Zur Verweigerung des Zugangs zum Fährhafen Puttgarden gegenüber konkurrierenden Fährdienstunternehmen
BGH 11.12.2012, KVR 7/12Die Beschwerdeführerin, die Scandlines Deutschland GmbH, ist Eigentümerin des Fährhafens Puttgarden/Fehmarn. Sie bietet von dort nach Rødby/Dänemark, auf der sog. Vogelfluglinie, den einzigen Fährdienst an. Die Beigeladenen, zwei norwegische Gesellschaften, beabsichtigen, ebenfalls einen Fährdienst auf dieser Route einzurichten und möchten hierzu den Fährhafen Puttgarden mitbenutzen. Scandlines weigert sich, den Zugang zu land- und seeseitigen Hafeneinrichtungen zu gewähren.
Das Bundeskartellamt sah in dieser Weigerung einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Scandlines, der gegen europäisches und deutsches Kartellrecht verstoße. Es verpflichtete Scandlines, Verhandlungen mit den Beigeladenen aufzunehmen und einen Zugangsvorschlag zu unterbreiten.
Die hiergegen erhobene Beschwerde von Scandlines hatte Erfolg. Das OLG nahm an, die Missbrauchstatbestände des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB und des Art. 102 AEUV seien nicht erfüllt, weil die Zugangsverweigerung gerechtfertigt sei. Die Mitbenutzung des Fährhafens Puttgarden durch die Beigeladenen sei aus rechtlichen Gründen unmöglich, weil die von den Beigeladenen geplanten Park- und Vorstauflächen derzeit für den Eisenbahnverkehr gewidmet seien. Dass dieses Hindernis (durch eisenbahnrechtliche Entwidmung oder Planfeststellung) ausgeräumt werden kann, sei nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorherzusehen. Die Ungewissheit darüber, ob dieses Hindernis beseitigt werden kann, gehe nach Darlegungs- und Beweislastgrundsätzen zu Lasten des Bundeskartellamts und der Beigeladenen.
Auf die Rechtsbeschwerde des Bundeskartellamts hob der BGH die Beschwerdeentscheidung auf und verwies die Sache an das OLG zurück.
Die Gründe:
Die Prüfung der sachlichen Rechtfertigung der Verweigerung einer Mitbenutzung wegen Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit i.S.v. § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB erfordert stets ein Prognose. Daher ist nicht zwischen gegenwärtiger und künftiger rechtlicher Möglichkeit einer Mitbenutzung zu unterscheiden. In beiden Fällen geht die Ungewissheit darüber, ob das Mitbenutzungsvorhaben durchführbar ist, nach der gesetzlichen Beweislastverteilung zu Lasten des Inhabers der Infrastruktureinrichtung.
Gerade komplexe Vorhaben sind kaum ohne Einholung behördlicher Entscheidungen durchzuführen, deren Ausgang regelmäßig nicht vorauszusehen ist. Dies gilt insbes. für die Mitbenutzung von Seehafenanlagen zum Zwecke der Ermöglichung von Wettbewerb auf dem nachgelagerten Markt des Fährverkehrs, die ein vom Gesetzgeber ausdrücklich in Betracht gezogener Anwendungsfall des Regelbeispiels nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ist.
Bei dem bislang festgestellten Sachverhalt kann eine dauerhafte Unmöglichkeit der Mitbenutzung und somit eine sachliche Rechtfertigung der Zugangsverweigerung nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB nicht angenommen werden. Die vom OLG angeführte ernsthafte, nicht bloß vage Möglichkeit, dass die derzeit ungenutzten Teile der Eisenbahninfrastruktur im Zuge der Baumaßnahmen zur Errichtung der festen Fehmarnbeltquerung benötigt werden und daher die beabsichtigte Mitbenutzung des Hafens an den notwendigen behördlichen Entscheidungen scheitern kann, genügt dafür nicht.
Ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung i.S.v. Art. 102 AEUV kann daher mit der vom OLG gegebenen Begründung ebenso wenig ausgeschlossen werden.
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