Zur Zulässigkeit der Veröffentlichung von Luftbildaufnahmen von Feriendomizilen Prominenter
BGH v. 5.11.2024 - VI ZR 110/23Die Kläger wenden sich gegen eine von der Beklagten veröffentlichte Wort- und Bildberichterstattung. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist noch die von den Klägern zu 3) und 4) erwirkte Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung der Veröffentlichung eines Bildes und zur Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten.
Der Kläger zu 3) ist ein international bekannter ehemaliger Formel-1-Rennfahrer, die Klägerin zu 4) seine Ehefrau, die Kläger zu 1) und 2) sind deren gemeinsame Kinder. Die Beklagte verlegt die Zeitschrift FREIZEIT SPASS. In der Ausgabe Nr. 30 vom 15.7.2020 veröffentlichte sie dort einen Artikel über die Kläger, der sich unter der Überschrift "Endlich Urlaub! Neues Familien-Glück auf Mallorca" mit einem gemeinsamen Aufenthalt der Kläger auf der Baleareninsel befasst. Der Beitrag lautet auszugsweise wie folgt:
"G [voller Name der Klägerin zu 2)] stand das Glück ins Gesicht geschrieben, als sie in einer Bucht bei Port d'Andratx vor einem Jetski stand. Und auch Bruder M [Vorname des Klägers zu 1)] flitzte beseelt mit dem Fahrzeug übers Wasser. So ausgelassen hat man die Kinder von M [voller Name des Klägers zu 3)] ja lange nicht mehr gesehen!
Rückblick. Wegen der Corona-Pandemie mussten auch sie monatelang zu Hause in ... bleiben. Jetzt genossen beide unbeschwerte Urlaubstage mit Freunden auf Mallorca, wo Mama C [Vorname der Klägerin zu 4)] ein traumhaftes Anwesen mit Pool und großem Garten gekauft hat. Sie selbst hielt sich aus der Öffentlichkeit heraus. Vielleicht, weil sie wie im letzten Jahr alles für die Ankunft ihres Mannes vorbereitete. Schon früher wurde M [Vorname des Klägers zu 3)] mit einem Spezial-Helikopter auf die Insel gebracht."
Der Beitrag wurde u.a. mit einem Luftbild von dem im Artikel genannten Anwesen illustriert (Bildinschrift: "Das traumhafte Anwesen der Familie auf Mallorca mit Garten und Pool").
Die Kläger zu 1) und 2) wandten sich in erster Instanz gegen die Veröffentlichung der in dem Beitrag enthaltenen Äußerungen "Jetzt genossen beide unbeschwerte Urlaubstage mit Freunden auf Mallorca" und "als sie in einer Bucht bei Port d'Andratx vor einem Jetski stand" und verlangten zudem die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Insoweit wurde der Rechtsstreit nach Abgabe einer Abschlusserklärung der Beklagten übereinstimmend für erledigt erklärt. Den geltend gemachten Zahlungsanspruch erkannte die Beklagte an. Die Kläger zu 3) und 4) beantragten die Untersagung der erneuten Veröffentlichung der Luftbildaufnahme und verlangten die Erstattung hierauf bezogener vorgerichtlicher Anwaltskosten. Daneben wandte sich der Kläger zu 3) gegen die Veröffentlichung der Äußerung "Schon früher wurde M [Vorname des Klägers zu 3)] mit einem Spezial-Helikopter auf die Insel gebracht".
Das LG gab der Klage insoweit statt, als es der Beklagten in Bezug auf die Kläger zu 3) und 4) die Veröffentlichung der Luftbildaufnahme - wie geschehen in der Zeitschrift FREIZEIT SPASS vom 15.7.2020 - untersagte und sie ihrem Anerkenntnis gemäß zur Zahlung an die Kläger zu 1) und 2) und daneben zur Zahlung eines Betrages von jeweils rd. 180 € nebst Zinsen an die Kläger zu 3) und 4) verurteilte. Im Übrigen wies es die Klage ab. Die gegen ihre Verurteilung zu Gunsten der Kläger zu 3) und 4) gerichtete Berufung der Beklagten wies das OLG zurück. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH die Urteile von OLG und LG insoweit auf, als in Ziffer 1 und 2 des Urteilstenors zu Gunsten der Kläger zu 3) und 4) entschieden worden ist, und wies die Klage auch insoweit ab.
Die Gründe:
Weder dem Kläger zu 3) noch der Klägerin zu 4) steht ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung bzw. Verbreitung der streitgegenständlichen Luftbildaufnahme nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG wegen der Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu. Daher besteht auch kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
Im Ausgangspunkt zutreffend hat das OLG angenommen, dass die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Fotos einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger zu 3) und 4) in seiner Ausprägung als Recht auf Schutz der Privatsphäre darstellt. Das Recht auf Achtung der Privatsphäre gesteht jedermann einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung zu, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann. Dazu gehört auch das Recht, für sich zu sein, sich selbst zu gehören und den Einblick durch andere auszuschließen. Hier hat die Beklagte durch die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Fotos in die Privatsphäre der Kläger zu 3) und 4) eingegriffen. Das abgebildete Anwesen der Kläger ist von außen aufgrund besonderer Schutzmaßnahmen, insbesondere aufgrund seiner Lage in einer "Gated Community", nicht einsehbar. Die Kläger halten sich dort zu Urlaubs- und Erholungszwecken auf. Mit der Veröffentlichung der Luftbildaufnahme unter namentlicher Zuordnung des abgebildeten Anwesens zu den Klägern wird damit einem breiten Publikum Einblick in einen privaten Lebensbereich der Kläger gewährt, den diese erkennbar vor den Augen der Öffentlichkeit verschließen wollten. Dies genügt hier, um einen Eingriff in die Privatsphäre zu bejahen.
Der vorliegende Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist jedoch nicht rechtswidrig. Die Reichweite des Persönlichkeitsrechts muss grundsätzlich erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden. Da die angegriffene Berichterstattung der Beklagten die Privatsphäre der Kläger betrifft, ist von entscheidender Bedeutung, ob sie sich durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertigen lässt. Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist im Gesamtkontext, in den das Bild gestellt ist, zu ermitteln, insbesondere unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung. Je größer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto mehr muss das Schutzinteresse desjenigen, über den informiert wird, hinter den Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten. Umgekehrt wiegt aber auch der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen umso schwerer, je geringer der Informationswert für die Allgemeinheit ist. Bei der Abbildung eines Grundstücks kann die Intensität des Eingriffs dadurch erhöht werden, dass sie die Auffindbarkeit des Anwesens erleichtert und durch die damit verbundene Anlock- und Anreizwirkung für Neugierige dessen Eignung als Rückzugsort für den Betroffenen gefährdet.
Danach ist die vom OLG vorgenommene Abwägung rechtfehlerhaft. Das Interesse der Kläger zu 3) und 4) am Schutz ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts überwiegt vorliegend nicht das Recht der Beklagten auf Meinungsfreiheit. Mit der Veröffentlichung der Luftbildaufnahme von der Beklagten wird ein nicht unerhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit befriedigt. Der Kläger zu 3) gehört als berühmter Rennfahrer auch nach Beendigung seiner Karriere zu den Personen des öffentlichen Lebens, aufgrund deren Leitbild- und Kontrastfunktion Berichte über ihr Alltags- und Privatleben zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen können. Auch die Klägerin zu 4) ist öffentlich bekannt. Die in dem streitgegenständlichen Artikel enthaltene und durch die angegriffene Aufnahme illustrierte Beschreibung der Lebensgewohnheiten und Wohnverhältnisse der prominenten Kläger auf der beliebten Ferieninsel Mallorca bedient demnach ein berechtigtes öffentliches Informationsinteresse. Richtig ist auch die Beurteilung des OLG, dass die Privatsphäre der Kläger zu 3) und 4) durch die Veröffentlichung des Luftbildes nur in ihrem Randbereich betroffen ist. Einen tieferen Einblick in die Lebensgewohnheiten der Kläger gewährt die Aufnahme nicht. Zu sehen sind auf dem relativ kleinen Bild lediglich mehrere Gebäude samt umgebender Gartenanlage, wobei unklar bleibt, wo die Grundstücksgrenze der Kläger verläuft. Der im Text erwähnte Pool ist nicht abgebildet. Private Ausstattungsgegenstände der Bewohner sind nicht erkennbar.
Rechtsfehlerhaft ist jedoch die vom OLG als für das Abwägungsergebnis entscheidend angesehene Annahme, aufgrund der in dem Artikel enthaltenen Mitteilung, die Kinder der Kläger zu 3) und 4) verbrächten in einer Bucht bei Port d'Andratx unbeschwerte Urlaubstage auf Mallorca, wo die Klägerin zu 4) ein traumhaftes Anwesen gekauft habe, wisse der Leser, dass sich die Villa der Kläger in der Nähe der Bucht bei Port d'Andratx befinde, wodurch die Eignung des Grundstücks als Rückzugsort gefährdet werde. Hier verkennt das OLG den Aussagegehalt der Wortberichterstattung. Der Ort Port d'Andratx wird in dem Beitrag lediglich im Zusammenhang mit der Schilderung der Ausübung von Wassersport durch die Kläger zu 1) und 2) genannt. Dass an diesem Ort oder in dessen Nähe auch das klägerische Anwesen zu finden ist, lässt sich - anders als das OLG meint - dem Artikel nicht entnehmen.
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