23.06.2017

Zur Prospekthaftung im weiteren Sinne bei einer Publikumspersonengesellschaft

Bei einer Publikumspersonengesellschaft ist eine Haftung wegen Prospekthaftung im weiteren Sinne insoweit ausgeschlossen, als sie sich gegen Altgesellschafter richten würde, die nach der Gründung der Gesellschaft rein kapitalistisch als Anleger beigetreten sind.

BGH 9.5.2017, II ZR 344/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger beteiligte sich mit Beitrittserklärung vom 14.12.2004 als Direktkommanditist mit einer Einlage von 70.000 € zzgl. 3 % Agio an der E. P. M. GmbH & Co. KG III, einer zu einer Serie von Filmfonds gehörenden Publikumsgesellschaft. Der Kläger zahlte entsprechend dem Fremdfinanzierungskonzept des Fonds zunächst lediglich 50 % der Einlage auf das Mittelverwendungskonto der KG. In das Handelsregister wurde er mit einer Hafteinlage i.H.v. 103 % der gezeichneten Einlage eingetragen. Die andere Hälfte der Einlagen sollte in den Jahren 2009 bis 2011 von den Kommanditisten durch Verrechnung mit in diesen Jahren geplanten Gewinnausschüttungen geleistet werden.

Die Fondgesellschaft beabsichtigte noch im Jahr 2004, durch bankverbürgte Erlöszahlungen besicherte Darlehen i.H.v. ca. 50 % des gesamten Fondsvolumens aufzunehmen und neben den gezahlten Einlagen für Filmproduktions- und Produktionsnebenkosten zu verwenden. Die Beklagte war Treuhandkommanditistin mit einer eigenen Einlage i.H.v. 1.000 €. Am 29.9.2004 wurde sie als Kommanditistin in das Handelsregister eingetragen. Die Beklagte war zugleich von März 2004 bis zum August 2011 Mittelverwendungskontrolleurin. Für ihre Tätigkeit erhielt die Beklagte eine jährliche Vergütung i.H.v. 0,1 % des Kommanditkapitals.

Mit Bescheid vom 18.7.2014 wurde die Einkommensteuer des Klägers für 2004 neu festgesetzt. Das Finanzamt hatte die Verluste in Höhe des von der Gesellschaft aufgenommenen Fremdkapitals aberkannt, weil insoweit keine Darlehen, sondern Zuwendungen des amerikanischen Kooperationspartners vorgelegen hätten. Der Kläger wurde deshalb zu einer Steuernachforderung veranlagt. Diese enthielt einen Zinsanteil i.H.v. rd. 7.550 €. Der Kläger begehrt im Wesentlichen wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten die Zahlung von rd. 56.500 € sowie die Feststellung der Freistellung von sämtlichen Verpflichtungen, die ihm durch die Zeichnung seiner Kommanditbeteiligung entstanden sind und noch entstehen werden, Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte an der Kommanditgesellschaft.

Das LG wies die Klage ab. Das OLG gab ihr teilweise statt, verurteilte die Beklagte im Wesentlichen zur Zahlung von rd. 38.000 € nebst Zinsen und Rechtsverfolgungskosten Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte des Klägers aus der Beteiligung an der Kommanditgesellschaft und stellte die Freistellungsverpflichtung fest. Auf die Revision der Beklagten und unter Zurückweisung der Anschlussrevision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist, und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Die vom OLG gegebene Begründung trägt den zuerkannten Anspruch des Klägers aus Prospekthaftung im weiteren Sinne nicht. Da das OLG von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend keine Feststellungen zu den weiteren von dem Kläger behaupteten Aufklärungsmängeln getroffen hat, war die Sache dorthin zurückzuverweisen.

Das OLG ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte aus Verschulden bei Vertragsschluss (Prospekthaftung im weiteren Sinne) gegenüber Kapitalanlegern haftet, die wie der Kläger nach ihr dem Fonds beigetreten und dabei über die Risiken der Anlage nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden sind. Die Prospekthaftung im weiteren Sinne ist ein Anwendungsfall der Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss nach § 280 Abs. 1, 3, §§ 282, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB. Danach obliegen dem, der selbst oder durch einen Verhandlungsgehilfen einen Vertragsschluss anbahnt, Schutz- und Aufklärungspflichten gegenüber seinem Verhandlungspartner, bei deren Verletzung er auf Schadensersatz haftet.

Bei einer Publikumspersonengesellschaft wie hier ist eine Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss insoweit ausgeschlossen, als sie sich gegen Altgesellschafter richten würde, die nach der Gründung der Gesellschaft rein kapitalistisch als Anleger beigetreten sind. Wie das OLG zutreffend ausgeführt hat, fällt die Beklagte nicht unter diese Ausnahme. Die Beklagte war schon Gesellschafterin, als sich der Kläger als Anleger an der Fondsgesellschaft beteiligt hat. Anders als rein kapitalistische Anleger verfolgte die Beklagte nicht ausschließlich Anlageinteressen. Vielmehr war sie als Treuhänderin in das Organisationsgefüge der Fondsgesellschaft eingebunden und erhielt für ihre Dienste eine jährliche Vergütung i.H.v. maximal 0,1 % des Kommanditkapitals.

Weiter zutreffend ist das OLG davon ausgegangen, dass einem Anleger für seine Beitrittsentscheidung ein richtiges Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden muss; das heißt, er muss über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, verständlich und vollständig aufgeklärt werden, wozu auch eine Aufklärung über Umstände gehört, die den Vertragszweck vereiteln können. In der Rechtsprechung des BGH ist anerkannt, dass es als Mittel der Aufklärung genügen kann, wenn dem Interessenten statt einer mündlichen Aufklärung ein Prospekt über die Kapitalanlage überreicht wird, sofern dieser nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und vollständig zu vermitteln, und er dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann.

Das OLG hat jedoch die Anforderungen an diese Aufklärungspflicht überspannt. Der Beteiligungsprospekt musste keinen Hinweis auf den teilweisen Ausfall der Mittelverwendungskontrolle in einem Vorgängerfonds der Serie enthalten. Die Prospektangaben genügen auch im Hinblick auf die Gefahr der Nichtanerkennung des steuerlichen Konzepts den Anforderungen an eine hinreichende Aufklärung der Anleger. Der Prospekt musste entgegen der Auffassung des OLG nicht auf die Gefahr hinweisen, dass das dort beschriebene Fremdfinanzierungskonzept mangels Vorliegens der in § 15a Abs. 1 S. 2 und 3 EStG normierten Voraussetzungen des sog. erweiterten Verlustausgleichs von vornherein steuerrechtlich nicht anerkannt werde. Und entgegen der Auffassung des OLG wird einem durchschnittlichen Anleger, der den Prospekt eingehend und sorgfältig gelesen hat, auch das Totalverlustrisiko hinreichend deutlich vor Augen gehalten.

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