Zur Vergütung des Chefkameramanns des Filmwerks "Das Boot"
BGH v. 1.4.2021 - I ZR 9/18
Der Sachverhalt:
Der Kläger war Chefkameramann des in den Jahren 1980/1981 hergestellten Filmwerks "Das Boot". Der Film wurde national und international im Kino, im Fernsehen sowie auf Videokassette und DVD ausgewertet. Die Beklagte zu 1) hat den Film produziert und mit dem Kläger für seine Leistung eine Pauschalvergütung i.H.v. 204.000 DM (104.303,54 €) gegen Einräumung sämtlicher Nutzungsrechte vereinbart. Sie hat den Film an die Beklagten zu 2) und 3) sowie weitere Dritte lizenziert und im Rahmen der "Bavaria Filmtour" auf ihrem Studiogelände in München genutzt.
Der Beklagte zu 2) ist der Westdeutsche Rundfunk (WDR). Er hat den Film in seinem Sender und im Gemeinschaftsprogramm der ARD ausgestrahlt sowie entgeltliche Sublizenzen erteilt. Die Beklagte zu 3) hat das Werk auf Grundlage von Lizenzverträgen auf Bildträgern (DVD etc.) in Deutschland und Österreich verbreitet.
Der Kläger machte gegen die Beklagten für nach dem 28.3.2002 erfolgte Werknutzungen jeweils einen Anspruch auf weitere angemessene Beteiligung nach § 32a Abs. 1 UrhG (Beklagte zu 1) und § 32a Abs. 2 UrhG (Beklagte zu 2) und 3) geltend,. Er war der Ansicht, ihre aus der Werknutzung gezogenen Erträgnisse und Vorteile stünden in einem auffälligen Missverhältnis zu seiner Vergütung. Ferner beanspruchte er gegenüber der Beklagten zu 1) Vertragsanpassung und gegenüber den Beklagten zu 2) und 3) jeweils Feststellung der Verpflichtung zur künftigen weiteren Beteiligung. Von der Beklagten zu 3) verlangte er zudem Ersatz der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.
Der Kläger hat die Beklagten bereits auf einer ersten Klagestufe mit Erfolg auf Erteilung von Auskünften über die jeweils erzielten Erträgnisse und Vorteile in Anspruch genommen (BGH-Urt. vom 22.9.2011 - I ZR 127/10 - Das Boot I). Das LG gab seiner im vorliegenden Rechtsstreit auf die erteilten Auskünfte gestützte Zahlungsklage teilweise statt. Auf die Berufung sämtlicher Parteien hat das OLG das Urteil abgeändert und die Beklagte zu 1) zur Zahlung von 162.079,27 € und zur Einwilligung in die Anpassung des streitgegenständlichen Vertrages verurteilt. Die Beklagten zu 2) und 3) hat es zur Zahlung von 89.856,59 € bzw. 186.490,74 € verurteilt; zudem hat es für die Zeit ab dem 9.10.2015 bzw. ab dem 1.4.2017 deren Verpflichtung zur Zahlung einer weiteren angemessenen Beteiligung festgestellt. Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Klagen abgewiesen.
In einem weiteren Verfahren hat der Kläger die mit dem Beklagten zu 2) in der ARD organisierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aus § 32a Abs. 2 UrhG in Anspruch genommen. Hierüber hat der Senat durch Zurückverweisung der Sache ans Berufungsgericht entschieden (BGH-Urt. v. 20.2.2020 - I ZR 176/18 - Das Boot II).
Auf die Revision sämtlicher Parteien hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gründe:
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung einer weiteren angemessenen Beteiligung nicht zuerkannt werden.
Der Kläger kann von den Beklagten nach § 32a Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 UrhG eine weitere angemessene Beteiligung beanspruchen, wenn die Vergütung, die er mit der Beklagten zu 1) vereinbart hatte, in einem auffälligen Missverhältnis zu den Vorteilen steht, die die Beklagten mit der Verwertung des Films erzielt haben. Ein solches auffälliges Missverhältnis liegt jedenfalls vor, wenn die vereinbarte Vergütung nur die Hälfte der angemessenen Vergütung beträgt, also der Vergütung, die mit Rücksicht auf die Höhe der erzielten Vorteile üblicher- und redlicherweise zu leisten ist.
Das OLG hat seiner Prüfung, ob im Streitfall ein solches auffälliges Missverhältnis besteht, die vereinbarte Pauschalvergütung im Hinblick auf jeden Beklagten in voller Höhe zugrunde gelegt. Es hat dabei nicht berücksichtigt, dass es bei der Prüfung des auffälligen Missverhältnisses gem. § 32a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 UrhG ausschließlich auf das Verhältnis zwischen dem Urheber und dem auf weitere Beteiligung in Anspruch genommenen Nutzungsberechtigten ankommt.
Gibt es nur einen Vertragspartner, kann die gesamte mit dem Urheber vereinbarte Vergütung ins Verhältnis zu den gesamten vom Nutzungsberechtigten erzielten Erträgen und Vorteilen gesetzt werden. Gibt es dagegen - wie im vorliegenden Fall - einen Vertragspartner, der mehreren Dritten unterschiedliche Nutzungsrechte eingeräumt hat, muss bei der Prüfung des auffälligen Missverhältnisses jeweils der - zu schätzende - Teil der vereinbarten Gegenleistung, der auf die von dem jeweiligen Nutzungsberechtigten verwerteten Nutzungsrechte entfällt, ins Verhältnis zu den von diesem Nutzungsberechtigten erzielten Erträgen und Vorteilen gesetzt werden.
Das Berufungsgericht hat ferner die von den Beklagten mit der Nutzung der urheberrechtlich geschützten Leistung des Klägers erzielten Vorteile unter indizieller Heranziehung von Vergütungsregelungen in Tarifverträgen und gemeinsamen Vergütungsregeln bestimmt, die nach den Umständen des Streitfalls unmittelbar nicht anwendbar sind. Der Senat hat diese Bemessung der Vorteile durch das Berufungsgericht gebilligt. Den Gerichten ist für die im Wege der Schätzung zu ermittelnde Höhe des Vorteils nach § 287 Abs. 2 ZPO ein weites Ermessen eingeräumt. In der Revisionsinstanz ist eine solche Schätzung nur eingeschränkt darauf überprüfbar, ob das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist und sämtliche für die Beurteilung bedeutsamen Tatsachen berücksichtigt hat.
Danach ist die vom Berufungsgericht vorgenommene Schätzung des Vorteils durch indizielle Heranziehung von nach den Umständen sachgerechten Bewertungsgrundlagen aus Tarifverträgen und gemeinsamen Vergütungsregelungen grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die vom OLG vorgenommene indizielle Anwendung dieser Regelungen hält der rechtlichen Nachprüfung jedoch nicht in allen Einzelheiten stand.
Wegen dieser Berechnungsfehler bei der Prüfung des vom Kläger erhobenen Anspruchs ist der Annahme des Berufungsgerichts, es liege im Verhältnis zu jedem Beklagten ein auffälliges Missverhältnis vor, die Grundlage entzogen. Es wird daher im wiedereröffneten Berufungsverfahren erneut zu prüfen haben, ob der auf die Einräumung der bei den Beklagten jeweils in Rede stehenden Rechte entfallende Teil der vereinbarten Pauschalvergütung in einem auffälligen Missverhältnis zu den von den Beklagten mit der Nutzung der urheberrechtlich geschützten Leistung des Klägers erzielten Vorteilen steht und der Kläger von den Beklagten daher eine weitere angemessene Beteiligung beanspruchen kann.
BGH PM Nr. 75 v. 1.4.2021
Der Kläger war Chefkameramann des in den Jahren 1980/1981 hergestellten Filmwerks "Das Boot". Der Film wurde national und international im Kino, im Fernsehen sowie auf Videokassette und DVD ausgewertet. Die Beklagte zu 1) hat den Film produziert und mit dem Kläger für seine Leistung eine Pauschalvergütung i.H.v. 204.000 DM (104.303,54 €) gegen Einräumung sämtlicher Nutzungsrechte vereinbart. Sie hat den Film an die Beklagten zu 2) und 3) sowie weitere Dritte lizenziert und im Rahmen der "Bavaria Filmtour" auf ihrem Studiogelände in München genutzt.
Der Beklagte zu 2) ist der Westdeutsche Rundfunk (WDR). Er hat den Film in seinem Sender und im Gemeinschaftsprogramm der ARD ausgestrahlt sowie entgeltliche Sublizenzen erteilt. Die Beklagte zu 3) hat das Werk auf Grundlage von Lizenzverträgen auf Bildträgern (DVD etc.) in Deutschland und Österreich verbreitet.
Der Kläger machte gegen die Beklagten für nach dem 28.3.2002 erfolgte Werknutzungen jeweils einen Anspruch auf weitere angemessene Beteiligung nach § 32a Abs. 1 UrhG (Beklagte zu 1) und § 32a Abs. 2 UrhG (Beklagte zu 2) und 3) geltend,. Er war der Ansicht, ihre aus der Werknutzung gezogenen Erträgnisse und Vorteile stünden in einem auffälligen Missverhältnis zu seiner Vergütung. Ferner beanspruchte er gegenüber der Beklagten zu 1) Vertragsanpassung und gegenüber den Beklagten zu 2) und 3) jeweils Feststellung der Verpflichtung zur künftigen weiteren Beteiligung. Von der Beklagten zu 3) verlangte er zudem Ersatz der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.
Der Kläger hat die Beklagten bereits auf einer ersten Klagestufe mit Erfolg auf Erteilung von Auskünften über die jeweils erzielten Erträgnisse und Vorteile in Anspruch genommen (BGH-Urt. vom 22.9.2011 - I ZR 127/10 - Das Boot I). Das LG gab seiner im vorliegenden Rechtsstreit auf die erteilten Auskünfte gestützte Zahlungsklage teilweise statt. Auf die Berufung sämtlicher Parteien hat das OLG das Urteil abgeändert und die Beklagte zu 1) zur Zahlung von 162.079,27 € und zur Einwilligung in die Anpassung des streitgegenständlichen Vertrages verurteilt. Die Beklagten zu 2) und 3) hat es zur Zahlung von 89.856,59 € bzw. 186.490,74 € verurteilt; zudem hat es für die Zeit ab dem 9.10.2015 bzw. ab dem 1.4.2017 deren Verpflichtung zur Zahlung einer weiteren angemessenen Beteiligung festgestellt. Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Klagen abgewiesen.
In einem weiteren Verfahren hat der Kläger die mit dem Beklagten zu 2) in der ARD organisierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aus § 32a Abs. 2 UrhG in Anspruch genommen. Hierüber hat der Senat durch Zurückverweisung der Sache ans Berufungsgericht entschieden (BGH-Urt. v. 20.2.2020 - I ZR 176/18 - Das Boot II).
Auf die Revision sämtlicher Parteien hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gründe:
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung einer weiteren angemessenen Beteiligung nicht zuerkannt werden.
Der Kläger kann von den Beklagten nach § 32a Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 UrhG eine weitere angemessene Beteiligung beanspruchen, wenn die Vergütung, die er mit der Beklagten zu 1) vereinbart hatte, in einem auffälligen Missverhältnis zu den Vorteilen steht, die die Beklagten mit der Verwertung des Films erzielt haben. Ein solches auffälliges Missverhältnis liegt jedenfalls vor, wenn die vereinbarte Vergütung nur die Hälfte der angemessenen Vergütung beträgt, also der Vergütung, die mit Rücksicht auf die Höhe der erzielten Vorteile üblicher- und redlicherweise zu leisten ist.
Das OLG hat seiner Prüfung, ob im Streitfall ein solches auffälliges Missverhältnis besteht, die vereinbarte Pauschalvergütung im Hinblick auf jeden Beklagten in voller Höhe zugrunde gelegt. Es hat dabei nicht berücksichtigt, dass es bei der Prüfung des auffälligen Missverhältnisses gem. § 32a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 UrhG ausschließlich auf das Verhältnis zwischen dem Urheber und dem auf weitere Beteiligung in Anspruch genommenen Nutzungsberechtigten ankommt.
Gibt es nur einen Vertragspartner, kann die gesamte mit dem Urheber vereinbarte Vergütung ins Verhältnis zu den gesamten vom Nutzungsberechtigten erzielten Erträgen und Vorteilen gesetzt werden. Gibt es dagegen - wie im vorliegenden Fall - einen Vertragspartner, der mehreren Dritten unterschiedliche Nutzungsrechte eingeräumt hat, muss bei der Prüfung des auffälligen Missverhältnisses jeweils der - zu schätzende - Teil der vereinbarten Gegenleistung, der auf die von dem jeweiligen Nutzungsberechtigten verwerteten Nutzungsrechte entfällt, ins Verhältnis zu den von diesem Nutzungsberechtigten erzielten Erträgen und Vorteilen gesetzt werden.
Das Berufungsgericht hat ferner die von den Beklagten mit der Nutzung der urheberrechtlich geschützten Leistung des Klägers erzielten Vorteile unter indizieller Heranziehung von Vergütungsregelungen in Tarifverträgen und gemeinsamen Vergütungsregeln bestimmt, die nach den Umständen des Streitfalls unmittelbar nicht anwendbar sind. Der Senat hat diese Bemessung der Vorteile durch das Berufungsgericht gebilligt. Den Gerichten ist für die im Wege der Schätzung zu ermittelnde Höhe des Vorteils nach § 287 Abs. 2 ZPO ein weites Ermessen eingeräumt. In der Revisionsinstanz ist eine solche Schätzung nur eingeschränkt darauf überprüfbar, ob das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist und sämtliche für die Beurteilung bedeutsamen Tatsachen berücksichtigt hat.
Danach ist die vom Berufungsgericht vorgenommene Schätzung des Vorteils durch indizielle Heranziehung von nach den Umständen sachgerechten Bewertungsgrundlagen aus Tarifverträgen und gemeinsamen Vergütungsregelungen grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die vom OLG vorgenommene indizielle Anwendung dieser Regelungen hält der rechtlichen Nachprüfung jedoch nicht in allen Einzelheiten stand.
Wegen dieser Berechnungsfehler bei der Prüfung des vom Kläger erhobenen Anspruchs ist der Annahme des Berufungsgerichts, es liege im Verhältnis zu jedem Beklagten ein auffälliges Missverhältnis vor, die Grundlage entzogen. Es wird daher im wiedereröffneten Berufungsverfahren erneut zu prüfen haben, ob der auf die Einräumung der bei den Beklagten jeweils in Rede stehenden Rechte entfallende Teil der vereinbarten Pauschalvergütung in einem auffälligen Missverhältnis zu den von den Beklagten mit der Nutzung der urheberrechtlich geschützten Leistung des Klägers erzielten Vorteilen steht und der Kläger von den Beklagten daher eine weitere angemessene Beteiligung beanspruchen kann.