Zur Gleichstellung des atypischen stillen Gesellschafters einer insolventen GmbH & Co. KG mit dem Gläubiger eines Gesellschafterdarlehens
BGH 28.6.2012, IX ZR 191/11Die Klägerin beteiligte sich mit Vertrag von November 2007 über die Errichtung einer atypisch stillen Gesellschaft für vier Jahre an dem Handelsgewerbe der Insolvenzschuldnerin (Geschäftsinhaberin) mit einer Einlage von 750.000 €. Die Einlage wurde mit 7 Prozent verzinst und in festen mtl. Beträgen (zunächst rd. 12.000 €, später rd. 18.0000 €), in welche die Zinszahlungen eingerechnet waren, zurückgeführt. Von dem Jahresüberschuss nach Zinsen und Steuern sollte die Klägerin einen Gewinnanteil von 15 Prozent erhalten. Ihre Verlustbeteiligung war auf die Höhe der Einlage begrenzt.
Bestimmte Grundlagengeschäfte der Insolvenzschuldnerin wirkten gegenüber der Klägerin nur mit ihrer Zustimmung. Die Klägerin konnte sich vertraglich wie die Gesellschafterin einer offenen Handelsgesellschaft von den Angelegenheiten der Geschäftsinhaberin unterrichten sowie alle Bücher, Unterlagen und Betriebsprüfungsberichte einsehen. Die ordentliche Kündigung der Beteiligung war ausgeschlossen. Zur Sicherung des Auseinandersetzungsguthabens der Klägerin trat die Geschäftsinhaberin ihr sämtliche Kundenforderungen ab.
In § 1 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages hieß es weiter: "Die (Name der Klägerin) ist am Ergebnis, Vermögen und an den stillen Reserven der Gesellschaft beteiligt. Das Vermögen der Gesellschaft wird unbeschadet der Tatsache, dass kein Gesamthandsvermögen besteht, im Innenverhältnis wie gemeinschaftliches Vermögen behandelt. Die Beteiligung des stillen Gesellschafters erstreckt sich insbesondere auch auf die offenen und stillen Reserven der Gesellschaft."
Im Dezember 2008 beantragte die Geschäftsinhaberin, eine GmbH & Co. KG, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Die Klägerin kündigte daraufhin ihre stille Beteiligung. Im März 2009 wurde der Beklagte zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Geschäftsinhaberin benannt. Er vertrat den Standpunkt, die Ansprüche der Klägerin seien nachrangig, zur abgesonderten Befriedigung sei sie gegenüber der Masse nicht berechtigt. Die Klägerin erhob daraufhin Klage u.a. mit dem Antrag, ihren Anspruch auf noch rd. 600.000 € Einlagerückgewähr nach Abzug der Tilgungen von rd. 150.000 € und Zinsen von rd. 67.000 € zur Insolvenztabelle festzustellen.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der atypisch stille Gesellschafter einer GmbH & Co. KG steht mit seinen Ansprüchen wirtschaftlich dem Gläubiger eines Gesellschafterdarlehens gleich, wenn seine Stellung nach dem Beteiligungsvertrag der eines Kommanditisten im Innenverhältnis weitgehend angenähert ist. Der Nachrang seiner Ansprüche in der Insolvenz der Geschäftsinhaberin kann jedenfalls eintreten, wenn im Innenverhältnis das Vermögen der Geschäftsinhaberin und die Einlage des Stillen als gemeinschaftliches Vermögen behandelt werden, die Gewinnermittlung wie bei einem Kommanditisten stattfindet, die Mitwirkungsrechte des Stillen in der GmbH & Co. KG der Beschlusskompetenz eines Kommanditisten in Grundlagenangelegenheiten jedenfalls in ihrer schuldrechtlichen Wirkung gleich kommen und die Informations- und Kontrollrechte des Stillen denen eines Kommanditisten nachgebildet sind.
Vorliegend stand die Klägerin mit ihrer Beteiligung am Vermögen der Geschäftsinhaberin nach § 1 Nr. 3 des Vertrages von November 2007 schuldrechtlich der gesamthänderischen Vermögensbeteiligung eines Kommanditisten nach § 161 Abs. 2, § 105 Abs. 3 HGB, § 718 BGB gleich, da dieses Vermögen unbeschadet der nicht existenten Gesamthand im Innenverhältnis einschließlich der offenen und stillen Reserven wie gemeinschaftliches Vermögen behandelt werden sollte. Eine dementsprechende Auseinandersetzung unter Einbeziehung des Geschäftswertes der Inhaberin und der stillen Reserven bei Beendigung der stillen Gesellschaft war laut Beteiligungsvertrag vorgesehen. Demgegenüber ist der typische stille Gesellschafter bei der Auseinandersetzung nach § 235 Abs. 1 HGB nicht an den stillen Reserven des Inhabers und dessen Geschäftswert beteiligt.
Die Klägerin stand mit ihrer Gewinnbeteiligung infolge der ausbedungenen festen Zinsen von 7 Prozent besser als ein Kommanditist nach dem gesetzlichen Leitbild der § 168 Abs. 1, § 121 Abs. 1 HGB mit der gewinnabhängigen Vorausverzinsung seines Kapitalanteils von 4 Prozent. Die Klägerin unterschied sich hier vor allem in der Gewinnermittlung mit der Einbeziehung der gebildeten stillen Reserven vom typischen stillen Gesellschafter und kam auch insoweit wirtschaftlich einem Kommanditisten gleich. Die Verlustbeteiligung der Klägerin war nach § 9 Nr. 3 des Vertrages auf die Höhe ihrer Einlage begrenzt. Das entspricht im Innenverhältnis ebenso § 231 Abs. 1 HGB wie § 171 Abs. 1 HGB.
Die Mitwirkungsrechte der Klägerin in Grundlagenangelegenheiten entsprachen ebenfalls weitgehend dem Umfang, in dem innerhalb einer Kommanditgesellschaft gem. § 161 Abs. 2, § 119 HGB von den Gesellschaftern zu beschließen ist. Sie konnte unabhängig von Mehrheitsverhältnissen in der Kommanditgesellschaft laut Beteiligungsvertrag durch ihre Stellungnahme sich schuldrechtlich den Wirkungen der von ihr abgelehnten Grundlagenbeschlüsse entziehen; sie brauchte diese nicht gegen sich gelten zu lassen. Die Informations- und Kontrollrechte der Klägerin übertrafen nach § 5 des Beteiligungsvertrages die einer Kommanditistin nach § 166 HGB; denn sie war nicht nach § 233 Abs. 1 HGB auf die Prüfung der Jahresabschlüsse und auf das außerordentliche Informationsrecht des § 233 Abs. 3 HGB beschränkt, sondern ihr standen die weitergehenden Rechte der §§ 716 BGB, 118 HGB zu.
In der gebotenen Gesamtbetrachtung war die Rechtstellung der Klägerin als atypisch stille Gesellschafterin daher der einer Kommanditistin wirtschaftlich so nahe, dass ihre Forderungen in der Insolvenz der Geschäftsinhaberin nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO einem Gesellschafterdarlehen im Nachrang gleich stehen.
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