06.08.2013

Zur unaufgeforderten Übersendung einer vorbeugenden Unterwerfungserklärung wegen angeblicher Verletzung von Urheberrechten

Die unaufgeforderte Übersendung einer vorbeugenden Unterwerfungserklärung stellt keinen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eines Urheberrechtsberechtigten dar. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Versender zuvor bereits von anderen Rechteinhabern wegen angeblicher Verletzung von Urheberrechten auf Unterlassung in Anspruch genommen worden war.

BGH 28.2.2013, I ZR 237/11
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine in der Rechtsform einer GbR betriebene Rechtsanwaltssozietät. Sie nimmt den Beklagten aufgrund einer von diesem abgegebenen vorbeugenden Unterlassungserklärung aus abgetretenem Recht auf Zahlung von Rechtsanwaltsgebühren in Anspruch. Die Klägerin vertritt Urheberrechtsberechtigte und geht in deren Auftrag gegen Urheberrechtsverletzungen vor. Sie ist berechtigt, die jeweils ermittelten vermeintlichen Verletzer vorgerichtlich abzumahnen und strafbewehrte Unterwerfungserklärungen zu erwirken. Der Beklagte gab mit Schreiben vom 5.2.2010 gegenüber der Klägerin, ohne zuvor von ihr oder einem ihrer Mandanten abgemahnt worden zu sein, folgende Erklärung ab:

"Herr F. G. verpflichtet sich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, gleichwohl rechtsverbindlich, gegenüber den Firmen (es folgt eine Auflistung von 25 Unternehmen), es bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen und vom Gläubiger zu bestimmenden Vertragsstrafe, deren Angemessenheit im Streitfall vom zuständigen Gericht zu überprüfen ist, zu unterlassen, urheberrechtlich geschützte Werke der oben genannten Firmen im Internet öffentlich zu verbreiten oder auf sonstige Art und Weise der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, öffentlich zu verbreiten und/oder zu verwerten und/oder wiederzugeben sowie öffentlich verbreiten und/oder verwerten und/oder wiedergeben zu lassen, insbesondere im Rahmen der Teilnahme an sog. Peer-to-Peer Netzwerken diese urheberrechtlich geschützten Werke oder Teile derselben im Tausch anzubieten."

Zur Begründung seines Schreibens führte der Beklagte aus, dass er von einer der Kanzleien, die wegen Urheberrechtsverletzungen in Filesharing-Netzwerken im Internet abmahnten, mit dem Vorwurf einer angeblichen Urheberrechtsverletzung konfrontiert worden sei. Er könne sich die Vorwürfe zwar nicht erklären, jedoch auch nicht ausschließen, dass sein Internetanschluss von Dritten missbraucht worden sei. Die Klägerin teilte dem Beklagten daraufhin im Namen von 21 von ihr vertretenen Rechteinhabern mit, dass sie die Unterlassungserklärung zur Kenntnis nehme, diese eine Wiederholungsgefahr jedoch nicht ausschließe, weil sie sich nicht auf die konkrete Verletzungsform beziehe. Zudem forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung von Kosten für die Bearbeitung der unverlangt zugesandten Unterlassungserklärung auf. Der Beklagte kam dem Zahlungsverlangen nicht nach.

Sechs von der Klägerin vertretene Unternehmen traten alle Kostenerstattungs- und Schadensersatzansprüche "wegen Urheberrechtsverletzungen" gegen Personen an die Klägerin ab, die im Zusammenhang mit Filesharing vorbeugende Unterlassungserklärungen abgegeben hatten. Die Klägerin nimmt den Beklagten deshalb aus abgetretenem Recht wegen der aufgrund seines Schreibens vom 5.2.2010 veranlassten Tätigkeit auf Zahlung einer 0,65-fachen Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 60.000 € in Anspruch.

Das AG wies die Klage ab. Das LG gab ihr teilweise statt und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 335 € nebst Zinsen. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung gegen das Urteil des AG zurück. Die Anschlussrevision der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Klägerin steht entgegen der Ansicht des LG kein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1, § 249 Abs. 1 i.V.m. § 398 BGB wegen eines rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffs des Beklagten in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Mandanten der Klägerin zu.

Es konnte vorliegend offen bleiben, ob in der unaufgeforderten Übersendung einer mit einem Vertragsstrafeversprechen verbundenen Unterwerfungserklärung tatbestandlich ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Mandanten der Klägerin liegt. Dieser ist jedenfalls nicht rechtswidrig. Das Recht am Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Interessen und Güterabwägung mit den konkret kollidierenden Interessen anderer ergeben. Die hierzu vom LG vorgenommene Abwägung konnte keinen Bestand haben. Das LG stützt sich hauptsächlich auf die Erwägung, dass es dem Beklagten auch im Falle einer bereits eingegangenen Abmahnung eines Dritten zuzumuten sei, das Verhalten potenzieller anderer Anspruchsteller abzuwarten, bevor er zu deren Lasten durch die Abgabe einer vorbeugenden Unterlassungserklärung erhebliche wirtschaftliche Ressourcen binde.

Das LG hat dabei den berechtigten Interessen des Beklagten nicht das erforderliche Gewicht beigemessen. Der Beklagte hat mit der Übersendung der vorbeugenden Unterlassungserklärung den Versuch unternommen, von einer ihm rechtlich zu Gebote stehenden Möglichkeit Gebrauch zu machen, um seine Inanspruchnahme auf Unterlassung durch Mandanten der Klägerin zu verhindern und die damit für ihn verbundenen Kosten zu vermeiden. Für das Verhalten des Beklagten bestand aus seiner Sicht ein hinreichend begründeter Anlass, da er als Inhaber eines Internetanschlusses bereits von einem anderen Rechteinhaber wegen Verletzung von Urheberrechten auf Unterlassung in Anspruch genommen worden war.

Der Beklagte kann in einer derartigen Situation nicht darauf verwiesen werden, zunächst eine Inanspruchnahme durch Mandanten der Klägerin abzuwarten und dann eine tatsächliche Vermutung seiner Verantwortlichkeit als Täter oder Störer zu entkräften. Dies würde die gesetzlich nicht ausgeschlossenen und für den Beklagten günstigeren Möglichkeiten einer vorbeugenden Rechtsverteidigung unzumutbar beschränken. In diesem Zusammenhang ist es ohne Bedeutung, ob die Erklärung des Beklagten überhaupt geeignet war, eine Wiederholungsgefahr auszuräumen. Dem Interesse des Beklagten, seine Rechtsposition vorbeugend zu verteidigen und der Entstehung von Kostenerstattungsansprüchen entgegenzuwirken, stehen auch keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen der von der Klägerin vertretenen Rechteinhaber gegenüber, die durch die Übersendung einer vorbeugenden Unterlassungserklärung unzumutbar beeinträchtigt würden.

Die Übersendung einer vorbeugenden Unterlassungserklärung verursacht auf Seiten der Rechteinhaber nicht allein Aufwand und Kosten. Den Rechteinhabern wird dadurch vielmehr auch ein rechtlicher Vorteil verschafft. Sie haben die Möglichkeit, das Angebot zum Abschluss des angetragenen Unterlassungsvertrags unbefristet anzunehmen. Der Empfänger einer vorbeugenden Unterlassungserklärung ist zudem nicht verpflichtet, ein Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrags anzunehmen. Nimmt ein Rechteinhaber ein Angebotsschreiben allerdings zum Anlass, den Inhalt des Vertragsangebots einer rechtlichen Überprüfung zu unterziehen und weitere Nachforschungen über mögliche Rechtsverletzungen des Absenders durchzuführen, beruht der damit verbundene Aufwand auf seinem freien Entschluss und erfolgt allein in seinem eigenen Interesse. Das damit verbundene wirtschaftliche und finanzielle Risiko kann er daher auch nicht auf den Absender abwälzen, sondern muss es selbst tragen.

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