23.02.2016

Zur rechtlichen Bedeutung der Funktion "Teilen" in sozialen Netzwerken

Bei der Funktion "Teilen", die zwar dem "Verlinken" in technischer Sicht ähnlich ist, handelt es sich vielmehr um eine Möglichkeit, auf private Inhalte anderer Nutzer hinzuweisen. Anders als bei der Funktion "gefällt mir" ist dem "Teilen" für sich genommen keine über die Verbreitung des Postings hinausgehende Bedeutung zuzumessen.

OLG Frankfurt a.M. 26.11.2015, 16 U 64/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verein, dessen Zweck die Förderung des nationalen und internationalen Tierschutzes ist. Er unterstützt mit Spendengeldern eine aktive dänische Tierschutzgruppe. Der Beklagte ist Redakteur und verantwortlicher Betreiber einer Internetseite.

Der Kläger hatte bei Facebook einen Post "geteilt", in dem jemand dänische Hunde mit Juden verglich. Insgesamt beinhaltete der Post eine kritische Ansicht hinsichtlich des Umgangs mit den Tieren. Außerdem wehrte sich der Kläger gegen einen Betrag unter dem Titel "A .. ein Haufen ordinärer Proleten". Der Beklagte war der Ansicht, durch das "Teilen" des angegriffenen Postings habe sich der Kläger den Vergleich zwischen dänischen Hunden und Juden zu Eigen gemacht.

Das LG hatte zunächst im Wege der einstweiligen Verfügung dem Unterlassungsbegehren des Klägers stattgegeben und diese Ansicht später durch ein Urteil bestätigt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten war vor dem OLG teilweise erfolgreich.

Die Gründe:
Der Senat folgte nicht der Auffassung des LG, dass die streitgegenständliche Formulierung im Lichte der Überschrift "A ... ein Haufen ordinärer Proleten" gesehen werden müsse. Denn Überschrift und angegriffene Formulierung waren durch eine große Anzahl von Screenshots getrennt. Hierdurch wurde eine deutliche Zäsur geschaffen. Aus der erkennbar offenen Formulierung folgte, dass der Beklagte nicht die Mitglieder, sondern alle Facebook-Nutzer gemeint hatte. Allein aus der Begrifflichkeit "Haufen" konnte vor diesem Hintergrund nicht auf die Mitglieder des Vereins geschlossen werden.

Zu Recht war der beklagte aber verurteilt worden, es zu unterlassen, auf seinen Internetseiten zu behaupten und/oder zu veröffentlichen, dass der Kläger dänische Hunde mit Juden vergleichen würde. Enthält eine Meinungsäußerung einen erwiesen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern, so tritt das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück.

Entscheidend war insofern, dass der Beklagte das Posting verändert hatte, da es nicht erkennen ließ, dass es sich um einen "geteilten Beitrag" einer dänischen Tierschützerin handelte. Somit hatte der Beklagte das streitgegenständliche Posting in einer Weise verändert, die die Urheberschaft des Beitrags verschleierte. Er konnte ferner nicht mit seinem Vortrag überzeugen, dass nach ständiger Rechtsprechung das "Verlinken" zu einem "zu Eigen machen" des verlinkten Beitrags führe, denn diese Rechtsprechung ist nach Ansicht des Senats nicht auf die Funktion "Teilen" bei Facebook anwendbar.

Bei der Funktion "Teilen", die zwar dem "Verlinken" in technischer Sicht ähnlich ist, handelt es sich vielmehr um eine Möglichkeit, auf private Inhalte anderer Nutzer hinzuweisen. Anders als bei der Funktion "gefällt mir" ist dem "Teilen" für sich genommen keine über die Verbreitung des Postings hinausgehende Bedeutung zuzumessen. Abgesehen davon ist auch nach der oben genannten Rechtsprechung mit einer Verlinkung nicht zwingend ein "zu-eigen-machen" des verlinkten Inhalts verbunden. Denn der "Verlinkende" macht sich eine fremde Äußerung regelmäßig erst dann zu Eigen, wenn er sich mit ihr identifiziert und sie so in den eigenen Gedankengang einfügt, dass sie als seine eigene erscheint. Ob dies der Fall ist, muss mit der im Interesse der Meinungsfreiheit und zum Schutz der Presse gebotenen Zurückhaltung im Einzelfall geprüft werden.

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