Zur Rückforderung von Zahlungen im Rahmen eines Erdgas-Sonderkundenvertrages nach unberechtigten Preiserhöhungen
BGH 3.12.2014, VIII ZR 370/13Das beklagte Energieversorgungsunternehmen beliefert den Kläger seit 1997 als Sonderkunden mit Erdgas. In dem Erdgaslieferungsvertrag ist ein Arbeitspreis von 2,15 Cent/kWh vereinbart. Ein Preisanpassungsrecht der Beklagten enthält der Vertrag nicht.
Die Beklagte erhöhte in der Folgezeit mehrfach die Preise. Für den Zeitraum April 2007 bis Ende März 2008 verlangte sie auf der Basis eines Arbeitspreises von 4,31 Cent/kWh eine Vergütung von insgesamt rund 3.145 €. Der Kläger zahlte zunächst die Rechnungen widerspruchslos. Erstmals im Jahr 2011 beanstandete er die jährlichen Abrechnungen der Beklagten. Er war der Auffassung, er schulde lediglich den zu Vertragsbeginn vereinbarten Arbeitspreis und begehrte deshalb von der Beklagten für das Abrechnungsjahr 2007/2008 die Rückzahlung von insgesamt 1.523 €.
Das AG gab der Klage statt; das LG wies sie weitestgehend ab. Es war der Ansicht, dass die BGH-Rechtsprechung zur ergänzenden Vertragsauslegung, die die Geltendmachung der Unwirksamkeit von Preiserhöhungen in gewissen Umfang begrenzt, keine Anwendung finde. Schließlich enthalte der Vertrag im vorliegenden Fall - anders als bei den bisher vom BGH entschiedenen Fällen - kein nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksames Preisanpassungsrecht und es liege deshalb keine planwidrige Regelungslücke vor, die unabdingbare Voraussetzung einer ergänzenden Vertragsauslegung sei. Gleichwohl müsse sich der Kläger nach Treu und Glauben an dem Preis festhalten lassen, der drei Jahre vor seinem ersten Widerspruch gegolten habe, nämlich dem ab 1.4.2007 zugrunde gelegten Arbeitspreis von 4,31 Cent/kWh.
Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.
Die Gründe:
Berufungsurteil konnte schon deshalb keinen Bestand haben, weil die tatbestandlichen Feststellungen eine revisionsrechtliche Nachprüfung nicht ermöglichten. Das LG hatte insbesondere keine Feststellungen dazu getroffen, warum ein Preisänderungsrecht vorliegend nicht Vertragsbestandteil geworden war, die Beklagte aber gleichwohl Preisanpassungen vorgenommen und zu höheren Preisen als dem im Jahr 1997 geltenden Preis abgerechnet und der Kläger die darauf beruhenden Jahresabrechnungen über viele Jahre hinweg widerspruchslos beglichen hatte.
Damit fehlte es an einer ausreichenden Tatsachengrundlage für die Prüfung, ob der Gaslieferungsvertrag eine Regelungslücke enthielt, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nach den vom Senat für die Fälle eines unwirksamen Preisanpassungsrechts entwickelten Grundsätzen zu schließen wäre. Das Verfahren deshalb war an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es diese Feststellungen nachholen kann.
Im weiteren Verfahren muss das LG nun darauf achten, dass ein auf unbestimmter Zeit abgeschlossener Energielieferungsvertrag regelmäßig auch dann eine planwidrige Unvollständigkeit aufweist, wenn die Parteien keine Festpreisabrede getroffen haben, die Einbeziehung eines vertragstypischen und im Grundsatz den Interessen beider Parteien Rechnung tragenden formularmäßigen Preisanpassungsrechts an einer wirksamen Einbeziehung gem. § 305 BGB scheitert, der Kunde den Preisanpassungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat und nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen geltend macht.
Auch eine so entstandene Regelungslücke wäre - ebenso wie die Regelungslücke, die durch ein wegen unangemessener Benachteiligung des Gaskunden (§ 307 Abs. 1 BGB) unwirksames Preisanpassungsrecht entstanden ist - im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung in der Weise zu schließen, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden war, beanstandet hat.
Sofern sich die Vereinbarung der Parteien nach den im weiteren Verfahren zu treffenden Feststellungen hingegen als Festpreisabrede mit abschließender Risikoverteilung erweisen sollte und deshalb kein Raum für eine ergänzende Vertragsauslegung wäre, könnte diese Risikoverteilung ohne das Hinzutreten weiterer - bislang nicht ersichtlicher - Umstände auch nicht über § 242 BGB korrigiert werden.
Linkhinweise:
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