Zur Haftung eines Organs für unerlaubte Bankgeschäfte
BGH v. 9.11.2023 - III ZR 105/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger macht Schadensersatzansprüche wegen gescheiterter Investitionen in Tochtergesellschaften der E. C. AG mit Sitz in der Schweiz geltend. Der Beklagte war "Direktor" der Gesellschaft und Geschäftsführer der Tochtergesellschaften, die als Projektgesellschaften Immobilienprojekte durchführen sollten. Inzwischen sind die E. C. AG und die Projektgesellschaften insolvent. Keine dieser Gesellschaften verfügte über eine Erlaubnis zum Betrieb von Bankgeschäften. Am 6.4.2018 schloss der Kläger mit der E. C. AG einen "Beteiligungsvertrag" und investierte daraus resultierend 50.000 € in das Projekt "M. K.". Der Vertrag sah eine Laufzeit von 24 Monaten, eine Verpflichtung "zur vollständigen Rückzahlung der Investitionssumme bis spätestens zum Ende der vorgenannten Festlegungsfrist" und eine feste Verzinsung von 6 % p.a. vor. Die E. C. AG wurde beim Vertragsschluss durch K. B., Mitglied des Verwaltungsrats und Prokurist der Projektgesellschaften, vertreten.
Der Kläger behauptet, die E. C. AG sei eine reine Briefkastenfirma gewesen, die gesamte Geschäftstätigkeit sei über die deutschen Projektgesellschaften abgewickelt worden. Auf Vorgabe des Beklagten und des K. B. sei den Investoren eine feste Verzinsung zugesagt worden. Kerngeschäft der E. C. AG sei das Einsammeln von Geldern gewesen. Der Kläger begehrt Rückzahlung des von ihm investierten Betrags nebst Zinsen Zug um Zug gegen Abtretung seiner Rechte aus dem Beteiligungsvertrag sowie die Feststellung des Verzugs des Beklagten mit der Annahme dieser Rechte aus dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der E. C. AG. Der Beklagte verteidigt sich insbesondere damit, lediglich Direktor mit einem eingeschränkten Aufgabenbereich gewesen zu sein. Er sei als Architekt allein mit der Leitung und Überwachung der Bauprojekte von der technischen Seite befasst gewesen. Die Wahrnehmung von Aufgaben im finanziellen Bereich sei ihm nicht übertragen gewesen. Dementsprechend habe er keine Kenntnis von den Beteiligungsverträgen gehabt, die K. B. für die E. C. AG abgeschlossen habe.
LG und OLG gaben der Klage bis auf einen geringen Teil der Zinsen statt. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Das OLG ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG (in der hier maßgeblichen bis zum 11.8.2022 geltenden Fassung) ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB ist und dass die E. C. AG hiergegen verstoßen hat. Dagegen lässt sich auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht sicher beurteilen, ob der Beklagte für aus den Bankgeschäften der E. C. AG entstandene Schäden haftet.
Zutreffend hat das OLG zugrunde gelegt, dass derjenige, dass derjenige, der entgegen § 32 Abs. 1 KWG ohne entsprechende Erlaubnis Bankgeschäfte erbringt, sich bei fahrlässigem oder vorsätzlichem Handeln gem. § 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1, Abs. 2 KWG strafbar macht. Wirken die Geschäfte berechtigend und verpflichtend für eine juristische Person, so ist diese zivilrechtlich der Betreiber der Geschäfte; die strafrechtliche Verantwortlichkeit ergibt sich in diesen Fällen aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Sie trifft denjenigen, der in organschaftlicher Stellung für die juristische Person tätig ist. Daraus folgt, dass die objektive Organstellung allein nicht hinreichend ist, um eine Haftung zu begründen. Es bedarf zusätzlich des Verschuldens, § 276 BGB, das dementsprechend gesondert festgestellt werden muss. Zwar begründen die generelle Legalitätspflicht wie auch die Pflichten des Geschäftsleiters nach § 25a Abs. 1 Satz 2 KWG weitreichende Sorgfaltspflichten. Diese schließen eine Delegation von Aufgaben und damit eine Übertragung von Verantwortung jedoch nicht aus. So können etwa interne Zuständigkeitsregelungen in der Geschäftsleitung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zwar nicht zu einer Aufhebung, wohl aber zu einer Beschränkung der straf- und haftungs-rechtlichen Verantwortlichkeit führen.
Dies beruht auf dem Gedanken, dass der Geschäftsführer den ihm zukommenden Handlungspflichten für die Gesellschaft als Ganzes auf unterschiedliche Weise nachkommen kann. Auch durch organisatorische Maßnahmen kann er zur Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Pflichten beitragen, indem er etwa an einer Regelung mitwirkt, durch die jedem Geschäftsführer bestimmte Aufgaben zugewiesen werden. Durch eine derartige Aufteilung der Geschäfte wird die Verantwortlichkeit des nicht betroffenen Geschäftsführers nach innen und außen beschränkt, denn im Allgemeinen kann er sich darauf verlassen, dass der zuständige Geschäftsführer die ihm zugewiesenen Aufgaben erledigt. Doch verbleiben dem nicht betroffenen Geschäftsführer in jedem Fall kraft seiner Allzuständigkeit gewisse Überwachungspflichten, die ihn zum Eingreifen veranlassen müssen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Aufgaben durch den zuständigen Geschäftsführer nicht mehr gewährleistet ist.
Wie die interne Organisation der Gesellschaft ausgestaltet ist, entzieht sich in der Regel ebenso der Wahrnehmung des einzelnen Anlegers wie die Umstände, aus denen sich Anhaltspunkte ergeben können, die das Organ verpflichten, die Führung der Geschäfte auch außerhalb seines eigentlichen Verantwortungsbereichs näher zu kontrollieren und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, um deren Gesetzmäßigkeit sicherzustellen. Bezüglich dieser Umstände trifft daher das Organ nach allgemeinen Grundsätzen eine sekundäre Darlegungslast. Ob der Beklagte für die Bankgeschäfte der E. C. AG im Allgemeinen und den Vertragsschluss mit dem Kläger und seiner Ehefrau im Besonderen nach diesen Maßstäben verantwortlich war, ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des OLG offen. Das OLG hat lediglich festgestellt, dass der Beklagte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Organ der E. C. AG war. Zu dessen Behauptung, für den Abschluss von Verträgen nicht zuständig gewesen zu sein und von den Beteiligungsverträgen keine Kenntnis gehabt zu haben, hat es keine Feststellungen getroffen. Unterstellt man diese Behauptung, kommt eine Haftung des Beklagten nur wegen der Verletzung von Überwachungspflichten in Betracht. Ob solche bestanden, hat das OLG indes nicht erörtert.
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Der Kläger macht Schadensersatzansprüche wegen gescheiterter Investitionen in Tochtergesellschaften der E. C. AG mit Sitz in der Schweiz geltend. Der Beklagte war "Direktor" der Gesellschaft und Geschäftsführer der Tochtergesellschaften, die als Projektgesellschaften Immobilienprojekte durchführen sollten. Inzwischen sind die E. C. AG und die Projektgesellschaften insolvent. Keine dieser Gesellschaften verfügte über eine Erlaubnis zum Betrieb von Bankgeschäften. Am 6.4.2018 schloss der Kläger mit der E. C. AG einen "Beteiligungsvertrag" und investierte daraus resultierend 50.000 € in das Projekt "M. K.". Der Vertrag sah eine Laufzeit von 24 Monaten, eine Verpflichtung "zur vollständigen Rückzahlung der Investitionssumme bis spätestens zum Ende der vorgenannten Festlegungsfrist" und eine feste Verzinsung von 6 % p.a. vor. Die E. C. AG wurde beim Vertragsschluss durch K. B., Mitglied des Verwaltungsrats und Prokurist der Projektgesellschaften, vertreten.
Der Kläger behauptet, die E. C. AG sei eine reine Briefkastenfirma gewesen, die gesamte Geschäftstätigkeit sei über die deutschen Projektgesellschaften abgewickelt worden. Auf Vorgabe des Beklagten und des K. B. sei den Investoren eine feste Verzinsung zugesagt worden. Kerngeschäft der E. C. AG sei das Einsammeln von Geldern gewesen. Der Kläger begehrt Rückzahlung des von ihm investierten Betrags nebst Zinsen Zug um Zug gegen Abtretung seiner Rechte aus dem Beteiligungsvertrag sowie die Feststellung des Verzugs des Beklagten mit der Annahme dieser Rechte aus dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der E. C. AG. Der Beklagte verteidigt sich insbesondere damit, lediglich Direktor mit einem eingeschränkten Aufgabenbereich gewesen zu sein. Er sei als Architekt allein mit der Leitung und Überwachung der Bauprojekte von der technischen Seite befasst gewesen. Die Wahrnehmung von Aufgaben im finanziellen Bereich sei ihm nicht übertragen gewesen. Dementsprechend habe er keine Kenntnis von den Beteiligungsverträgen gehabt, die K. B. für die E. C. AG abgeschlossen habe.
LG und OLG gaben der Klage bis auf einen geringen Teil der Zinsen statt. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Das OLG ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG (in der hier maßgeblichen bis zum 11.8.2022 geltenden Fassung) ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB ist und dass die E. C. AG hiergegen verstoßen hat. Dagegen lässt sich auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht sicher beurteilen, ob der Beklagte für aus den Bankgeschäften der E. C. AG entstandene Schäden haftet.
Zutreffend hat das OLG zugrunde gelegt, dass derjenige, dass derjenige, der entgegen § 32 Abs. 1 KWG ohne entsprechende Erlaubnis Bankgeschäfte erbringt, sich bei fahrlässigem oder vorsätzlichem Handeln gem. § 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1, Abs. 2 KWG strafbar macht. Wirken die Geschäfte berechtigend und verpflichtend für eine juristische Person, so ist diese zivilrechtlich der Betreiber der Geschäfte; die strafrechtliche Verantwortlichkeit ergibt sich in diesen Fällen aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Sie trifft denjenigen, der in organschaftlicher Stellung für die juristische Person tätig ist. Daraus folgt, dass die objektive Organstellung allein nicht hinreichend ist, um eine Haftung zu begründen. Es bedarf zusätzlich des Verschuldens, § 276 BGB, das dementsprechend gesondert festgestellt werden muss. Zwar begründen die generelle Legalitätspflicht wie auch die Pflichten des Geschäftsleiters nach § 25a Abs. 1 Satz 2 KWG weitreichende Sorgfaltspflichten. Diese schließen eine Delegation von Aufgaben und damit eine Übertragung von Verantwortung jedoch nicht aus. So können etwa interne Zuständigkeitsregelungen in der Geschäftsleitung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zwar nicht zu einer Aufhebung, wohl aber zu einer Beschränkung der straf- und haftungs-rechtlichen Verantwortlichkeit führen.
Dies beruht auf dem Gedanken, dass der Geschäftsführer den ihm zukommenden Handlungspflichten für die Gesellschaft als Ganzes auf unterschiedliche Weise nachkommen kann. Auch durch organisatorische Maßnahmen kann er zur Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Pflichten beitragen, indem er etwa an einer Regelung mitwirkt, durch die jedem Geschäftsführer bestimmte Aufgaben zugewiesen werden. Durch eine derartige Aufteilung der Geschäfte wird die Verantwortlichkeit des nicht betroffenen Geschäftsführers nach innen und außen beschränkt, denn im Allgemeinen kann er sich darauf verlassen, dass der zuständige Geschäftsführer die ihm zugewiesenen Aufgaben erledigt. Doch verbleiben dem nicht betroffenen Geschäftsführer in jedem Fall kraft seiner Allzuständigkeit gewisse Überwachungspflichten, die ihn zum Eingreifen veranlassen müssen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Aufgaben durch den zuständigen Geschäftsführer nicht mehr gewährleistet ist.
Wie die interne Organisation der Gesellschaft ausgestaltet ist, entzieht sich in der Regel ebenso der Wahrnehmung des einzelnen Anlegers wie die Umstände, aus denen sich Anhaltspunkte ergeben können, die das Organ verpflichten, die Führung der Geschäfte auch außerhalb seines eigentlichen Verantwortungsbereichs näher zu kontrollieren und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, um deren Gesetzmäßigkeit sicherzustellen. Bezüglich dieser Umstände trifft daher das Organ nach allgemeinen Grundsätzen eine sekundäre Darlegungslast. Ob der Beklagte für die Bankgeschäfte der E. C. AG im Allgemeinen und den Vertragsschluss mit dem Kläger und seiner Ehefrau im Besonderen nach diesen Maßstäben verantwortlich war, ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des OLG offen. Das OLG hat lediglich festgestellt, dass der Beklagte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Organ der E. C. AG war. Zu dessen Behauptung, für den Abschluss von Verträgen nicht zuständig gewesen zu sein und von den Beteiligungsverträgen keine Kenntnis gehabt zu haben, hat es keine Feststellungen getroffen. Unterstellt man diese Behauptung, kommt eine Haftung des Beklagten nur wegen der Verletzung von Überwachungspflichten in Betracht. Ob solche bestanden, hat das OLG indes nicht erörtert.
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