13.12.2024

Abgebrochene Kreuzfahrt: Gerichtliche Zuständigkeit nach Brüssel Ia-VO für Klage eines Reisenden

Die internationale und örtliche Zuständigkeit nach Art. 18 Abs. 1 Fall 2 Brüssel Ia ist gegeben, wenn ein Verbraucher einen Reiseveranstalter nach Abschluss eines Pauschalreisevertrags vor dem Gericht des Mitgliedstaats verklagt, in dessen Bezirk er seinen Wohnsitz hat, und die Vertragspartner beide in dem betreffenden Mitgliedstaat ansässig sind, das Reiseziel aber im Ausland liegt.

BGH v. 26.11.2024 - X ZR 47/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte bei der Beklagten, die ein Reisebüro betreibt, eine Kreuzfahrt von Bremerhaven nach Island und zu den Färöer-Inseln vom 8. Bis 24.9.2021 zum Preis von 17.998 € gebucht. Die Kreuzfahrt wurde allerdings am 21.9.2021 abgebrochen. Der Kläger hat daraufhin die im Bezirk des LG Hanau ansässige Beklagte vor dem für seinen Wohnsitz zuständigen LG Mainz auf Zahlung von knapp 6.000 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten in Anspruch genommen. Das LG hat die Klage wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers blieb erfolglos.

Auf die Revision des Klägers hat der BGH das Verfahren zunächst bis zur EuGH-Entscheidung in der Rechtssache C-774/22 ausgesetzt. Der EuGH hat in jener Sache durch Urteil vom 29.7.2024 entschieden. Der BGH hat daraufhin das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.

Gründe:
Die örtliche Zuständigkeit des LG unterliegt im Streitfall trotz der Regelung in § 545 Abs. 2 ZPO der revisionsrechtlichen Überprüfung.

Der BGH hat zu der im Wesentlichen inhaltsgleichen Regelung in § 549 Abs. 2 ZPO a.F. entschieden, dass die örtliche Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts der revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt, wenn daneben die internationale Zuständigkeit in Streit ist und beide Zuständigkeiten von derselben Voraussetzung abhängen (BGH, Urteil vom 21.11.1996 - IX ZR 264/95). Diese Konstellation ist im Streitfall allerdings nicht gegeben. Im Streitfall hängt die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht davon ab, ob Art. 18 Abs. 1 Brüssel Ia anwendbar ist. Wenn diese Frage mangels des erforderlichen Auslandsbezuges zu verneinen wäre, ergäbe sich die internationale Zuständigkeit schon daraus, dass beide Parteien in Deutschland ansässig sind.

Die Frage, ob das LG gem. Art. 18 Abs. 1 Brüssel Ia örtlich zuständig ist, unterlag im Streitfall aber deshalb der revisionsrechtlichen Überprüfung, weil sie bei Einlegung des Rechtsmittels einer Entscheidung durch den EuGH bedurfte. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung unterliegt die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ungeachtet des § 545 Abs. 2 ZPO der revisionsrechtlichen Überprüfung. Dieses Gesetzesverständnis trägt dem Umstand Rechnung, dass der internationalen Zuständigkeit deutlich größeres Gewicht zukommt als der örtlichen, sachlichen, funktionellen oder sonstigen innerstaatlichen Zuständigkeit. Es gewährleistet zudem die Wahrung der Pflichten zur Vorlage an den EuGH (BGH, Urt. v. 28.11.2002 - III ZR 102/02). Im Streitfall war eine revisionsrechtliche Überprüfung unter dem zuletzt genannten Aspekt geboten.

Das LG Mainz ist für die Klage gem. Art. 18 Abs. 1 Fall 2 Brüssel Ia örtlich zuständig. Der EuGH hat entschieden, dass die internationale und örtliche Zuständigkeit nach Art. 18 Abs. 1 Fall 2 Brüssel Ia gegeben ist, wenn ein Verbraucher einen Reiseveranstalter nach Abschluss eines Pauschalreisevertrags vor dem Gericht des Mitgliedstaats verklagt, in dessen Bezirk er seinen Wohnsitz hat, und die Vertragspartner beide in dem betreffenden Mitgliedstaat ansässig sind, das Reiseziel aber im Ausland liegt (EuGH, Urt. v. 29.7.2024 - C-774/22 - FTI). Im Streitfall ist die Zuständigkeit danach gegeben, weil der Kläger im Bezirk des LG Mainz seinen Wohnsitz hat und das Ziel der gebuchten Pauschalreise im Ausland liegt.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung
Zumutbare Maßnahmen zur Flugverspätungsbegrenzung
BGH vom 10.10.2023 - X ZR 123/22
MDR 2024, 18
MDR0062226

Rechtsprechung (siehe Leitsätze)
Ersatzflug nach unwetterbedingter Zerstörung des Flughafens
BGH vom 10.11.2022 - X ZR 97/21
MDR 2023, 88

Aufsatz
Die Entwicklungen des Pauschalreiserechts in den Jahren 2023/24
Charlotte Achilles-Pujol, MDR 2024, 1157

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