Zur Schutzfähigkeit einer Sehenswürdigkeit als Marke
BGH 8.3.2012, I ZB 13/11Für den Markeninhaber war im Oktober 2005 die Wortmarke "Neuschwanstein" für gewisse Waren und Dienstleistungen eingetragen worden. Der Antragsteller beantragte daraufhin beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung der Marke. Er war der Ansicht, dass sie nicht unterscheidungskräftig und somit freihaltebedürftig sei. Schließlich liege auch das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG vor.
Das Deutsche Patent- und Markenamt ordnete infolgedessen die Löschung der Marke wegen fehlender Unterscheidungskraft an. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Markeninhabers blieb vor dem BPatG ohne Erfolg. Auf die Rechtsbeschwerde des Markeninhabers hob der BGH die Entscheidung auf, soweit die Beschwerde gegen die Anordnung der Löschung für die Waren "Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Sanitärprodukte für medizinische Zwecke; Teppiche, Linoleum und andere Bodenbeläge" und die Dienstleistungen "Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen; Telekommunikation; Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren; Dienstleistungen im Bereich der Landwirtschaft, des Gartenbaus und der Forstwirtschaft" zurückgewiesen worden war.
Die Gründe:
Zwar war das BPatG zutreffend davon ausgegangen, dass die Marke "Neuschwanstein" für gewisse Waren nicht über die erforderliche Unterscheidungskraft i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG verfügt. Denn fasst der Verkehr die aus dem Namen einer Sehenswürdigkeit (hier: Schloss Neuschwanstein) gebildete Marke (hier: Neuschwanstein) im Zusammenhang mit Waren, die typischerweise als Reiseandenken oder bedarf vertrieben werden, nur als Bezeichnung der Sehenswürdigkeit und nicht als Produktkennzeichen auf, fehlt der Marke jegliche Unterscheidungskraft i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Die Rechtsbeschwerde war jedoch erfolgreich, soweit das BPatG die Löschungsentscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts wegen fehlender Unterscheidungskraft der Marke gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG für die übrigen Waren und Dienstleistungen mit Ausnahme der nicht in die Rechtsbeschwerdeinstanz gelangten Dienstleistungen der Veranstaltung von Reisen und der Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen bestätigt hatte. Den Ausführungen hierzu konnte nicht zugestimmt werden. Das BPatG hatte einen unzutreffenden Maßstab an die Beurteilung der Unterscheidungskraft der Marke angelegt und keine konkrete Prüfung des Schutzhindernisses anhand der Umstände des Einzelfalls vorgenommen.
Allein der Umstand, dass die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen im Umfeld des Schlosses Neuschwanstein an Touristen vertrieben oder für sie erbracht werden können, führte nicht zum Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft der Marke "Neuschwanstein" für die fraglichen Waren und Dienstleistungen. Entscheidend war vielmehr, ob der Verkehr die Verwendung der Marke für diese Waren und Dienstleistungen nur als Bezugnahme auf das Bauwerk "Schloss Neuschwanstein" oder als Unterscheidungsmittel für die Produkte und Dienstleistungen auffasst.
Die Eintragungshindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 MarkenG (Art. 3 Abs. 1 Buchst. b u. c MarkenRL) sind, auch wenn sich ihre Anwendungsbereiche überschneiden, voneinander unabhängig und gesondert zu prüfen, wobei jedes Eintragungshindernis im Lichte des Allgemeininteresses auszulegen ist, das ihm jeweils zugrunde liegt. An das Vorliegen der Unterscheidungskraft i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG dürfen daher nicht wegen eines möglichen Freihalteinteresses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erhöhte Anforderungen gestellt werden. Der Umstand, dass es sich bei dem Schloss Neuschwanstein um eine weithin bekannte, bedeutende Sehenswürdigkeit handelt, rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme mangelnder Unterscheidungskraft der Marke. Das gilt auch dann, wenn man wie das BPatG das Schloss Neuschwanstein zum nationalen Erbe oder zum Weltkulturerbe rechnet.
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