23.11.2023

Zur Notwendigkeit einer Doppelvertretung im Patentnichtigkeitsverfahren

Die Ankündigung einer gerichtlichen Inanspruchnahme aus dem mit einer Nichtigkeitsklage angegriffenen Patent lässt bei typisierender Betrachtung noch nicht die Schlussfolgerung zu, dass eine Doppelvertretung durch einen Patentanwalt und einen Rechtsanwalt zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nichtigkeitsverfahren notwendig ist. Nichts anderes gilt für die Hinterlegung einer Schutzschrift durch den Nichtigkeitskläger und eine gegen Mitarbeiter des Nichtigkeitsklägers gestellte Strafanzeige wegen Patentverletzung

BGH v. 7.11.2023 - X ZB 7/21
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines im erstinstanzlichen Patentnichtigkeitsverfahren mitwirkenden Rechtsanwalts. Das BPatG erklärte das angegriffene Patent für nichtig und erlegte der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auf. Im Kostenfestsetzungsverfahren ließ die Rechtspflegerin die Kosten für den mitwirkenden Rechtsanwalt (rd. 10.000 €) unberücksichtigt. Die hiergegen gerichtete Erinnerung der Klägerin wies das BPatG zurück.

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das BPatG hat die Kosten für die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Streitfall zu Recht als nicht erstattungsfähig angesehen.

Im Nichtigkeitsverfahren neben einem Patentanwalt einen Rechtsanwalt zu beauftragen, ist nicht schlechthin als notwendige Maßnahme der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung i.S.v. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO anzusehen. Vielmehr müssen zusätzliche Umstände vorliegen, aus denen sich die Notwendigkeit ergibt. Hierbei ist grundsätzlich eine typisierende Betrachtung geboten. Danach sind die Kosten einer bestimmten Maßnahme grundsätzlich erstattungsfähig, wenn bestimmte Umstände vorliegen, die typischerweise den Schluss zulassen, dass diese Maßnahme zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war. Die Zuziehung eines Rechtsanwalts neben einem Patentanwalt ist danach typischerweise als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO anzusehen, wenn zeitgleich mit dem Nichtigkeitsverfahren ein das Streitpatent betreffender Verletzungsrechtsstreit anhängig ist, an dem die betreffende Partei oder ein mit ihr wirtschaftlich verbundener Dritter beteiligt ist. Dies beruht auf dem in aller Regel vorliegenden Interesse der Partei, ihr Vorbringen in beiden Verfahren aufeinander abzustimmen.

Die Ankündigung einer gerichtlichen Inanspruchnahme aus dem mit der Nichtigkeitsklage angegriffenen Patent lässt bei typisierender Betrachtung noch nicht die Schlussfolgerung zu, dass eine Doppelvertretung durch einen Patentanwalt und einen Rechtsanwalt zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nichtigkeitsverfahren notwendig ist. Anders als bei einem anhängigen Verletzungsprozess mit Vertretungszwang nach § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO besteht im Falle einer Berechtigungsanfrage oder von Vergleichsverhandlungen keine Pflicht zur Vertretung durch einen Rechtsanwalt, die einen Abstimmungsbedarf begründet. Ein Abstimmungsbedarf ergibt sich auch nicht daraus, dass es später zu einem Verletzungsrechtsstreit kommen könnte. Äußerungen, die im Vorfeld eines Rechtsstreits ausgetauscht werden, haben im späteren Rechtsstreit in aller Regel keine bindende oder beschränkende Wirkung, selbst wenn sie dort als Vorkorrespondenz eingeführt werden.

Für die Hinterlegung einer Schutzschrift gilt nichts anderes. Eine Schutzschrift muss nicht notwendig durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden. Sie erfolgt zudem ebenfalls im Vorfeld eines möglichen Gerichtsverfahrens und führt typischerweise nicht zur Bindung in einem späteren Verfahren, dessen konkreter Gegenstand und konkreten Argumentationslinien noch offen sind. Eine wegen Patentverletzung gestellte Strafanzeige gegen Mitarbeiter des Nichtigkeitsklägers begründet ebenfalls keinen Tatbestand, der typischerweise die Notwendigkeit einer Doppelvertretung im Nichtigkeitsverfahren begründet.

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Herget in Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024
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