23.07.2012

Zur Verwirkung von Unterlassungsansprüchen bei wiederholten - zeitlich unterbrochen auftretenden - Markenverletzungen

Wiederholte gleichartige Markenverletzungen, die zeitlich unterbrochen auftreten, lösen jeweils einen neuen Unterlassungsanspruch aus und lassen die für die Beurteilung des Zeitmoments bei der Verwirkung maßgebliche Frist jeweils neu beginnen. Rechtsfolge der Verwirkung nach § 242 BGB ist im Immaterialgüterrecht allein, dass ein Schutzrechtsinhaber seine Rechte im Hinblick auf bestimmte konkrete bereits begangene oder noch andauernde Rechtsverletzungen nicht mehr durchzusetzen vermag.

BGH 18.1.2012, I ZR 17/11
Der Sachverhalt:
Die in Japan ansässige Klägerin stellt Motorräder her. Sie ist Inhaberin der Gemeinschaftsbildmarke Nr. 3310034, die das Wort "HONDA" darstellt und im November 2003 u.a. für Fahrzeuge (Klasse 12) eingetragen worden ist. Weiterhin ist sie Inhaberin der in roter Schrift gehaltenen, i.Ü. identischen Gemeinschaftsbildmarke Nr. 2181519, die im September 2002 ebenfalls für Fahrzeuge (Klasse 12) eingetragen worden ist. Die Klägerin verwendet die Marken zur Kennzeichnung der von ihr hergestellten "HONDA"-Motorräder.

Die Beklagte handelt mit Motorrädern. Im Januar 2007 lieferte sie zwei "HONDA"-Motorräder nach Spanien, die sie zuvor von Händlern aus Singapur und Hongkong erworben hatte. Ferner bot sie im Februar 2008 in ihrem Ladengeschäft ein Motorrad mit der Bezeichnung "Honda CBR 600 RR" zum Kauf an, das sie ebenfalls aus Singapur importiert hatte. Die Klägerin sieht darin eine Verletzung ihrer Markenrechte und mahnte die Beklagte im März 2008 erfolglos ab.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Motorräder der Marke Honda, die ohne Zustimmung der Klägerin erstmals auf dem Gebiet der EU bzw. des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) in Verkehr gebracht worden sind, anzubieten (etc.) und/oder solche Produkte erstmals ohne Zustimmung der Klägerin in die EU bzw. den EWR einzuführen. Die Beklagte beruft sich hingegen auf Erschöpfung der Markenrechte und wendet Verwirkung des Unterlassungsanspruchs ein, weil sie seit 25 Jahren "HONDA"-Motorräder aus den USA, Singapur und Hongkong importiere, was der Klägerin nicht verborgen geblieben sei.

LG und OLG gaben der Klage antragsgemäß statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil insoweit auf, als das OLG die Beklagte über das Gebiet der EU hinaus zur Unterlassung verurteilt hat, und wies die Klage in diesem Umfang ab.

Die Gründe:
Das OLG hat dem Unterlassungsantrag der Klägerin für das Gebiet der EU zu Recht stattgegeben. Nur soweit das Verbot sich darüber hinaus auch auf das gesamte Gebiet des EWR erstreckt, war der Revision stattzugeben; denn das Unterlassungsgebot kann nicht für das gesamte Gebiet des EWR ausgesprochen werden. Schutzgebiet der Gemeinschaftsmarke ist allein das Gebiet der EU.

Das OLG hat zu Recht den Verletzungstatbestand des Art. 9 Abs. 1 Buchst. a GMV bejaht und eine Erschöpfung des Markenrechts der Klägerin verneint. Eine Erschöpfung des Markenrechts nach Art. 13 Abs. 1 GMV ist nicht eingetreten. Die Klägerin hat die "HONDA"-Motorräder nicht selbst im EWR in Verkehr gebracht. Mit Recht hat das OLG angenommen, dass sie dazu auch keine Zustimmung erteilt hat. Das OLG hat auch zu Recht eine Verwirkung des Unterlassungsanspruchs der Klägerin verneint.

Verwirkung ist ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens, bei dem der Verstoß gegen Treu und Glauben in der Illoyalität der verspäteten Rechtsausübung liegt. Dabei ist indes zu beachten, dass bei wiederholten, gleichartigen Verletzungshandlungen jede Verletzungshandlung einen neuen Unterlassungsanspruch entstehen lässt. So ist im Nachbarrecht anerkannt, dass wiederholte gleichartige Störungen, die zeitlich unterbrochen auftreten, jeweils einen neuen Unterlassungsanspruch auslösen und die für die Beurteilung des Zeitmoments bei der Verwirkung maßgebliche Frist jeweils neu beginnen lassen.

Dieser nachbarrechtliche Grundsatz kann, wie das OLG zutreffend erkannt hat, auf die Verwirkung des markenrechtlichen Unterlassungsanspruchs übertragen werden. Auch längere Untätigkeit des Markeninhabers gegenüber bestimmten gleichartigen Verletzungshandlungen kann kein berechtigtes Vertrauen eines Händlers begründen, der Markeninhaber dulde auch künftig sein Verhalten und werde weiterhin nicht gegen solche - jeweils neuen - Rechtsverletzungen vorgehen. Rechtsfolge der allgemeinen Verwirkung auf der Grundlage des § 242 BGB ist im Markenrecht allein, dass ein Markeninhaber seine Rechte im Hinblick auf bestimmte konkrete, bereits begangene oder noch andauernde Rechtsverletzungen nicht mehr durchzusetzen vermag.

Die vom Antrag der Klägerin umfasste Verletzungsform ist die ohne ihre Zustimmung erfolgende Einfuhr von Motorrädern der Marke HONDA in den EWR. Die für die Beurteilung des Zeitmoments der Verwirkung maßgebliche Frist hat daher mit jeder Einfuhr eines einzelnen Motorrads neu zu laufen begonnen. Die Klägerin hat die Beklagte wegen des im Februar 2008 von ihr ausgestellten Honda-Motorrads bereits im März 2008 abgemahnt. Mithin kommt schon mangels eines relevanten Zeitmoments eine Verwirkung des von der Klägerin geltend gemachten, allein in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruchs nicht in Betracht.

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