Zur Wirksamkeit einer klauselmäßigen Behaltensvereinbarung für Vertriebsvergütungen
BGH 14.1.2014, XI ZR 355/12Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverband, der als qualifizierte Einrichtung gem. § 4 UKlaG eingetragen ist. Die Beklagte ist eine Privatbank. Der Kläger machte die Unwirksamkeit einer im Formular "Rahmenvereinbarung für Wertpapiergeschäft" der Beklagten verwendeten Klausel geltend, in der es auszugsweise hieß:
"Der Kunde erklärt sich damit einverstanden, dass die Bank die von den Emittenten an sie geleisteten Vertriebsvergütungen behält, vorausgesetzt, dass die Bank die Vertriebsvergütungen nach den Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes (insbesondere § 31 d WpHG) annehmen darf. Insoweit treffen der Kunde und die Bank die von der gesetzlichen Regelung des Rechts der Geschäftsbesorgung (§§ 675, 667 BGB, 384 HGB) abweichende Vereinbarung, dass ein Anspruch des Kunden gegen die Bank auf Herausgabe der Vertriebsvergütungen nicht entsteht."
Der Kläger war der Ansicht, die Klausel verstoße gegen § 307 BGB und nahm die Beklagte darauf in Anspruch, deren Verwendung gegenüber Privatkunden zu unterlassen. Zur Begründung führte er u.a. an, die Klausel benachteilige die Kunden der Beklagten unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB, weil die Beklagte damit von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des Geschäftsbesorgungsvertrages und des Kommissionsgeschäftes abweiche. Zudem verstoße die Klausel gegen das Transparenzgebot.
Das LG gab der Klage - bis auf einen vom Kläger nicht weiterverfolgten geringen Zahlungsantrag - statt; das OLG wies sie ab. Die Revision des Klägers blieb vor dem BGH erfolglos.
Die Gründe:
Die streitige Klausel hielt der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB stand.
Hierfür bedurfte es vor allem keiner Klärung der in Rechtsprechung und Literatur umstrittenen und vom BGH noch nicht entschiedenen Frage, ob Banken verpflichtet sind, Vertriebsvergütungen, die sie von Wertpapieremittenten erhalten, gem. § 384 Abs. 2 Hs. 2 Fall 2 HGB, § 667 Fall 2 BGB an ihre Kunden herauszugeben. Die streitige Regelung unterlag zwar, sofern man von einer solchen Herausgabepflicht ausging, uneingeschränkter Inhaltskontrolle, hielt dieser aber stand.
Die Klausel genügte vor allem dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Sie ließ - in der Zusammenschau mit erläuternden Angaben zu den in Rede stehenden Vergütungen, die in zwei weiteren, der streitigen Bestimmung einleitend vorangestellten Absätzen der Rahmenvereinbarung enthalten waren - die inhaltliche Reichweite und die wirtschaftliche Tragweite des vom Kunden im Voraus erklärten Anspruchsverzichts hinreichend klar erkennen. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot folgte auch nicht daraus, dass die Beklagte zur Bestimmung der Vertriebsvergütungen, die sie annehmen und behalten darf, allgemein auf Vorschriften des WpHG und "insbesondere" auf § 31d WpHG verwies. Denn das Transparenzgebot verlangt weder, dass der Wortlaut der Norm oder sonstiger Gesetzesvorschriften in der Klausel abgedruckt wird, noch fordert es, dass die Klausel zusammenfassend erläutert, unter welchen Voraussetzungen die Beklagte Vertriebsvergütungen aufsichtsrechtlich annehmen darf.
Der formularmäßige Vorausverzicht stellte sich hier auch nicht als unangemessene Benachteiligung (§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB) der Kunden der Beklagten dar. Es entsprach zunächst einem berechtigten Rationalisierungsinteresse der Bank, einen Herausgabeverzicht im Massengeschäft wie dem - häufig telefonisch abgewickelten - Wertpapiergeschäft nicht in jedem Einzelfall vereinbaren zu müssen, sondern sich diesen für eine Vielzahl von Fällen im Voraus schriftlich erklären zu lassen. Zugleich blieb die Entscheidungsfreiheit des Kunden bei der hier gewählten Klauselgestaltung gewahrt. Der Kunde kannte bei Unterzeichnung der Behaltensvereinbarung die regelmäßigen Provisionsspannen der Beklagten. Seinem weitergehenden Informationsinteresse in Bezug auf den wirtschaftlichen Wert seines Anspruchsverzichts wird dadurch Rechnung getragen, dass ihm die Beklagte - wie in der Einleitung der streitigen Klausel geregelt - die konkrete Provisionshöhe vor Abschluss der einzelnen Wertpapiergeschäfte im Fall der Anlageberatung unaufgefordert und im Übrigen auf Nachfrage mitteilt.
In der Einleitung der Klausel wurde, was sachgerecht war, nach dem Schutzbedürfnis des Kunden bei der Anlageberatung einerseits und dem beratungsfreien Wertpapiergeschäft andererseits unterschieden. Die Abbedingung etwaiger Herausgabeansprüche des Kunden stand zudem unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Beklagte die Provisionen auch aufsichtsrechtlich, insbesondere nach § 31d WpHG annehmen darf. Abgesehen davon blieb die Bank, die Anwendbarkeit des Rechts der Geschäftsbesorgung und der Kommission auf sämtliche Wertpapiergeschäfte unterstellt, verpflichtet, über eine vereinnahmte Vertriebsvergütung Rechenschaft abzulegen, so dass der Kunde deren Höhe im Nachhinein prüfen konnte.
Sofern gesetzliche Ansprüche des Kunden gegen die Bank auf Herausgabe vereinnahmter Vertriebsprovisionen nicht bestehen sollten, begegnete die streitige Klausel gleichfalls keinen inhaltlichen Bedenken. Als rein deklaratorische Regelung unterlag sie von vorneherein nicht der uneingeschränkten Inhaltskontrolle (§ 307 Abs. 3 S. 1 BGB). Zudem kann die Rechtsstellung eines Kunden, dem bereits von Gesetzes wegen keine Herausgabeansprüche zustehen, durch einen Verzicht hierauf denknotwendig nicht in unangemessener Weise verkürzt werden.
Linkhinweise:
- Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
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