Zur Insolvenz einer an einem Cash-Pool teilnehmenden Gesellschaft und zur Insolvenzanfechtung gegenüber der kontoführenden Bank
BGH 13.6.2013, IX ZR 259/12Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 22.11.2007 am 1.2.2008 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der L-GmbH (Schuldnerin). Er nimmt die beklagte Bank im Wege der Insolvenzanfechtung auf Rückgewähr von Geldbeträgen in Anspruch, die diese in Vollzug einer Cash-Pool-Vereinbarung zu Lasten des Kontos der Schuldnerin abgebucht hat. Die Schuldnerin gehörte zu einer Textilgruppe, deren Gesellschaften bei der Beklagten Kontokorrentkonten unterhielten. Aufgrund einer Vereinbarung mit der beklagten Bank bezog die Textilgruppe alle diese Konten in ein Cashpooling-Verfahren ein, bei dem vom Zielkonto des Cashpools, dem Konto der M-GmbH, fortlaufend Geldbeträge auf die Konten der anderen Gesellschaften überwiesen und von dort zugunsten des Zielkontos abgezogen wurden, so dass am Anfang und am Ende eines jeden Tages alle anderen Konten einen Saldo von 0 € aufwiesen.
In dem Zeitraum vom 22.10. bis 21.11.2007 überstiegen die Zahlungseingänge auf dem Konto der Schuldnerin ohne Berücksichtigung der Umbuchungen zugunsten des Zielkontos die Zahlungsausgänge um rd. 162.000 €. Mit Vertrag vom 13.5.2005 hatte die Beklagte den Gesellschaften der Textilgruppe einen Kontokorrentkredit von 2,35 Mio. € eingeräumt, über den jede der Gesellschafen verfügen durfte, zusammen jedoch nur bis zu der eingeräumten Höchstgrenze. Sämtliche Gesellschaften hafteten hiernach für die jeweilige Inanspruchnahme einschließlich etwaiger Überziehungen über den Kreditrahmen hinaus als Gesamtschuldner. Mit Schreiben vom 22.11.2007 kündigte die Beklagte sämtliche Konten und Kreditlinien. Am 22.8.2007 wies das Zielkonto einen Sollstand von rd. 390.000 € auf, am 22.10.2007 von 1,59 Mio. €, am 22.11.2007 von 3,5 Mio. € und am 29.11.2007 von 3,9 Mio. €.
Der Kläger hält die einzelnen Verrechnungen auf dem Konto der Schuldnerin für inkongruent und gem. § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar. Die Beklagte habe damit eine Rückführung der Kreditverbindlichkeiten der Schuldnerinnen vorgenommen, worauf sie mangels Kündigung des Kredits kein Anspruch gehabt habe. Es komme allein darauf an, dass die Haben- die Belastungsbuchungen auf dem Konto der Schuldnerin überstiegen hätten. Die Umbuchungen im Rahmen des Cashpools seien unbeachtlich, weil sie zwischen insolvenzrechtlich selbständigen Unternehmen vorgenommen worden seien. Der Kläger behauptet, die Schuldnerin sei spätestens am 1.10.2007 zahlungsunfähig gewesen. Spätestens seit 15.10.2007 habe die Beklagte Kenntnis von Umständen gehabt, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin schließen ließen. Es könne gem. § 667 BGB die Auskehr der auf dem Schuldnerkonto zunächst gutgeschriebenen Beträge beziehungsweise die Differenz aus Haben- und Belastungsbuchungen i.H.v. jedenfalls rd. 118.000 € verlangt werden.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der Kläger kann wegen der Übertragung der auf dem Konto der Schuldnerin eingegangenen Guthabenbeträge auf das Zielkonto keine Anfechtungsansprüche gegen die Beklagte geltend machen, weil diese insoweit lediglich als Leistungsmittlerin tätig geworden ist.
Durch die auf dem Konto der Schuldnerin erfolgten Gutschriften war die Beklagte zur Schuldnerin der späteren Insolvenzschuldnerin geworden. Eine Deckungsanfechtung scheidet insoweit schon deshalb aus, weil die Beklagte keine Insolvenzgläubigerin der Schuldnerin war. Sie hat durch die Gutschriften und die Weiterleitung der Zahlungseingänge auf das Zielkonto weder eine Sicherung noch eine Befriedigung einer Insolvenzforderung erlangt. Sollte an einem Tag durch Belastungsbuchungen auf dem am Tagesanfang auf null stehenden Konto ein Debet angewachsen sein, hatte die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen gem. § 670 BGB, der durch Abbuchung vom Zielkonto ausgeglichen wurde. Diese Deckung war kongruent, weil sie der Cash-Pool-Vereinbarung entsprach, und als Bargeschäft gem. § 142 InsO nicht anfechtbar. Ein Kontokorrentkredit war der Schuldnerin auf ihrem Konto nicht eingeräumt. Deshalb kann die Rechtsprechung des Senats zur Anfechtbarkeit von Gutschriften im ungekündigten Kontokorrentkredit hier keine Anwendung finden.
Für die Übertragung der Gutschriften auf ihrem Konto im Rahmen der Cashpool-Vereinbarung auf das Zielkonto der M-GmbH hat sich die Schuldnerin der Beklagten als Leistungsmittlerin bedient. Hat der Schuldner eine solche Zwischenperson eingeschaltet, die für ihn im Wege einer einheitlichen Handlung eine Zuwendung an einen Dritten bewirkt und damit zugleich unmittelbar das den Insolvenzgläubigern haftende Vermögen vermindert, richtet sich die Deckungsanfechtung allein gegen den Dritten als Empfänger, wenn es sich für diesen erkennbar um eine Leistung des Schuldners handelte. Da mittelbare Zuwendungen so zu behandeln sind, als habe der befriedigte Gläubiger unmittelbar von dem Schuldner erworben, findet die Deckungsanfechtung nicht gegenüber dem Leistungsmittler, sondern allein gegen den Leistungsempfänger, hier die M-GmbH, statt. Für die M-GmbH war erkennbar, dass die Schuldnerin durch die Übertragung der Gutschriften mittels der Beklagten ihrer Verpflichtung aus der Cashpool-Vereinbarung nachkam. Eine Anfechtung nach §§ 130, 131 InsO scheidet deshalb auch aus diesem Grund aus.
Eine Anfechtung gegenüber der Beklagten als Leistungsmittlerin wäre lediglich nach § 133 Abs. 1 InsO unter engen Voraussetzungen möglich. Diese Voraussetzungen hat der Kläger nicht dargetan. Der Kläger kann den von ihm geltend gemachten Anspruch auch nicht auf die Herstellung der Aufrechnungslage durch die Gutschriften auf dem Zielkonto der M-GmbH als Poolführerin stützen. Durch die Umbuchungen auf das Zielkonto erfüllte die Schuldnerin allein ihre Verpflichtungen aus der Cash-Pool-Vereinbarung gegenüber der Poolführerin. Sie erbrachte damit nicht auch eine Leistung an die Beklagte. Die Verrechnung auf dem Zielkonto beruhte ausschließlich auf der Kontokorrentabrede zwischen der Poolführerin als Kontoinhaberin und der Beklagten. Auf diesem Konto wurde nur von der Poolführerin Kredit in Anspruch genommen. Hinsichtlich dieses Kontos hatte die Schuldnerin keine unmittelbaren Befugnisse; weder konnte sie das Konto betreffende Verpflichtungen eingehen noch Verfügungen treffen.
Den Kredit hatte die Beklagte zwar allen Gesellschaften der Textilgruppe mit Darlehensvertrag vom 13.5.2005 eingeräumt. Auch die Schuldnerin haftete hierfür in vollem Umfang als Gesamtschuldnerin. Durch die vereinbarungsgemäße Verrechnung der Gutschriften auf dem Zielkonto wurde deshalb der Verfügungsrahmen der Textilgruppe aus dem Darlehensvertrag erweitert. Die Zahlungen der Schuldnerin an die Poolführerin stellten gleichwohl keine mittelbaren Zuwendungen an die Beklagte dar. Dafür ist zwar ausreichend, dass der Gegenwert für das, was über die Mittelsperson an den Leistungsempfänger gelangt, aus dem Vermögen des Leistenden stammt. Die Poolführerin war jedoch nicht Leistungsmittlerin der Schuldnerin. Als Leistungsmittlerin kann nur eine Person angesehen werden, die der Schuldner einschaltet, damit sie für ihn eine Zuwendung an einen Dritten bewirkt. Für den Dritten muss es sich erkennbar um eine Leistung des Schuldners handeln. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, weil sich die Schuldnerin nicht der Poolführerin bedient hat, um eine Leistung an die Beklagte zu erbringen. Vielmehr war die Beklagte als bloße Leistungsmittlerin der Poolführerin tätig, das heißt als deren Zahlstelle.
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