständig. Das hat zur Folge, dass die für das Verfahren im Allgemeinen nach Nr. 1210 KV GKG zu erhebenden Gerichtskosten nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 GKG mit der Einreichung der jeweiligen Klage anfallen und die vor der Verbindung entstandenen Gerichtskosten auch nach der Prozessverbindung bestehen bleiben.

BGH 14.5.2013, II ZB 12/12
Der Sachverhalt:
Die Beklagte wendet sich gegen insgesamt acht Kostenfestsetzungsbeschlüsse, mit denen gegen sie Kostenerstattungsansprüche von sieben Klägern i.H.v. jeweils 3.468 € nebst Zinsen und von einer weiteren Klägerin i.H.v. 6.618 € nebst Zinsen festgesetzt wurden. Die Beklagte übernahm durch gerichtlichen Vergleich vor dem OLG Frankfurt a.M. im Verhältnis zu den Klägern die Gerichtskosten des mit Urteil des LG Frankfurt entschiedenen Ausgangsverfahrens. Gegenstand des Verfahrens waren Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten, gegen die sich Aktionäre mit Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklagen wandten.

Die sieben Kläger, die sich im Ausgangsverfahren gegen den Beschluss betreffend die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der Beklagten wandten, leisteten auf der Basis eines Streitwerts von 150.000 € jeweils einen Gerichtskostenvorschuss i.H.v. 3.468 €; die weitere Klägerin, die auch weitere Beschlüsse der Hauptversammlung vom 29.8.2008 angefochten hatte, zahlte auf der Basis eines Streitwerts von 350.000 € einen Gerichtskostenvorschuss i.H.v. 6.618 €. Die Klagen wurden vom LG gem. § 246 Abs. 3 S. 6 AktG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Nach dem Vergleichsschluss setzte das LG gegenüber der Beklagten restliche Gerichtskosten i.H.v. 14.244 € an. Über die dagegen eingelegte Erinnerung der Beklagten ist bislang nicht entschieden. Auf Antrag der Kläger setzte das LG zu deren Gunsten Kostenerstattungsansprüche gegenüber der Beklagten in Höhe der von ihnen jeweils gezahlten Gerichtskosten fest. Die sofortigen Beschwerden der Beklagten gegen die Festsetzungsbeschlüsse wies das OLG zurück. Die Rechtsbeschwerde der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das Beschwerdegericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Einwand der Beklagten, die von den Klägern geleisteten Gerichtskostenvorschüsse seien zu hoch angesetzt worden, im Kostenfestsetzungsverfahren unberücksichtigt bleibt. Sollen im Kostenfestsetzungsverfahren gegenüber dem Erstattungsschuldner vom Erstattungsgläubiger gezahlte Gerichtskostenvorschüsse geltend gemacht werden, kann der Erstattungsschuldner regelmäßig einwenden, dass die Gerichtskosten nicht notwendig (§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO) waren, weil der sie betreffende Kostenansatz überhöht ist.

Jede Prozesspartei ist aus dem Prozessrechtsverhältnis heraus verpflichtet, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt. Von der obsiegenden Partei verauslagte Gerichtskosten sind danach vom Gegner nur in Höhe der im Gesetz vorgesehenen Gebühren erstattungsfähig. Der obsiegenden Partei ist es zuzumuten, einen mit den gesetzlichen Vorschriften nicht im Einklang stehenden überhöhten Gerichtskostenansatz im Wege der Erinnerung nach § 66 Abs. 1 S. 1 GKG korrigieren zu lassen.

Die der Beklagten offen stehende Möglichkeit, ihrerseits eine gerichtliche Überprüfung des Kostenansatzes im Verfahren nach § 66 GKG herbeizuführen, führt nicht dazu, dass sie mit Einwendungen gegen den Kostenansatz im Kostenfestsetzungsverfahren ausgeschlossen ist. Dass die Beklagte diese gerichtliche Überprüfung tatsächlich in die Wege geleitet hat, führt zu keiner anderen Beurteilung. Das OLG entnimmt der Entscheidung des BGH vom 7.9.2011 (VIII ZB 22/10) zu Unrecht, dass dem Erstattungsschuldner Einwände gegen den Kostenansatz stets dann verwehrt sind, wenn er dessen Überprüfung selbst im Verfahren nach § 66 GKG herbeiführen kann. Vielmehr ist in dieser Entscheidung ein Vorrang der Überprüfung im Verfahren nach § 66 GKG für den Fall angenommen worden, dass nur der Erstattungsschuldner als alleiniger Kostenschuldner des Ausgangsrechtsstreits den Kostenansatz überprüfen lassen kann. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, weil die Kläger als Antragsschuldner (§ 22 Abs. 1 S. 1 GKG) ebenfalls erinnerungsbefugt sind.

Im Ergebnis hat die Rechtsbeschwerde jedoch keinen Erfolg, weil die von der Beklagten gegen den Kostenansatz erhobenen Einwände nicht greifen. Mehrere Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen sind vor einer Verbindung der Prozesse nach § 246 Abs. 3 S. 6 AktG gebührenrechtlich selbstständig, mit der Folge, dass die für das Verfahren im Allgemeinen nach Nr. 1210 KV GKG zu erhebenden Gerichtskosten nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 GKG mit der Einreichung der jeweiligen Klage anfallen. Entgegen der Sicht der Rechtsbeschwerde bleiben die vor der Verbindung der Klagen nach § 246 Abs. 3 S. 6 AktG entstandenen Gerichtskosten auch nach der Prozessverbindung bestehen.

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