Zur Notifizierungspflicht von Zuwendungen eines Landkreises an eine Kreisklinik bei der Europäischen Kommission
BGH 24.3.2016, I ZR 263/14Der Kläger ist der Bundesverband Deutscher Privatkliniken, der mehr als 1.000 private Krankenhäuser vertritt. Der Beklagte, der Landkreis Calw, ist Gesellschafter der Kreiskliniken Calw gGmbH, die Krankenhäuser in Calw und Nagold betreibt. Diese Kreiskrankenhäuser sind in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg aufgenommen und vom Beklagten am 22.4.2008 und 19.12.2013 mit der Erbringung medizinischer Versorgungsleistungen als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut worden.
Nachdem der Jahresabschluss der Kreiskliniken Calw für das Jahr 2011 einen Fehlbetrag von mehr als 3 Mio. € und derjenige für das Jahr 2012 einen Fehlbetrag von mehr als 6 Mio. € ausgewiesen hatten, fasste der Kreistag des Beklagten im Jahr 2012 den Beschluss, die Verluste der Kreiskliniken für die Jahre 2012 bis 2016 auszugleichen. Außerdem gewährte er in den Jahren 2010 bis 2012 den Kreiskliniken Ausfallbürgschaften zur Absicherung von Investitionsdarlehen, ohne hierfür Avalzinsen zu verlangen, und Investitionszuschüsse.
Der Kläger sieht in den Zuwendungen des Beklagten an die Kreiskliniken Calw staatliche Beihilfen, die mangels Anmeldung (Notifizierung) bei der Kommission rechtswidrig seien. Er hat den Beklagten auf Unterlassung des Verlustausgleichs für die Jahre 2012 bis 2016, der Übernahme von Bürgschaften und der Gewährung von Investitionszuschüssen in Anspruch genommen. Der Beklagte hat eingewandt, die Zuwendungen seien nicht notifizierungspflichtig, weil sie dem Ausgleich von Kosten für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse dienten, mit denen er die Kreiskliniken betraut habe.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Das OLG hat dabei offen gelassen, ob die Zuwendungen des Beklagten an die Kreiskliniken staatliche Beihilfen darstellen. Selbst wenn dies der Fall wäre, verstießen sie nicht gegen das Verbot des Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV, staatliche Beihilfen ohne vorherige Anmeldung bei der Kommission zu gewähren. Die Zuwendungen seien gem. Art. 106 Abs. 2 AEUV für die Erbringung von Dienstleistungen im allgemeinen Interesse erforderlich und deshalb nach der Freistellungsentscheidung 2005/842/EG der Kommission von der Notifizierungspflicht befreit.
Auf die Revision des Klägers hob der BGH die Berufungsentscheidung auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück, soweit sich der Kläger gegen den Ausgleich der Verluste der Kreiskliniken für die Jahre 2012 und 2013 wendet. Im Übrigen wies der BGH die Revision zurück.
Die Gründe:
Die Zuwendungen des Beklagten an die Kreiskliniken sind von der Notifizierungspflicht freigestellt, soweit sie auf der Grundlage des seit dem 1.1.2014 wirksamen Betrauungsakts vom 19.12.2013 gewährt werden.
Die Leistungen des Beklagten dienen der Aufrechterhaltung des Betriebs der defizitär arbeitenden Krankenhäuser Calw und Nagold. Bei den medizinischen Versorgungsleistungen der Kreiskrankenhäuser handelt es sich um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. Aus der Aufnahme der Krankenhäuser Calw und Nagold in den Krankenhausplan ergibt sich, dass ihr Betrieb zur bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung notwendig ist. Als Landkreis hat der Beklagte den Betrieb der Kreiskrankenhäuser nach § 3 Abs. 1 und § 7 Abs. 1 des Landeskrankenhausgesetzes Baden-Württemberg sicherzustellen.
Der Betrauungsakt vom 22.4.2008 führt allerdings nicht zu einer Freistellung von der Pflicht des Beklagten, die Zuwendungen bei der Kommission anzumelden. Er genügt nicht den Transparenzanforderungen, die in der Freistellungsentscheidung 2005/842/EG der Kommission vorgesehen sind. Die Parameter für die Berechnung der Ausgleichsleistungen sind nur unzureichend ausgewiesen. Dagegen erfüllt der Betrauungsakt vom 19.12.2013 sämtliche Transparenzanforderungen.
Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann deshalb nicht angenommen werden, dass der vom Beklagten beschlossene Verlustausgleich bei den Kreiskliniken für die Jahre 2012 und 2013 von der Notifizierungspflicht bei der Kommission befreit ist. Das OLG hat daher nunmehr zu prüfen, ob es sich bei den Zuwendungen des Beklagten um staatliche Beihilfen handelt.
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