05.07.2018

Zwangsumtausch griechischer Staatsanleihen: Zur Anwendbarkeit der Brüssel-Ia-Verordnung

Generalanwalt Bot schlägt dem EuGH vor, zu entscheiden, dass die "Brüssel-Ia"-Verordnung nicht anwendbar ist, um zu bestimmen, welches Gericht eines Mitgliedstaats für Klagen eines privaten Inhabers griechischer Staatsanleihen, die unter außergewöhnlichen Bedingungen und Umständen zwangsumgetauscht wurden, gegen den griechischen Staat zuständig ist. Es handelt sich um keinen Rechtsstreit über "Zivil- und Handelssachen" im Sinne dieser Verordnung

EuGH, C-308/17: Schlussanträge des Generalanwalts vom 4.7.2018
Der Sachverhalt:
Der Kläger wohnt in Wien. Er erwarb über eine österreichische Depotbank griechische Staatsanleihen im Nennwert von 35.000 €, bei denen es sich um Inhaberpapiere handelt, in denen das Recht auf Rückzahlung des Kapitals bei Fälligkeit und auf Zinszahlungen verbrieft ist. Bei dem von Griechenland im März 2012 vorgenommenen Zwangsumtausch wurden die vom Kläger gehaltenen Anleihen durch neue Staatsanleihen mit niedrigerem Nennwert ersetzt. Der Kläger erhob bei den österreichischen Gerichten Klage gegen Griechenland auf Erfüllung der ursprünglichen Anleihebedingungen bzw. auf Schadensersatz. Griechenland wandte hiergegen ein, dass die österreichischen Gerichte hierfür nicht zuständig seien.

Der Oberste Gerichtshof in Österreich ersucht vor diesem Hintergrund den EuGH um Auslegung der "Brüssel-Ia"-Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen (Verordnung (EU) Nr. 1215/2012). Nach dieser gilt die allgemeine Regel, wonach die Gerichte des Wohnsitzmitgliedstaats des Beklagten zuständig sind. In Vertragsangelegenheiten sieht die Verordnung jedoch zusätzlich eine besondere Zuständigkeit der Gerichte des Erfüllungsorts der streitigen Verpflichtung vor. Der Kläger macht in diesem Zusammenhang geltend, dass Griechenland bis zum Tag des Zwangsumtauschs die Zinsen auf sein Konto bei einer österreichischen Bank überwiesen habe.

Der Oberste Gerichtshof möchte daher wissen, ob sich der Erfüllungsort ungeachtet späterer Übertragungen dieser Anleihen nach den bei der Emission geltenden Anleihebedingungen bestimmt oder nach dem Ort der tatsächlichen Erfüllung der Anleihebedingungen, etwa der Zahlung von Zinsen.

Die Gründe:
Dieser Rechtsstreit fällt nicht in den Anwendungsbereich der Brüssel-Ia-Verordnung, da es sich nicht um "Zivil- oder Handelssachen" handelt. Der Rechtsstreit hat seine materielle Grundlage in einem Hoheitsakt, durch den rückwirkend unter außergewöhnlichen Bedingungen und Umständen die Umwandlung der Schuldtitel und die Änderung der ursprünglichen Anleihebedingungen angeordnet worden sind, um einen Zahlungsausfall des griechischen Staats zu verhindern und die Stabilität der Eurozone sicherzustellen.

Der Generalanwalt schlägt vor, dem Obersten Gerichtshof zu antworten, dass eine von einer natürlichen Person, die von einem Mitgliedstaat begebene Anleihen erworben hat, gegen diesen Staat erhobene Klage auf Erfüllung der ursprünglichen Anleihebedingungen bzw. auf Schadensersatz wegen deren Nichterfüllung aufgrund des Umtauschs dieser Anleihen gegen Anleihen von geringerem Wert, der dieser natürlichen Person durch ein vom nationalen Gesetzgeber unter außergewöhnlichen Umständen verabschiedetes Gesetz auferlegt wurde, das die für diese Anleihen geltenden Bedingungen einseitig und rückwirkend änderte und in diese eine Collective Action Clause einfügte, die es der Mehrheit der Inhaber dieser Anleihen erlaubte, der Minderheit einen solchen Umtausch aufzuerlegen, nicht unter die "Zivil- und Handelssachen" i.S.d. Brüssel-Ia-Verordnung fällt.

Für den Fall, dass der EuGH dieser Analyse nicht folgen und entscheiden sollte, dass es sich bei dem Rechtsstreit doch um "Zivil- und Handelssachen" i.S.d. Brüssel-Ia-Verordnung handelt, fällt die Klage, mit der sich der Erwerber von in einem Mitgliedstaat begebenen Anleihen gegenüber diesem Staat auf Rechte aus diesen Schuldtiteln beruft (insbesondere nachdem der Mitgliedstaat die Anleihebedingungen einseitig rückwirkend geändert hat), unter den Begriff "Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag" im Sinne der oben genannten besonderen Zuständigkeitsregel.

Diese Regel begründet vorliegend jedoch keine Zuständigkeit der österreichischen Gerichte. Der Erfüllungsort einer Staatsanleihe bestimmt sich nämlich nach den Anleihebedingungen bei der Emission dieses Titels, ungeachtet dessen, ob dieser später abgetreten wird oder ob die tatsächliche Erfüllung der Anleihebedingungen betreffend die Zahlung der Zinsen oder die Rückzahlung des Kapitals an einem anderen Ort erfolgt. Im vorliegenden Fall liegt der Erfüllungsort der Verpflichtung, die Gegenstand des vom Kläger angestrengten Verfahrens ist (Auszahlung der Kupons und Rückzahlung des Kapitals), in Griechenland.

Linkhinweis:

Für die auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Schlussanträge klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 101 vom 4.7.2018
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