12.07.2011

Zur Möglichkeit der Leistungsklage ausgeschiedener Gesellschafter wegen schlüssig begründeter fälliger Abfindungsansprüche

Ist der aus einer Personengesellschaft ausgeschiedene Gesellschafter imstande, die Höhe seines Abfindungsanspruchs schlüssig zu begründen, so kann er nach dem Verstreichen der vertraglich vereinbarten Fälligkeitszeitpunkte im Regelfall auf Leistung klagen. Im Rahmen dieser Zahlungsklage ist der Streit darüber auszutragen, ob und in welcher Höhe bestimmte Aktiv- oder Passivposten bei der Berechnung des Abfindungsguthabens zu berücksichtigen sind.

BGH 17.5.2011, II ZR 285/09
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Steuerberater, die Beklagten sind Rechtsanwälte. Die Parteien schlossen sich mit Vertrag vom 3.3.2000 zu einer überörtlichen Sozietät mit zwei Kanzleistandorten zusammen. Der Sozietätsvertrag enthält folgende Regelungen:
"§ 18 Dauer des Vertrages, Kündigung
(7) Ausgeschiedene Vertragspartner haben einen Abfindungsanspruch in Höhe ihres Anteils am tatsächlichen Kanzleiwert zum Zeitpunkt des Ausscheidens. Die Abfindung ist in 5 gleichen Jahresraten zu zahlen, fällig jeweils am 1.1. des auf das Ausscheiden folgenden Kalenderjahres.
(8) Der Kanzleiwert bemisst sich nach dem Umsatz des letzten vor der Kündigung endenden Kalenderjahres."

Im Mai 2003 schied der Kläger aus der Sozietät aus. Von dem von ihm errechneten Abfindungsanspruch i.H.v. 126.274 € machte er mit seiner im Dezember 2004 erhobenen Klage zunächst die erste Rate i.H.v. 25.254 € geltend. Im weiteren Verlauf erklärte der Kläger den Rechtsstreit in Höhe eines Teilbetrages von 1.844 € einseitig für erledigt und stützte seinen Zahlungsanspruch hilfsweise auf die weiteren Abfindungsraten. Die Parteien streiten über die Berechnung des Abfindungsanspruchs und seine Durchsetzbarkeit. Hilfsweise erklärten die Beklagten die Aufrechnung mit mehreren Gegenforderungen.

Das LG wies die Klage ab. Das OLG gab ihr überwiegend statt und verurteilte die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 23.410 € nebst Zinsen. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil insoweit auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Die Annahme des OLG, dem Zahlungsanspruch des Klägers könne ohne Befassung mit den gegen ihn gerichteten Gegenansprüchen entsprochen werden, ist rechtsfehlerhaft.

Nach ständiger BGH-Rechtsprechung führt die Auflösung einer GbR ebenso wie das Ausscheiden eines Gesellschafters grundsätzlich dazu, dass ein Gesellschafter die ihm gegen die Gesellschaft und die Mitgesellschafter zustehenden Ansprüche nicht mehr selbständig im Wege der Leistungsklage durchsetzen kann (Durchsetzungssperre). Diese sind vielmehr als unselbständige Rechnungsposten in die Schlussrechnung aufzunehmen, deren Saldo ergibt, wer von wem noch etwas zu fordern hat. Einzelansprüche können allerdings davon abweichend dann gesondert verfolgt werden, wenn sich aus dem Sinn und Zweck der gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen ergibt, dass sie im Falle der Auflösung der Gesellschaft oder des Ausscheidens eines Gesellschafters ihre Selbständigkeit behalten sollen. Diese Voraussetzung ist hier aber nicht erfüllt.

Der Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters richtet sich grundsätzlich auf das sich aus einer Abfindungsrechnung ergebende Auseinandersetzungsguthaben. Dieses berechnet sich zwar auf der Basis des anteiligen Unternehmenswerts. Es sind aber, sofern vorhanden, auch sonstige, nicht unternehmenswertbezogene gegenseitige Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis als Rechnungsposten einzustellen. Treffen die Gesellschafter - wie hier - im Gesellschaftsvertrag bestimmte Regelungen darüber, wie der Wert des Gesellschaftsanteils im Hinblick auf die Berechnung des Abfindungsanspruchs ermittelt werden soll, kann ohne weitere Anhaltspunkte nicht angenommen werden, damit solle auf die Berücksichtigung sonstiger an sich in eine Abfindungsrechnung einzustellender gegenseitiger Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis verzichtet werden.

Der Umstand, dass der Sozietätsvertrag die Fälligkeit der Abfindungsraten zu bestimmten Zeitpunkten vorsieht, führt gleichfalls nicht zu der Auslegung, der Abfindungsanspruch, der mit dem Ausscheiden des Gesellschafters entsteht, sei von der Durchsetzungssperre ausgenommen. Die vertragliche Vereinbarung bestimmter Fälligkeitszeitpunkte hat lediglich zur Folge, dass der ausgeschiedene Gesellschafter, der die Höhe seines Anspruchs schlüssig begründen kann, im Regelfall nach dem Verstreichen der vertraglich vereinbarten Fälligkeitszeitpunkte auf Leistung klagen kann und im Rahmen dieser Zahlungsklage der Streit darüber auszutragen ist, ob und in welcher Höhe bestimmte Aktiv- oder Passivposten bei der Berechnung des Abfindungsguthabens zu berücksichtigen sind.

Das Berufungsurteil war daher aufzuheben. Das OLG hat nun unter Berücksichtigung der von den Beklagten geltend gemachten Gegenansprüche zu ermitteln, ob und ggf. in welcher Höhe dem Kläger ein Abfindungsanspruch zusteht. Für das weitere Verfahren ist zu beachten, dass die Annahme des OLG, der Kläger müsse sich auf seinen Abfindungsanspruch (lediglich) diejenigen Steuerberatungsmandate anrechnen lassen, die er tatsächlich weitergeführt habe, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

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