04.04.2013

Zur Statthaftigkeit der Beschwerde eines Anschlussinhabers gegen die Gestattung der Auskunftserteilung nach § 101 Abs. 9 S. 1 UrhG

Die Beschwerde eines Anschlussinhabers gegen die Gestattung der Auskunftserteilung nach § 101 Abs. 9 S. 1 UrhG ist gem. § 62 Abs. 1 und 2 Nr. 2 FamFG auch dann statthaft, wenn sie erst nach Erteilung der Auskunft eingelegt worden ist. Die Beschwerdefristen des § 63 Abs. 3 FamFG gelten nicht für Beschwerden von Anschlussinhabern gegen die Gestattung der Auskunftserteilung nach § 101 Abs. 9 S. 1 UrhG.

BGH 5.12.2012, I ZB 48/12
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin ist ein Hörbuchverlag. Sie ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an dem Hörbuch "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes". Das Hörbuch ist im Jahr 2008 in Deutschland veröffentlicht worden. Die Antragstellerin hat die i-GmbH beauftragt, Online-Tauschbörsen im Blick auf das Hörbuch zu überwachen. Die i-GmbH verfügt über eine Software, mit der festgestellt werden kann, über welchen Internetanschluss eine bestimmte Datei zum Download angeboten wird.

Die von der Antragstellerin vorgelegte Anlage ASt 1 enthält von der i-GmbH ermittelte IP-Adressen, die Nutzern zugewiesen waren, die das Hörbuch "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes" in der Zeit zwischen dem 20.1. und dem 23.1.2011 über eine Online-Tauschbörse anderen Nutzern zum Herunterladen angeboten hatten. Die jeweiligen (dynamischen) IP-Adressen waren den Nutzern von der weiteren Beteiligten zu 1), der Deutschen Telekom AG, als Internet-Provider zugewiesen worden.

Die Antragstellerin beantragte gem. § 101 Abs. 9 UrhG i.V.m. § 101 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UrhG, der weiteren Beteiligten zu 1) zu gestatten, ihr unter Verwendung von Verkehrsdaten i.S.d. § 3 Nr. 30 TKG über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer Auskunft zu erteilen, denen die in der Anlage ASt 1 aufgeführten IP-Adressen zu den jeweiligen Zeitpunkten zugewiesen waren. Das LG gab dem Antrag statt.

Die Beteiligte zu 1) erteilte der Antragstellerin daraufhin die Auskunft, die fragliche IP-Adresse sei am 20.1.2011 um 19:47:07 Uhr und um 20:01:18 Uhr dem weiteren Beteiligten zu 2) zugewiesen gewesen. Die Antragstellerin mahnte den weiteren Beteiligten zu 2) daraufhin ab. Dieser legte gegen den Beschluss des LG Beschwerde ein, mit der er die Feststellung beantragt hat, dass der Beschluss ihn in seinen Rechten verletzt hat. Das OLG gab der Beschwerde statt. Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hob der BGH den Beschluss des OLG auf und wies die Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des LG zurück..

Die Gründe:
Das OLG hat die Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des LG zwar mit Recht als zulässig erachtet; insbesondere ist der Beteiligte zu 2 beschwerdeberechtigt, die Beschwerde auch nach Auskunftserteilung statthaft und das Rechtsmittel fristgerecht eingelegt. Mit der vom OLG gegebenen Begründung konnte dem Feststellungsantrag des weiteren Beteiligten zu 2) jedoch nicht stattgegeben werden.

Die Beschwerde gegen die Entscheidung des LG ist nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Hauptsache durch Erteilung der Auskunft erledigt hat. Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht gem. § 62 Abs. 1 FamFG auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Im vorliegenden Fall hat sich allerdings keine "angefochtene" Entscheidung in der Hauptsache erledigt. Die hier in Rede stehende Entscheidung hat sich bereits vor ihrer Anfechtung durch den weiteren Beteiligten zu 2) mit Erteilung der Auskunft in der Hauptsache erledigt. Die Bestimmung des § 62 Abs. 1 FamFG ist zur Gewährleistung wirksamen Rechtsschutzes jedoch auch anwendbar, wenn sich die angegriffene Maßnahme bereits vor Einlegung der Beschwerde erledigt hat.

Der weitere Beteiligte zu 2) hat die Beschwerde auch fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdefristen des § 63 Abs. 3 FamFG sind für den weiteren Beteiligten zu 2) nicht in Lauf gesetzt worden. Sie gelten jedenfalls nicht für Beschwerden von Anschlussinhabern gegen die Gestattung der Auskunftserteilung nach § 101 Abs. 9 S. 1 UrhG. Die Beschwerdefristen des § 63 Abs. 3 FamFG gelten für die Beteiligten des erstinstanzlichen Verfahrens. Der weitere Beteiligte zu 2) war nicht Beteiligter im erstinstanzlichen Verfahren über den Antrag auf Gestattung der Auskunftserteilung nach § 101 Abs. 9 UrhG. Wer Beteiligter ist, ergibt sich aus § 7 FamFG. Danach sind in Antragsverfahren neben dem Antragsteller diejenigen Beteiligte in einem Verfahren, die das Gericht als Beteiligte zu dem Verfahren hinzugezogen hat.

Der weitere Beteiligte zu 2) gehört an sich zum Kreis derjenigen, die nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG hätten hinzugezogen werden müssen, weil sein Recht (hier: sein Grundrecht auf Wahrung des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG) durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird. Es liegt aber in der Natur der Sache, dass das LG ihn nicht hinzuziehen konnte, weil das Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG dazu dient, ihn als Anschlussinhaber erst zu ermitteln, er also dem LG noch nicht bekannt sein konnte. Könnten die von dem Verfahren auf Gestattung der Auskunftserteilung gem. § 101 Abs. 9 UrhG unmittelbar in ihrem Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG betroffenen Anschlussinhaber jedoch nur fristgemäß Beschwerde einlegen, bis die zweiwöchige Frist für den letzten Beteiligten abgelaufen ist, wäre ihr Anspruch auf rechtliches Gehör, ein faires Verfahren und eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle nicht gewährleistet.

Das erstinstanzliche Gericht kann die ihm unbekannten Anschlussinhaber in solchen Verfahren entgegen § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG nicht als Beteiligte hinzuzuziehen. Die Anschlussinhaber erfahren daher in aller Regel erst aufgrund ihrer Abmahnung durch den Antragsteller von der Gestattung der Auskunftserteilung. Zu diesem Zeitpunkt wäre die zweiwöchige Beschwerdefrist meist abgelaufen. Die Anschlussinhaber wären damit an das Ergebnis eines Verfahrens gebunden, auf das sie keinen Einfluss nehmen konnten und das sie gerichtlich nicht überprüfen lassen können.

Mit der vom OLG gegebenen Begründung konnte dem Feststellungsantrag des weiteren Beteiligten zu 2) jedoch nicht stattgegeben werden.

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