Zur Inanspruchnahme des Treuhandgesellschafters einer Fondsgesellschaft wegen fehlerhafter Anlageberatung auf Grundlage eines mängelbehafteten Fondsprospekts
KG Berlin 11.5.2015, 2 U 5/15Der Kläger macht gegen die Beklagte als Gründungsgesellschafterin und Treuhandkommanditistin Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an einem Medienfonds geltend. Er wendet sich gegen die Abweisung seiner Klage durch das LG Berlin als unzulässig wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit.
Auf Vermittlung des Anlageberaters P beteiligte sich der Kläger im November 2004 als Direktkommanditist mit einer Einlage i.H.v. 100.000 € an einer GmbH & Co. KG (Fondsgesellschaft) mit Verwaltungssitz in G im Bezirk des LG München I. Für die Vermarktung der Fondsbeteiligungen war von der P-AG (mittlerweile aus dem Handelsregister gelöscht), die ihren Sitz ebenfalls in G hatte, ein Fondsprospekt erstellt worden. Danach übernahm die Beklagte - mit Sitz in Berlin - die Funktion einer Treuhandkommanditistin und eines Mittelverwendungskontrolleurs. Sie sollte die Gesellschaftsanteile der als Direktkommanditisten an der Fondsgesellschaft zu beteiligenden Anleger zunächst in eigener Person begründen und sodann auf diese übertragen und treuhänderisch verwalten. Im Zeitpunkt des Fondsbeitritts des Klägers war die Beklagte als Kommanditistin mit einer Einlage von 1.000 € im Handelsregister eingetragen.
Der Kläger hat vorgetragen, der P habe ihm im Rahmen des Beratungsgesprächs im November 2004 die Beteiligung an der Fondsgesellschaft besonders empfohlen. Er habe - unter Hinweis auf die Darstellung im Prospekt - insbesondere die beim Fonds in Form des Treuhand- und Mittelverwendungskontrollvertrags vorhandenen speziellen Sicherungsmechanismen betont. Über die sonstigen Einzelheiten des Prospekts habe dieser ihn nicht aufgeklärt und auch die anfallenden Vertriebskosten i.H.v. über 15 Prozent der Zeichnungssumme nicht erwähnt. Den mit der Klage geltend gemachten Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte stützt der Kläger u.a. auf die von vornherein fehlerhafte Kalkulation der Erlöszahlungen und der daraus errechneten Rendite in dem Fondsprospekt. Ferner sei im Fondsprospekt in verharmlosender und damit irreführender Weise auf das Risiko eines Totalverlustes des investierten Kapitals hingewiesen worden.
Das LG Berlin wies die auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz und Feststellung gerichtete Klage als unzulässig ab. Auf die Berufung des Klägers, mit der er erstmals hilfsweise einen Antrag auf Verweisung an das zuständige Gericht stellte, hob das KG das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an das örtlich zuständige LG München I. Die Revision wurde zugelassen.
Die Gründe:
Das LG hat die Klage zu Recht mangels örtlicher Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen, da gem. § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO das LG München I ausschließlich örtlich zuständig ist. Aufgrund des erstmals in der Berufungsinstanz vom Kläger hilfsweise gestellten Verweisungsantrags war das Rechtsmittel nicht zurückzuweisen, sondern der Rechtsstreit gem. § 281 Abs. ZPO - unter Aufhebung des rechtsfehlerfrei ergangenen Urteils des LG - an das sachlich und örtlich zuständige LG München I zu verweisen.
Der vorgelegte Emissionsprospekt der Fondsgesellschaft stellt eine öffentliche Kapitalmarktinformation i.S.d. für die Abgrenzung einschlägigen § 1 Abs. 2 S. 1 KapMuG dar. Denn er enthält Informationen über Tatsachen, Umstände, Kennzahlen und sonstige Unternehmensdaten, die für eine Vielzahl von Kapitalanlegern bestimmt sind und einen Anbieter von sonstigen Vermögensanlagen betreffen. Der Kläger macht einen Schadensersatzanspruch wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformation i.S.d. § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO geltend. Entgegen seiner Darstellung in der Berufungsbegründung stützt der Kläger seinen Anspruch gegen die Beklagte nicht allein auf eine - prospektunabhängig - fehlerhafte Beratung durch den Anlagevermittler P, sondern auch auf die unzutreffende bzw. unzulängliche Beschreibung der mit einer Beteiligung an der Fondsgesellschaft verbundenen Risiken im Prospekt.
Den Vortrag des Klägers als zutreffend unterstellt, käme eine Haftung der Beklagten für etwaige fehlerhafte Prospektangaben auch gegenüber dem Kläger in Betracht. Der Anwendbarkeit des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO steht vorliegend nicht entgegen, dass der Kläger neben der Beklagten, die ihren Sitz in Berlin hat, nicht auch den Emittenten, den Anbieter oder die Zielgesellschaft verklagt hat. Dass der Kläger seine Klage auch auf eine fehlerhafte Beratung des Anlagevermittlers jenseits der geltend gemachten Prospektfehler stützt, welche nach seiner Auffassung der Beklagten ebenfalls nach § 278 BGB zuzurechnen ist, schließt die Geltung des § 32b ZPO nicht aus, da nach dem Rechtsgedanken des § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten entscheidet.
Ausschließlicher Gerichtsstand gem. § 32b Abs. 1 ZPO ist vorliegend München, weil dort die P-AG ihren Sitz hatte. Diese ist als Emittentin oder Anbieterin der streitgegenständlichen Vermögensanlage anzusehen, denn ausweislich des Impressums hat sie den für die Vermarktung der Beteiligungen an der Fondsgesellschaft herausgegebenen Prospekt "erstellt". Daher ist davon auszugehen, dass sie die Vermögensanlage erstmals auf den Markt gebracht und für ihre Rechnung unmittelbar oder durch Dritte öffentlich zum Erwerb angeboten hat.
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