03.01.2012

Zur Rechtskraft eines gegen den Alleingesellschafter ergangenen klageabweisenden Nichtigkeitsurteils

Eine Kapitalgesellschaft muss sich nicht die Rechtskraft eines gegen ihren Alleingesellschafter ergangenen klageabweisenden Nichtigkeitsurteils entgegenhalten lassen. Die für den Einwand der Nichtangriffsabrede aus Treu und Glauben aufgestellten Grundsätze lassen sich nicht auf den Rechtskrafteinwand anwenden.

BGH 29.11.2011, X ZR 23/11
Der Sachverhalt:
Die Beklagten sind Inhaber eines 1995 angemeldeten deutschen Patents, das eine hydrodynamische Düse für die Reinigung von Rohren und Kanälen betrifft. Der Geschäftsführer der Klägerin, der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Patentgericht auch deren Alleingesellschafter war, hatte 2007 unter dem Namen einer anderen Firma, deren Inhaber er ist, Nichtigkeitsklage gegen das Streitpatent erhoben, die das Patentgericht durch rechtskräftiges Urteil im April 2008 abgewiesen hatte.

Mit der vorliegenden Klage machte die Klägerin geltend, das Patent sei in vollem Umfang wegen fehlender Patentfähigkeit für nichtig zu erklären. Das Patentgericht hat die Klage weitestgehend als unzulässig abgewiesen. Im Verlauf des Berufungsverfahrens vor dem BGH hat der bisherige Alleingesellschafter der Klägerin einen Teil seiner Anteile einem weiteren Gesellschafter übertragen. Auf die Berufung hob der BGH das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Patentgericht zurück.

Die Gründe:
Zu Unrecht hatte das Patentgericht angenommen, der Zulässigkeit der Klage stehe die Rechtskraft des Urteils aus April 2008 entgegen.

Eine Kapitalgesellschaft muss sich nicht die Rechtskraft eines gegen ihren Alleingesellschafter ergangenen klageabweisenden Nichtigkeitsurteils entgegenhalten lassen. Die Klägerin war weder Partei des Vorprozesses, noch ist sie die Rechtsnachfolgerin ihres vormaligen Alleingesellschafters, des Klägers des Vorprozesses. Für das Patentnichtigkeitsverfahren gilt insofern nichts Abweichendes.

Eine über § 325 Abs. 1 ZPO hinausgehende Rechtskraftwirkung (Rechtskrafterstreckung) kommt nur aufgrund gesetzlicher Regelung in Betracht. Darüber hinaus kann sich aus Vorschriften des materiellen Rechts ergeben, dass ein am Verfahren nicht beteiligter Dritter die rechtskräftige Entscheidung gegen sich gelten lassen muss. Materiellrechtliche Vorschriften, aus denen abgeleitet werden könnte, eine GmbH müsse die Abweisung einer (Patentnichtigkeits-)Klage ihres Alleingesellschafter gegen sich gelten lassen, gibt es indessen nicht.

Das Patentgericht hatte nicht hinreichend beachtet, dass sich die für den Einwand der Nichtangriffsabrede aus Treu und Glauben aufgestellten Grundsätze nicht auf den Rechtskrafteinwand anwenden lassen. Denn im Rahmen der Bewertung eines vertraglichen Verpflichtungen widersprechenden prozessualen Verhaltens nach § 242 BGB sind die Rechtspositionen und Interessenlagen der Beteiligten umfassend zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen. Dies lässt Raum für Lösungen, bei denen gegebenenfalls die rechtliche Unterscheidung zwischen der juristischem Person und ihrem Alleingesellschafter in ihrer Bedeutung so zurücktritt, dass sich die Gesellschaft wie ihr Gesellschafter (und umgekehrt) behandeln lassen muss. Auf das Institut der Rechtskraft (und der Rechtskrafterstreckung) lassen sich solche Wertungen allerdings nicht übertragen.

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