Zur Haftungsfrage bei wettbewerbswidrigen Werbeanzeigen
BGH 5.2.2015, I ZR 136/13Die Beklagte ist eine Gesellschaft der Unternehmensgruppe Kaufland. Sie gibt die Zeitschrift "TIP der Woche" heraus, die hauptsächlich Werbeanzeigen für Produkte, die in Kaufland-Märkten erhältlich sind, publiziert Diese Märkte werden von anderen Gesellschaften der Kaufland-Gruppe betrieben. Daneben erscheinen in dem Blatt vereinzelt Anzeigen anderer Einzelhandelsgeschäfte und unterhaltende Beiträge wie Horoskope, Rätsel oder Prominentenporträts.
In den Ausgaben Oktober 2011 und Februar 2012 veröffentlichte die Beklagte Werbeanzeigen für Geschirrspülmaschinentabs und für Teigwaren. So waren unter der Überschrift "Ausgezeichnete Qualität für Ihre Spülmaschine" vier verschiedene Sorten von Geschirrspülmaschinentabs abgebildet. Im Vordergrund war die Packung der Tabs "fit Grüne Kraft ALLES in 1" und rechts davor - teilweise überlappend - die Packung des Produkts "fit Grüne Kraft CLASSIC" zu sehen. Davor war teilweise überschneidend mit der vorderen Packung - das Logo der Stiftung Warentest abgedruckt. Unter der Überschrift "Urlaub für zu Hause" waren drei Nudelprodukte mit der Bezeichnung "Buitoni" abgebildet. Im Vordergrund waren die Packungen der Nudeln "Buitoni Eliche" und - teilweise davon verdeckt - "Buitoni Gnocchi" zu sehen. Auch hierrüber war das Logo der Stiftung Warentest zu sehen. Diese hatte allerdings nur die Geschirrspültabs "fit GRÜNE KRAFT CLASSIC" und die Nudeln "Buitoni Eliche" untersucht und bewertet.
Der Kläger, der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, sah die Werbeanzeigen als irreführend an. Er war der Ansicht, der Verbraucher werde aufgrund der konkreten Anordnung des Logos der Stiftung Warentest den unzutreffenden Eindruck gewinnen, dass nicht nur die Produkte "fit GRÜNE KRAFT CLASSIC" und "Buitoni Eliche", sondern auch die Produkte "fit GRÜNE KRAFT ALLES in 1" und "Buitoni Gnocchi" von der Stiftung wie beim Logo dargestellt untersucht und bewertet worden seien. Das LG gab der Unterlassungsklage statt. Berufung und Revision der Beklagten blieben erfolglos.
Gründe:
Dem Kläger standen die Unterlassungsansprüche nach §§ 3, 5 Abs. 1 S. 1 u. 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1 u. 3 Nr. 3 UWG zu, weil die Werbeanzeigen irreführende geschäftliche Handlungen waren und die Beklagte für diese Anzeigen wettbewerbsrechtlich verantwortlich war.
Eine geschäftliche Handlung ist gem. § 5 Abs. 1 S. 1 u. 2 Nr. 1 UWG irreführend, wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware enthält. Dazu gehören auch die Ergebnisse von Warentests. Für die Frage, wie eine Werbung verstanden wird, ist die Sichtweise des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers maßgebend, der einer Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt. Bei geringwertigen Gegenständen des täglichen Bedarfs oder beim ersten Durchblättern von Werbebeilagen oder Zeitungsanzeigen ist seine Aufmerksamkeit regelmäßig eher gering, so dass er die Werbung eher flüchtig zur Kenntnis nehmen wird. Der Durchschnittsverbraucher wird das Blatt "TIP der Woche" regelmäßig nur beiläufig durchblättern und die Werbeanzeigen lediglich flüchtig wahrnehmen.
Die Vorinstanzen waren davon ausgegangen, dass ein erheblicher Teil der Verbraucher auch die "Gnocchi"-Nudeln als von den Untersuchungen der Stiftung Warentest erfasste Spiralnudeln einordnet. Diese tatrichterliche Beurteilung ließ keinen Rechtsfehler erkennen. Ein die Werbeanzeige situationsadäquat flüchtig betrachtender Verbraucher wird die genaue Ausformung der durch die teilweise durchsichtige Verpackung wahrnehmbaren "Gnocchi"-Nudeln nicht ohne weiteres bemerken und kann diese Nudeln deshalb für spiralförmig halten. Ebenso wird sich ihm nicht der Gedankengang aufdrängen, dass es sich bei als "Gnocchi" bezeichneten Teigwaren üblicherweise nicht um Spiralnudeln handelt und die so bezeichneten Produkte deshalb nicht von der Stiftung Warentest überprüft worden sein können.
Ohne Erfolg machte die Revision geltend, die Vorinstanzen hätten nicht berücksichtigt, dass die Beklagte nach den Grundsätzen der eingeschränkten Haftung der Presse für wettbewerbswidrige Anzeigen ihrer Inserenten nicht auf Unterlassung in Anspruch genommen werden könne. In den Schutzbereich der Pressefreiheit sind zwar nicht nur Presseerzeugnisse im herkömmlichen Sinne einbezogen, sondern auch Zeitschriften, die neben Werbung zumindest auch unterhaltende Beiträge wie Horoskope, Rätsel oder Prominentenporträts enthalten.
Der Schutzumfang der Pressefreiheit ist jedoch umso geringer, je weniger ein Presseerzeugnis der Befriedigung eines Informationsbedürfnisses von öffentlichem Interesse oder der Einwirkung auf die öffentliche Meinung dient und je mehr es eigennützige Geschäftsinteressen wirtschaftlicher Art verfolgt. Danach kann sich ein Presseunternehmen grundsätzlich nicht mit Erfolg auf die Grundsätze der eingeschränkten Haftung der Presse für wettbewerbswidrige (hier i.S.v. § 5 UWG irreführende) Werbeanzeigen Dritter berufen, wenn die fragliche Zeitschrift keinen nennenswerten meinungsbildenden Bezug hat, sondern nahezu ausschließlich Werbung enthält.
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