Zur Verjährung der Ansprüche aus Reisewerten
OLG Hamm 5.4.2016, 4 U 36/15 u.a.Der klagende Verbraucherschutzverein nimmt die beklagte Firma und ihre persönlich haftende Gesellschafterin, eine weitere Firma, in zwei wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten auf Unterlassung in Anspruch. Die Beklagte betreut sog. Serviceverträge, mit denen Verbraucher gegen ein mtl. gezahltes Serviceentgelt sog. Reisewerte erwerben. Diese ermöglichen es dem Verbraucher bei einer späteren Reisevermittlung über ein im Vertrag bestimmtes Reisebüro Reiseleistungen, verbunden mit Sonderkonditionen und auch reisebezogene Serviceleistungen, z.B. eine Auslandskrankenversicherung, in Anspruch zu nehmen. Die Reisewerte sind dabei auf den Reisepreis zu verrechnen und können an den Verbraucher nicht in bar zurückgezahlt werden.
Einen derartigen Servicevertrag hatte eine Verbraucherin im Jahre 2006 für ein mtl. Serviceentgelt von 75 € abgeschlossen. Dieser Kundin übersandte die durch ihre persönlich haftende Gesellschafterin vertretene Beklagte im Juni 2013 eine Aufstellung über gezahlte Serviceentgelte und erworbene Reisewerte. In dem Schreiben wies die Beklagte darauf hin, dass die Ansprüche der Kundin auf Anrechnung der Reisewerte binnen drei Jahren verjährten und die Verjährung am Schluss des Jahres beginne, in dem der jeweilige Reisewert erworben worden sei. Die Aufstellung enthielt zudem die Angabe, welche Einzelwerte aufgrund ihrer Verjährung zum Ende der Jahre 2011 und 2012 vom Reisewertbestand abzuschreiben wären. Diese Angaben zur Verjährung und Abschreibung hält die Klägerin für rechtlich unzulässig und irreführend. Sie verlangt von den Beklagten, derartige Angaben gegenüber Verbrauchern mit derartigen Serviceverträgen zu unterlassen.
Das LG gab den Unterlassungsklagen statt. Die Berufungen der Beklagten hatten vor dem OLG keinen Erfolg. Die Entscheidungen sind nicht rechtskräftig. Die Revision zum BGH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts zugelassen.
Die Gründe:
Die der geschäftlichen Tätigkeit der beiden Beklagten zuzurechnende Aufstellung enthält irreführende Angaben zu den angebotenen Dienstleistungen, hier zum Beginn der Verjährung des Anspruchs des Verbrauchers auf Anrechnung erworbener Reisewerte. Auch die mit diesen Angaben vorgenommenen Abzüge vom Reisewertbestand sind irreführend, weil die Abzüge nicht der materiellen Rechtslage entsprechen.
Die Einzelwerte des Verbrauchers verjähren nicht am Schluss des Jahres, in dem sie erworben worden sind. Die Verjährung der von ihnen verkörperten Anrechnungsansprüche beginnt vielmehr erst am Schluss des Jahres, in dem ein Verbraucher den Anrechnungsanspruch geltend gemacht hat. Der Anspruch ist ein sog. verhaltener Anspruch. Das bedeutet, dass der verpflichtete Vertragspartner des Verbrauchers die geschuldete Leistung nicht von sich aus erbringen kann, sondern erst leisten darf, nachdem sie der Verbraucher verlangt hat. Als Kunde hat der Verbraucher den Anspruch, in Höhe der angesparten Reisewerte von den Kosten einer von ihm ausgesuchten und gebuchten Reise freigestellt zu werden.
Nach den zugrunde liegenden Vereinbarungen und der Interessenlage der Beteiligten wird dieser Anspruch erst fällig, wenn der Kunde eine Anrechnung seiner Reisewerte auf eine konkrete, bereits vermittelte Reise verlangt. Dementsprechend beginnt der Lauf der Verjährungsfrist erst am Ende des Jahres dieses Leistungsverlangens des Verbrauchers. Die abweichende, irreführende Darstellung im Schreiben der Beklagten ist auch geschäftlich relevant. Sie ist geeignet, einen Verbraucher, der die drohende Verjährung von Reisewerten vor Augen hat, zu einer dies verhindernden Reisebuchung zu bewegen.
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