Zwangsabstieg des SV Wilhelmshaven aus der Regionalliga Nord bleibt unwirksam
BGH 20.9.2016, II ZR 25/15Der Beklagte, der Norddeutsche Fußballverband e.V., hatte den Zwangsabstieg der 1. Fußballmannschaft (Herren) des Klägers, dem SV Wilhelmshaven e.V. zum Ende der Spielzeit 2013/14 aus der Regionalliga Nord beschlossen. Der Beklagte ist Mitglied des Deutschen Fußballbunds e.V. (DFB), der wiederum Mitglied der Fédération Internationale de Football Association (FIFA) ist. Nach dem Reglement der FIFA "bezüglich Status und Transfer von Spielern" ist von einem Verein, der einen Spieler eines anderen Vereins übernimmt, im Rahmen bestimmter Altersgrenzen eine Entschädigung für die Ausbildung des Spielers zu zahlen.
Der Kläger verpflichtete vom 29.1. bis zum 30.6.2007 für seine damalige Regionalligamannschaft einen 1987 geborenen Fußballspieler mit (jedenfalls auch) italienischer Staatsangehörigkeit, der zuvor bei zwei argentinischen Fußballvereinen gespielt hatte. Auf Antrag der beiden argentinischen Vereine setzte die zuständige Kammer der FIFA im Dezember 2008 Ausbildungsentschädigungen i.H.v. insgesamt 157.500 € gegen den Kläger fest.
Dagegen rief der Kläger den Court of Arbitration for Sports (CAS) an. Dieser bestätigte die Ausbildungsentschädigungen. Da der Kläger die Entschädigungen trotz Verhängung einer Geldstrafe, Gewährung einer letzten Zahlungsfrist und Abzugs von Punkten in der Ligameisterschaft nicht an die beiden argentinischen Vereine gezahlt hatte, sprach die Disziplinarkommission der FIFA am 5.10.2012 den Zwangsabstieg des besagten Teams des Klägers aus. Nach der Bestätigung dieser Maßnahme durch den wiederum vom Kläger angerufenen CAS forderte die FIFA den DFB auf, den Zwangsabstieg umzusetzen. Der DFB reichte diese Bitte an den Beklagten weiter. Dessen Präsidium beschloss sodann den Zwangsabstieg. Eine dagegen gerichtete Beschwerde des Klägers wies das Verbandsgericht des Beklagten zurück.
Das LG wies die gegen den Zwangsabstieg zum Ende der Spielzeit 2013/14 gerichtete Klage ab. Auf die Berufung des Klägers stellte das OLG dagegen die Unwirksamkeit des Beschlusses des Beklagten, mit dem der Zwangsabstieg verfügt worden war, fest. Der BGH hat das Berufungsurteil im Ergebnis bestätigt.
Die Gründe:
Ob - wie das OLG gemeint hatte - der Abstiegsbeschuss gegen das Recht der Fußballspieler auf Freizügigkeit nach Art. 45 AEUV verstößt, konnte offen bleiben. Schließlich war der Beschluss allein schon deshalb nichtig, weil er in das Mitgliedschaftsverhältnis des Klägers zum Beklagten eingegriffen hatte, ohne dass dafür eine ausreichende Grundlage vorhanden war.
Eine vereinsrechtliche Disziplinarstrafe darf verhängt werden, wenn sie in der Satzung des Vereins vorgesehen ist. Dabei muss die Regelung eindeutig sein, damit die Mitglieder des Vereins die ihnen eventuell drohenden Rechtsnachteile erkennen und entscheiden können, ob sie diese hinnehmen oder ihr Verhalten entsprechend einrichten wollen.
Eine solche Grundlage fehlt allerdings in der Satzung des Beklagten, soweit es um Disziplinarstrafen bei Nichtzahlung von Ausbildungsentschädigungen geht. Ob sich aus den Satzungen des DFB oder der FIFA entsprechende Bestimmungen ergeben, ist dabei unerheblich. Maßgebend ist allein die Satzung des Beklagten. Denn der Kläger ist nur Mitglied des Beklagten, nicht auch des DFB oder gar der FIFA.
Regeln eines übergeordneten Verbands - wie hier der FIFA - gelten grundsätzlich nur für dessen Mitglieder. Sie erstrecken sich nicht allein aufgrund der Mitgliedschaft eines nachgeordneten Vereins - hier des Beklagten - in dem übergeordneten Verband auf die Mitglieder des nachgeordneten Vereins - hier den Kläger. Somit war der Beschluss über den Zwangsabstieg allein an der Satzung des Beklagten zu messen.
Diese Satzung verweist hinsichtlich von Disziplinarmaßnahmen bei Nichtzahlung von Ausbildungsentschädigungen auch nicht auf die Bestimmungen in den Regelwerken des DFB oder der FIFA. Damit hatte der Beklagte nicht ähnlich einem Gerichtsvollzieher nur die Entscheidung des DFB und der FIFA vollzogen, ohne sie selbst zu verantworten. Er hatte vielmehr eine eigene vereinsrechtliche Disziplinarstrafe auf der Grundlage des Mitgliedschaftsverhältnisses zwischen ihm und dem Kläger verhängt. Dass damit die Anordnung der FIFA-Disziplinarkommission umgesetzt werden sollte, war unerheblich.
Der Kläger hatte sich auch nicht auf andere Weise einer Sanktion in Form des Zwangsabstiegs wegen der Nichtzahlung der nach dem FIFA-Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern angefallenen Ausbildungsentschädigungen unterworfen. Er hatte zwar mit dem DFB einen "Zulassungsvertrag Regionalliga" über die Teilnahme an der Regionalliga geschlossen. Ob er damit aber das Reglement der FIFA bezüglich Status und Transfer von Spielern anerkannt hatte, konnte offen bleiben. Denn es ging in dem vorliegenden Verfahren nicht darum zu entscheiden, ob der Kläger die Ausbildungsentschädigung aufgrund der Festsetzung der FIFA und des ersten Schiedsspruchs des CAS zahlen muss, was ggf. in einem auf Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche gerichteten Verfahrens zu klären wäre.
Allein entscheidend war hier vielmehr die Frage, ob der Kläger bei Nichtzahlung mit einem Zwangsabstieg bestraft werden kann. Dafür hätte es einer ausreichend deutlichen Ermächtigung bedurft, die auch in dem Zulassungsvertrag nicht enthalten war. Ebenso wenig genügte die bloße Teilnahme an der Regionalliga, um eine Unterwerfung unter eine Zwangsabstiegsentscheidung des Beklagten wegen Nichtzahlung der von der FIFA festgesetzten Ausbildungsentschädigungen annehmen zu können.
Nach BGH-Rechtsprechung (Urt. v. 28.11.1994, Az.: II ZR 11/94) gelten die von dem veranstaltenden Sportverband aufgestellten Wettkampfregeln ohne weiteres für alle Wettkampfteilnehmer, weil anders ein geordneter Wettkampfbetrieb nicht möglich wäre. Die Regeln über die Ausbildungsentschädigung stellen aber keine Wettkampfregeln i.d.S dar. Der argentinische Spieler durfte vielmehr antreten, obwohl für ihn die Ausbildungsentschädigung nicht gezahlt worden war.
Linkhinweise:
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