16.02.2016

Zur Zulässigkeit einer untergeordneten Treuhandtätigkeit einer Rechtsanwaltsgesellschaft

Enthält die Firma einer Rechtsanwaltsgesellschaft inhaltlich zutreffend einen Hinweis auf eine von der Gesellschaft ausgeübte Treuhandtätigkeit, wird eine Irreführung der beteiligten Verkehrskreise nicht dadurch hervorgerufen, dass diese Tätigkeit in der Satzung der Gesellschaft als Unternehmenszweck nicht genannt wird. Da die Treuhandtätigkeit seit jeher zum Berufsbild der Rechtsanwälte gehört, kann eine untergeordnete Treuhandtätigkeit auch ohne ausdrückliche gesetzliche Gestattung Unternehmensgegenstand einer Rechtsanwaltsgesellschaft sein.

BGH 30.7.2015, I ZR 18/14
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist die Rechtsanwaltskammer für den Bezirk des OLG München. Die Beklagte zu 1) ist eine Rechtsanwaltsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH, die unter "ESCRO Treuhandgesellschaft mbH Rechtsanwaltsgesellschaft" firmiert. Der Beklagte zu 2) ist Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Beklagten zu 1).

Nachdem die Klägerin den Beklagten zu 2) mit Schreiben vom 1.12.2010 darauf hingewiesen hatte, dass eine Zulassung der Beklagten zu 1) als Rechtsanwaltsgesellschaft wegen der in deren Satzung als Unternehmenszweck genannten Treuhandtätigkeiten nicht in Aussicht gestellt werden könne, ließ der Beklagte zu 2) die entsprechende Passage aus der Satzung der Beklagten zu 1) entfernen. Am 14.12.2010 ließ die Klägerin die Beklagte zu 1) trotz bereits geäußerter Bedenken gegen die Zulässigkeit ihrer Firma als Rechtsanwaltsgesellschaft zu.

Die Beklagte zu 1) verwaltet treuhänderisch ungefähr 17.000 Fondsbeteiligungen für elf Publikums-Kommanditgesellschaften. Die Klägerin hält die von der Beklagten zu 1) verwendete Firma für irreführend und unzulässig, weil eine Treuhandtätigkeit nicht Unternehmensgegenstand einer Rechtsanwaltsgesellschaft sein dürfe. Die Klägerin beantragte, die Beklagten unter Androhung bestimmter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für eine Rechtsanwaltsgesellschaft die Firma ESCRO Treuhandgesellschaft mbH Rechtsanwaltsgesellschaft zu führen.

Das LG gab der Klage statt; das OLG wies sie ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG hat zu Recht einen auf Unterlassung der von der Beklagten zu 1) verwendeten Firmierung gerichteten Anspruch der Klägerin nach § 8 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 Nr. 2 UWG verneint. Der Klägerin steht ein solcher Anspruch unter dem Gesichtspunkt einer Irreführung des Verkehrs über den tatsächlichen Unternehmensgegenstand der Beklagten zu 1) durch Verwendung des Firmenbestandteils "Treuhandgesellschaft" nach §§ 3, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG nicht zu.

Die Firmenbezeichnung der Beklagten zu 1) kann nicht deshalb als irreführend angesehen werden, weil die Treuhandtätigkeit als Unternehmenszweck aus der Satzung der Beklagten zu 1) entfernt worden ist. Es ist nicht ersichtlich und wird von der Revision nicht dargelegt, dass ein die Unternehmenstätigkeit beschreibender Bestandteil der Firma einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung bei den beteiligten Verkehrskreisen eine Vorstellung über den Inhalt der gesellschaftsvertraglichen Regelungen der Gesellschaft hervor-ruft. Macht sich der angesprochene Verkehr über die Regelungen des Gesellschaftsvertrags keine Gedanken, kann er in diesem Punkt keiner Fehlvorstellung erliegen.

Der von der Klägerin gegen die Beklagten geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist nicht unter dem Gesichtspunkt der Angabe eines berufsrechtlich unzulässigen Unternehmensgegenstands in der Firmierung der Beklagten zu 1) begründet. Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich weder aus § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG noch aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 43b, 59c Abs. 1, § 59k Abs. 1 BRAO, § 6 Abs. 1 BORA. Das OLG hat zu Recht angenommen, die Tätigkeit einer Rechtsanwaltsgesellschaft als Treuhänderin sei nicht nach § 59c BRAO unzulässig. Deshalb dürfe die Bezeichnung "Treuhandgesellschaft" in deren Unternehmensbezeichnung genannt werden. Das OLG hat ebenfalls zu Recht angenommen, eine gesetzliche Regelung, nach der Rechtsanwälten oder Rechtsanwaltsgesellschaften Treuhandtätigkeiten verboten seien, bestehe nicht und die Treuhandtätigkeit zähle typischerweise zum Berufsbild des Rechtsanwalts.

Auch wenn die Beklagte zu 1) nur die wirtschaftlichen Belange ihrer Treugeber wahrnehmen und in dieser Weise nicht rechtsberatend, sondern gewerblich tätig werden würde, wäre ihr diese Tätigkeit nach § 59c Abs. 1 BRAO nicht verboten. Die gesetzliche Regelung sieht als Unternehmensgegenstand von Rechtsanwaltsgesellschaften die Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten vor. Eine Treuhandtätigkeit wird als möglicher Unternehmensgegenstand einer Rechtsanwaltsgesellschaft nicht erwähnt. Dennoch kann eine Treuhandtätigkeit Unternehmensgegenstand einer Rechtsanwaltsgesellschaft sein. Die BRAO enthält - anders als WPO und StBerG - keine besondere gesetzliche Regelung, die Rechtsanwälten eine Treuhandtätigkeit gestattet.

Dies ist jedoch nicht erforderlich. Die Treuhandtätigkeit gehört seit jeher zum Berufsbild der Rechtsanwälte. Sie kann daher von Rechtsanwälten auch ohne eine entsprechende ausdrückliche gesetzliche Gestattung im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit ausgeübt werden. Da den Rechtsanwälten eine freiberufliche oder gewerbliche Treuhandtätigkeit gestattet ist, kann jedenfalls eine untergeordnete Treuhandtätigkeit auch Unternehmensgegenstand einer Rechtsanwaltsgesellschaft sein. Die Frage, ob eine Treuhandtätigkeit ohne jegliche Einschränkung, das heißt auch eine solche Treuhandtätigkeit, die gegenüber der Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten im Vordergrund steht, mit Blick auf die Unabhängigkeit der Rechtsanwaltschaft zulässig wäre, brauchte vorliegend nicht entschieden zu werden.

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