05.11.2012

Zur Unvoreingenommenheit eines gerichtlichen Sachverständigen

Der Anschein nicht vollständiger Unvoreingenommenheit kann zwar begründet sein, wenn ein Sachverständiger in einer wirtschaftlichen Verbindung zu einer der Parteien steht. Nimmt der Sachverständige allerdings einen Gutachtenauftrag eines Dritten an, der seinerseits in einem Beratungsverhältnis zu einer der Parteien steht, kommt dies nur unter ganz engen Voraussetzungen in Betracht.

BGH 23.10.2012, X ZR 137/09
Der Sachverhalt:
Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr.-Ing. S. hatte dem Gericht Ende September 2012 mitgeteilt, dass er im April 2012 von der H-GmbH gebeten worden sei, einen Klienten bei der Kurzbewertung hinsichtlich der Essentialität von Patenten zu unterstützen. Die H-GmbH ist für Anbieter aus dem Bereich der Mobilfunktechnik sowie zahlreiche Rechtanwalts- und Patentanwaltskanzleien tätig. Infolgedessen sei am 18.4.2012 ein Vertrag zwischen ihm und der H-GmbH zustande gekommen. Weitere Aufträge habe es nicht gegeben. Anlässlich einer Jubiläumsfeier der H-GmbH am 21.9.2012 habe er erstmals erfahren, dass die H-GmbH für die Klägerin Patentstreitigkeiten gegen die Beklagte bearbeite und in einem Verfahren involviert sei, in dem er als gerichtlicher Sachverständige ein Gutachten erstattet habe.

Der gerichtliche Sachverständige erklärte zudem, dass er die H-GmbH seit November 2011 kenne, als er von Herrn H. mit der allgemeinen Anfrage kontaktiert worden sei, ob er grundsätzlich bereit sei, in IPR-Fragen in seinem Kompetenzgebiet für die H-GmbH tätig zu werden. Es seien allerdings weder ein Vertrag noch eine Kooperation vereinbart worden. Vielmehr habe er Herrn H. auf seine Gutachtertätigkeit für den BGH und seine Pflicht zur Unabhängigkeit und Neutralität hingewiesen. Er selbst habe die H-GmbH als neutrale Vermittlerin von Experten und Expertise verstanden.

Die Beklagte lehnte den Sachverständigen ab und stützte sich im Wesentlichen darauf, dass ihm die enge Verbindung der H-GmbH zur Klägerin nicht habe verborgen bleiben dürfen, da sie aus dem Internetauftritt der H-GmbH klar und eindeutig erkennbar gewesen sei. Zudem ergebe sich die Besorgnis der Befangenheit aus dem Schreiben des Sachverständigen selbst.

Das Ablehnungsgesuch blieb in allen Instanzen erfolglos.

Die Gründe:
Zwar kann nach § 406 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 42 ZPO ein Sachverständiger abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Einen solchen Grund hatte die Beklagte allerdings nicht dargelegt.

Der Anschein nicht vollständiger Unvoreingenommenheit kann begründet sein, wenn der Sachverständige in einer wirtschaftlichen Verbindung zu einer der Parteien steht. Nimmt der Sachverständige allerdings - wie hier - einen Gutachtenauftrag eines Dritten an, der seinerseits in einem Beratungsverhältnis zu einer der Parteien steht, kommt dies nur unter engen Voraussetzungen in Betracht.

Dem gerichtlichen Sachverständigen im vorliegenden Fall war bei Zustandekommen des Beratungsvertrages vom 18.4.2012 mit der H-GmbH nicht bewusst, dass diese die Klägerin in rechtlichen Auseinandersetzungen mit der Beklagten beraten hat. Seine eigene Beratungsleistung für die H-GmbH war zudem punktueller Natur und nicht auf Dauer angelegt. Sie stand nach seinen Angaben nicht in inhaltlichem Zusammenhang mit dem Streitfall und betraf keine der Prozessparteien.

Die H-GmbH ist - wie ihre Internetpräsenz belegt - für eine Vielzahl von Anbietern aus dem Bereich der Mobilfunktechnik sowie zahlreiche Rechtanwalts- und Patentanwaltskanzleien tätig und konnte deshalb nicht dem Lager der Klägerin zugeordnet werden. Auch deshalb konnte nicht davon ausgegangen werden, dass der Sachverständige durch seine nach Abschluss des im Streitfall erstellten Gutachtens in Auftrag gegebene Tätigkeit für die H-GmbH daran gehindert war, sein Gutachten unvoreingenommen abzugeben.

Etwas anderes ergab sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht daraus, dass der Sachverständige nicht näher dargelegt hat, für welchen Klienten die H-GmbH bei der Erteilung des Auftrags an ihn tätig war, welches Honorar er für seine Tätigkeit erhalten hatte und in welchem Umfang ihm die H-GmbH im November 2011 Aufträge in Aussicht gestellt hatte. Die Angaben des Sachverständigen aus dem Schreiben an das Gericht genügten, um Zweifel an der Unvoreingenommenheit, die sich aus den Verbindungen zur H-GmbH ergeben könnten, auszuräumen.

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